Neue Geschäftsleiterin IG Kultur

«Kultur kann man keine Grenzen setzen»

Edina Kurjakovic ist seit Mai 2014 Geschäftsleiterin des Dachverbandes Luzerner Kulturschaffenden, der IG Kultur Luzern. (Bild: zvg)

Seit dem 1. Mai hat Edina Kurjakovic das Zepter der IG-Kultur Geschäftsstelle übernommen. zentral+ hat die neue Stimme der Luzerner Kultur getroffen und über diverse Themen gesprochen. Von der Kulturagenda bis zum Blue Balls. Und von der Salle Modulable bis zur Industriestrasse.

Edina Kurjakovic beschreibt sich als «streng aber herzlich». Die 34-jährige Betriebswirtschafterin sieht sich selber als offen und kommunikativ. «Ich diskutiere gerne mit Menschen und habe eine eigene Meinung. Und ich mag Herausforderungen.» Eine dieser Herausforderungen ist ihre neue Anstellung als Geschäftsleiterin der Interessengemeinschaft Kultur Luzern, dem Verband, dem rund 200 Kulturplayer aus Luzern und der Zentralschweiz angehören: Vom Sedel, über die Stanser Musiktage bis hin zum KKL Luzern versucht die IG Kultur alle verschiedenen Interessen zu vertreten. Ein Spagat, der nicht immer einfach ist. «Ich finde es gut, dass alle in der IG Kultur vertreten sind, sie soll die gesamte Spannbreite abdecken», findet Kurjakovic. Luzern und die Zentralschweiz würden halt ein extrem differenziertes Angebot haben und eigentlich wisse jeder, dass man es nicht allen gleichzeitig recht machen könne.

Kultur aus der Vogelperspektive betrachten

Kurjakovic möchte die Kulturszene aus der Vogelperspektive betrachten und so die Knackpunkte erkennen, um dann gesamtheitlich zu wirken. «Dabei ist es nötig, offen und transparent zu kommunizieren, um Verständnis zu schaffen,» erklärt Kurjakovic, «egal ob etabliertes oder freies Theater: Es gibt Themen, die alle beschäftigen. Mein Ansatz wird sein, die ganze Breite zu supporten.»

Ebenfalls aus der Vogelperspektive möchte Kurjakovic die IG Kultur selbst betrachten: «Jetzt habe ich den externen Blick noch, ich bin immer noch in der Anfangsphase», sagt sie. «Was leistet die IG Kultur, was davon ist notwendig, wo sollen die Schwerpunkte gelegt werden? Und welche Vision verfolgen wir für die Kultur in Luzern und der Zentralschweiz?», alles Fragestellungen, in die sich Kurjakovic im Moment einliest. Sie habe in den ersten Monaten viel Papier durchgelesen, Gespräche mit Mitarbeitern und dem Vorstand geführt und an der Delegiertenversammlung im Mai erste Mitglieder der IG Kultur persönlich kennengelernt. Sie ist auch schon mit den Verantwortlichen von Stadt und Kanton zusammengesessen.

«Ich glaube schon, dass es Sachen und Themen gibt, die ich anders machen und behandeln werde.»

Vor Edina Kurjakovic war Catherine Huth für sechs Jahre als Geschäftsleiterin der IG Kultur tätig. «Ich glaube schon, dass es Sachen und Themen gibt, die ich anders machen und behandeln werde. Diese kann ich jetzt aber noch nicht benennen», antwortet Kurjakovic auf die Frage, ob sich unter ihrer Leitung etwas ändern werde. «Ich habe das Gefühl, dass die Kultur im Aufbruch ist. Eine neue Generation übernimmt leitende Funktionen und bringt somit sicherlich auch neue Blickwinkel, Arbeitsweisen und Erwartungen mit sich. Mein Ausbildungs- und Erfahrungsrucksack ist anders, wie der meiner Vorgängerin. Die logische Folge ist, dass ich Sachen anders anpacken werde.» Im Gegensatz zu Huth – welche selber aktiv als Künstlerin tätig war – kommt Kurjakowic aus der Veranstaltungsszene.

«Im Parlament sitzen auch Menschen mit Visionen»

Als Kurjakovic im Mai ihre neue Stelle antrat, wurden vom Kanton und der Stadt die neuen Kulturplanungsberichte präsentiert. Jener vom Kanton wurde nun kürzlich vom Parlament angenommen. «Das hat mich nicht allzu sehr überrascht, denn er ist ein Muss. Die Kultur kann nicht stehenbleiben und nichts machen. Die Gesellschaft entwickelt sich, so auch die Kultur.» Natürlich werde im Moment vor allem über finanzielle Mittel geredet, über Steuersenkungen um jeden Preis. Das schüre Ängste, doch Kurjakovic hat Vertrauen in das Parlament: «Dort sitzen nicht nur Menschen, die sich mit Sparmassnahmen beschäftigen. Es hat dort auch Menschen mit Visionen.»

An den Planungsberichten für die Zukunft der Kultur im Kanton und in der Stadt hat auch die IG Kultur mitgearbeitet. Das war aber noch vor Kurjakovics Zeit. Und doch hat sie darauf Einfluss nehmen können. Als Mitgründerin des B-Sides Festivals und Co-Leiterin der letzten drei internationalen Fumetto Comix-Festivals Luzern konnte sie sich während der Vernehmlassungsphase einbringen. Nun hofft Kurjakovic, dass auch die Stadt ihre «Kulturagenda 2020» durchbringt. «Ich habe ein gutes Gefühl. Und es ist wichtig und nötig, dass sich der Kanton und die Stadt parallel entwickeln. Der Kultur kann man keine Grenzen setzen.»

