Kulturpolitik Kanton und Stadt Luzern

«Wer Luzern sagt, denkt auch Kultur»

Stadt und Kanton vereint: Nathalie Unternährer, Reto Wyss, Ursula Stämmer-Horst und Rosie Bitterli an der Medienkonferenz. (Bild: mal)

Der Kanton Luzern will sich stärker in der Kultur engagieren und nimmt der Stadt Lasten von einer Million Franken ab. Diese Mittel sollen in die Kultur reinvestiert werden. Das ist das Resultat der von Kanton und Stadt präsentierten, aufeinander abgestimmten Strategien. Die Berichte werden noch dieses Jahr den Parlamenten vorgelegt. Da wird sich zeigen, ob der Wunsch von Regierungsrat Reto Wyss («Wer Luzern sagt, denkt auch Kultur») politisch mitgetragen wird oder dem Sparhammer zum Opfer fällt.

Kanton und Stadt Luzern präsentierten vereint die Resultate ihrer beiden Kulturberichte (Planungsbericht über die Kulturförderung des Kantons Luzern und Kulturagenda 2020) und betonten dabei den gemeinsamen Willen, die Kulturlasten ausgewogen zu verteilen. In der Tat ist die Aufgabenentflechtung zwischen Kanton, Gemeinden und der Stadt Luzern in den Anträgen berücksichtigt und als grosser Gewinner könnte der Kulturstandort Luzern hervorgehen. Zünglein an der Waage sind nun einerseits die Parlamente und andererseits die Gemeinden, die sich stärker an der Kulturförderung beteiligen sollen.

«Zweckverband Grosse Kulturbetriebe» ermöglicht neuen Spielraum

Neben dem Luzerner Theater, dem Kunstmuseum und dem Luzerner Sinfonieorchester (LSO) werden neu auch das Verkehrshaus der Schweiz, das Lucerne Festival und das Museum Rosengart über den Zweckverband finanziert. Die Mehrkosten dieses Engagements werden mit einem Finanzierungsschlüssel, wie im Zweckverband üblich, von 70 Prozent zu Lasten des Kantons und 30 Prozent zu Lasten der Stadt geregelt. Diese stärkere Beteiligung des Kantons ermöglicht es der Stadt, rund eine Million Franken für die Umsetzung anderer Massnahmen in der Kulturagenda 2020 einzusetzen. Für den Kanton Luzern bedeutet das eine Mehrbelastung von 1,1 Millionen Franken.

Doch nicht nur die grossen und etablierten Kulturbetriebe würden von den neuen Strategien der Kulturberichte profitieren. In der «Freien Szene» sind ebenfalls Änderungen angedacht: Sei es die verstärkte Kulturförderung der Künstler an sich oder die Stärkung der Kultur in den ländlichen Regionen. Der Kanton Luzern zieht sich aus der projektbezogenen Förderung zurück, schafft dafür aber regionale Kulturförderstellen. Diese nehmen auch die Gemeinden in die Pflicht: Denn nur was auf kommunaler Ebene gefördert wird, soll Zugang zur regionalen Kulturförderung bekommen. Total lässt sich der Kanton die Förderung ausserhalb der grossen Institutionen 1,28 Millionen Franken kosten. Für die zusätzlichen Mittel von total 2,38 Millionen Franken soll eine Erhöhung des Anteils der Lotteriemittel für das Bildungs- und Kulturdepartement beantragt werden.

Kanton zieht sich aus regionaler Projektförderung zurück

Wichtiges Kernelement der neuen Kulturstrategie ist es, dass der Kanton künftig keine Breitenförderung auf Gesuche hin unterstützt. Künftig sollen Projekte also nicht mehr auf lokaler, regionaler und kantonaler Ebene einzeln, sondern viel mehr koordiniert unterstützt werden. Ob ein Projekt unterstützt wird, entscheiden in Zukunft die Gemeinden eigenständig. Eine regionale Förderung soll mittels vier regionaler Fonds geschaffen werden. Dazu wird der Kanton in vier Zentren unterteilt: Stadt und Agglomeration, Luzern West, Luzern Mittelland und Luzern Seetal.

Regierungsrat Reto Wyss betonte an der Medienorientierung, dass die Mitwirkung der Gemeinden für dieses Vorhaben von grösster Wichtigkeit sei. Im Planungsbericht des Kantons steht denn auch, dass in Bezug auf die stärkere Verantwortung der Gemeinden an der Basisförderung, ausserhalb der Stadt Luzern, ein bedeutender Entwicklungsbedarf hinsichtlich der Organisation und des Ausmasses der Förderung bestehen würde.

Bedeutet konkret: Spielen die einzelnen Gemeinden nicht mit, müsste dieses System neu gedacht werden. Den Gemeinden wird die Chance geboten, sich klar zur Kultur zu bekennen und – eingegliedert in eine umfassende, kantonale Kulturförderung – von einer regionalen Förderung profitieren zu können. Dieser Zugang zu regionalen Kulturfördermitteln soll für die Gemeinden ein Anreiz sein, sich vermehrt den kulturellen Anliegen ihrer Bewohner anzunehmen.

Stadt zieht sich aus Werkbeiträgen zurück – der Kanton übernimmt

Anstelle der regionalen Kulturförderung will sich der Kanton in Zukunft in der selektiven Produktionsförderung betätigen. Nach dem Vorbild der Werkbeiträge von Kanton und Stadt soll ein neues, ebenfalls auf Ausschreibung basierendes Fördermodell entwickelt werden. Hingegen wird sich die Stadt Luzern aus der Finanzierung dieser Werkbeiträge zurückziehen.