Es braucht mehr als Luft und Liebe

Ebenfalls in den Aufgabenbereich der IG Kultur fallen die Diskussionen um die Salle Modulable oder den Kulturwerkplatz Südpol. Bei der Salle Modulable, welche mittlerweile als neues Haus in das Projekt «Neue Theater Infrastruktur» integriert ist, hat Kurjakovic eine klare, persönliche Haltung. «Geht es um die Frage, ob es ein neues Theatergebäude in Luzern braucht, dann sage ich ja», erklärt Kurjakovic. Dem jetzigen Gebäude seien mit der Infrastruktur Grenzen gesetzt, welche hohe Hürden darstellen würden, um sich weiter zu entwickeln. Es sei deshalb heute nicht möglich, das umzusetzen, was man eigentlich gerne machen würde.

«Es geht um Denken, Vertiefen, sich mit Themen auseinandersetzen.»

Sie habe sich früher aber auch die Frage erlaubt, ob Luzern alles anbieten müsse: «Es ist eine berechtigte Frage: Braucht es Theater in Luzern? Oder soll sich die Stadt auf die Musik konzentrieren und das Theater beispielsweise den Zürchern überlassen?» In einem ersten Moment sei dies eine attraktive Frage, aber sie würde dem Kulturstandort Luzern nicht gerecht: «Der bunte Mix aller Kultursparten wirkt sich positiv auf Luzern aus. Einerseits leben wir in einer Stadt mit einer starken touristischen Ader und doch bietet dieser kleine Ort ein tolles Kulturangebot.» Die Kultur sei für die gesamte Gesellschaft wichtig. «Es geht um Denken, Vertiefen, sich mit Themen auseinandersetzen», sagt Kurjakovic.

Ebenfalls oft diskutiert wird in Luzern die Rolle des Kulturwerkplatzes Südpol. Dieser soll laut den neuen Kulturstrategien von Kanton und Stadt 400’000 Franken mehr Subventionen (bisher 600’000 Franken) erhalten, um seinen Auftrag umzusetzen. «Als Veranstalterin sehe ich die Grenzen vom Südpol. Daher halte ich diese Investition für sinnvoll», sagt Kurjakovic. Klar sei es viel Geld, das man in den Betrieb stecke, aber der Südpol könne seine Wertschöpfung nur so erhöhen: «Wenn man nichts investiert, kommt auch nichts zurück. Wenn man sinnvoll investiert, dann schafft man eine Rendite», führt Kurjakovic weiter aus. Sie stellt aber ebenfalls klar, dass die Erhöhung der Mittel schlussendlich auch im Output des Hauses sichtbar werden müsse. Trotzdem hält sie fest: «Wenn man den Ansprüchen gerecht werden will, braucht es eben mehr als nur Luft und Liebe. Und: Die Ansprüche sind da.»

«Die Kultur gehört zu uns»

Zu denken gibt Kurjakovic die Verdrängung der Kultur aus dem Stadtkern. Klar, Luzern sei klein und könne nun einmal nicht alles an einem Ort haben. «Trotzdem: Wenn ein Blue Balls-Festival beim Pavillon um 22 Uhr mit der Musik aufhören muss, dann kann ich das nicht verstehen. Ist das noch zeitgemäss?», hinterfragt sie. Man soll zwar Kultur machen, diese dann aber zu präsentieren, werde immer schwieriger. Klar könne man das auch in einem Bunker tun, wo es niemand mitbekomme und störe. «Wenn es Lärmklagen gibt, wie viele Leute stört es dann? Zwei?», fragt sich Kurjakovic. Das B-Sides Festival habe nun nach neun Ausgaben mit der gleichen Thematik zu kämpfen. Die Bedingungen für die Bewilligung würden immer strenger. Eigentlich sind die Auflagen mittlerweile so formuliert, dass ein Festival mit verstärkter Musik im Freien nie stattfinden kann. Die Freude und der Elan, Kultur zu präsentieren, würden durch unverständliche Haltungen, veraltete Gesetze und sture Köpfe gedämpft.

«Die Kultur gehört zu uns. Wer das nicht will, der soll aufs Land ziehen.»

«Ich bin auch kein Fasnachtsmensch, aber klar: Es ist eine Tradition, die Narrenfreiheit gilt. Ich rufe die Polizei nicht an deswegen, ich nehme es hin», sagt Kurjakovic und schlägt vor, jedem Zuzüger ein Paar Ohrenpax mit einem Begleitschreiben zukommen zu lassen: «Darin müsste stehen: Die Kultur gehört zu uns. Wer das nicht will, der soll aufs Land ziehen.» Dort, ist sich Kurjakowic aber sicher, würden sich die lärmklagenden Leute dann über Kuhglocken beschweren.

Edina Kurjakovic’s Kulturbegriff geht weit über die traditionellen Sparten hinaus. So hält sie es für richtig, dass die IG Kultur Teil des partizipativen Prozesses rund um das Industriestrassen-Areal war. «Es wäre schade, wenn die einzige Infrastruktur, die entstehen würde, nur Wohnungen und Gewerberäume wären. Ich frage mich: Soll denn ab der Langensandbrücke in Zukunft nur noch gewohnt werden?» Sie habe erst kürzlich die beinahe fertiggestellten Wohnungen neben dem Treibhaus und dem FC Kickers-Platz gesehen und sich fragen müssen, wie das wohl mit der Nachbarschaft rauskommen werde. Dass sich Kurjakovic diese Fragen stellt, ist gut. Denn als Geschäftsleiterin der IG Kultur wird sie künftig genau jene Fragen den höchsten Instanzen stellen können. Und im Sinne einer positiven Entwicklung der Kultur in der Region sind das Fragen, welche nicht gestellt werden sollen, sondern gestellt werden müssen.

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