Dank diesem Modell könne sich die Kulturförderung vermehrt auf die Qualität und Professionalität konzentrieren. Dass heisst, dass der Kanton künftig weniger Projekte mit mehr Mitteln unterstützen wird, also eine Abkehr vom heute gängigen und oft kritisierten «Giesskannen-Prinzip». Der Kanton erhofft sich durch dieses System eine grössere Wirkung der Fördermittel.

Südpol erhält pro Jahr 400’000 Franken mehr

Eine Million Franken lässt sich der Kanton sein stärkeres Engagement zu Gunsten der Stadt Luzern kosten. Diese verpflichtet sich aber, diese Mittel in die Kultur fliessen zu lassen. Grosser Nutzniesser dieser neuen Strategie könnte der Kulturwerkplatz Südpol werden. Mit pro Jahr zusätzlich 400’000 Franken soll das Kulturhaus die Möglichkeit erhalten, als die angedachte Theater-Produktionsstätte agieren zu können. Das entspricht einer Subventionserhöhung von 63,5 Prozent.

zentral+ wollte von der Chefin Kultur und Sport der Stadt Luzern, Rosie Bitterli, wissen, ob diese Mittelerhöhung nicht indirekt ein Eingeständnis dafür sei, dass der Südpol bis anhin mit viel zu wenigen Mitteln agieren musste (zentral+ berichtete). Diese betonte, dass man mittlerweile auf Erfahrungen zurückblicken könne und dass im Planungsbericht der Südpol bereits als Teil der «Neuen Theater-Infrastruktur» (NTI) gedacht werde. Diesen müsse man mit entsprechenden Mitteln auf seine neue, wichtigere Rolle vorbereiten.

Vision «Theater Werk Luzern»

Die Projekte NTI und «Theater Werk Luzern» sind dann auch wichtige Bestandteile der Kulturstrategien des Kantons und der Stadt und werden dementsprechend in den Berichten prominent aufgeführt. Es wird festgehalten, dass das alte Theater an der Reuss am Ende seines Lebenszyklus angekommen sei.

Bevor aber mit baulichen Massnahmen auf die Situation reagiert werden könne, brauche es ein Konzept darüber, was künftig angeboten und produziert werden solle. Festgehalten wird weiter, dass in der Finanzierung zwischen dem institutionellen und freien Theaterschaffen ein Missverhältnis bestehe. Das Projekt «Theater Werk Luzern» befasst sich losgelöst von den Institutionen, welche Inhalte in der Bandbreite von Oper und Musiktheater, über Tanz und Schauspiel, bis hin zu spartenübergreifenden Projekten, künftig in Luzern produziert und aufgeführt werden sollen.

Verhindert Spardruck Umsetzung?

Die kulturpolitischen Planungsberichte von Stadt und Kanton Luzern können als deutliches Bekenntnis zur Kultur verstanden werden: Man stellt sich hinter die grossen Kulturbetriebe, hinter die freie Szene und fördert die Kultur auf dem Land. Doch welche Chancen haben die geplanten Entwicklungen in der Zeit des Spardrucks?

Die SP Kanton Luzern lässt mittels Medienmitteilung verlauten, dass man zwar das verstärkte Engagement des Kantons begrüsse, dass aber nach wie vor weniger als ein Prozent des Gesamtbudgets für die Kultur zur Verfügung stehe. «Die momentane finanzpolitische Situation von Stadt und Kanton Luzern gefährdet die beabsichtigten Investitionen stark», teilt die SP mit. Sie fordert, «dass die kommenden Sparpakete nicht auf Kosten der Kulturförderung gehen».

Gegen einen Ausbau der Mittel stellt sich Guido Müller, Kantonsrat und Fraktionschef der SVP: «Es ist klar, dass die heutigen Mittel der Kulturförderung nicht ausgebaut werden können. Da stellt sich die Frage, wem man Mittel wegnimmt, um die Förderung der freien Szene zu erhöhen.» Eine Erhöhung der Mittel werde die SVP bekämpfen. Ebenso kritisiert Müller, dass die 2,38 Millionen Franken Mehrkosten aus dem Lotteriefonds bezogen werden sollen: «Wir erleben immer wieder Diskussionen über die Verwendung dieser Mittel. Irgendwann wird das Mass voll sein.» Ebenso fragt sich Müller, was geschehen wird, falls die Mittel des Lotteriefonds eines Tages nicht mehr zur Verfügung stehen würden: «Verliert dann die gesamte Kulturförderung ihr Fundament?»

Unter der Federführung des Zweckverbands Grosse Kulturbetriebe arbeiten die relevanten Partner des Luzerner Theaterschaffens an einer Ausarbeitung über die zukünftigen Ansprüche der benötigten Infrastruktur. Die Resultate des Projekts «Theater Werk Luzern» sollen dabei bis 2015 in einem Gesamtkonzept konkretisiert werden. Rosie Bitterli hielt fest, dass die Planungsberichte noch ohne die über 100 Millionen Franken schwere Donation des verstorbenen Christof Engelhorn verfasst wurden, da man zum Zeitpunkt der Erstellung der Dokumente noch nicht vom gewonnen Prozess auf den Bermudas ausgehen konnte (zentral+ berichtete).

Kanton und Stadt leisten sich «Dach der Welt»

Als grosser Ausgabenposten schlägt sich das Kultur- und Kongresszentrum KKL Luzern in die Budgets des Kantons und der Stadt nieder. Die jährliche Beteiligung an den Unterhaltskosten von 0,5 Millionen Franken vom Kanton und 4,1 Millionen seitens der Stadt bleiben bestehen und werden 2019 der Teuerung angepasst.

Weiter zahlen Kanton und Stadt je 2,5 Millionen Franken für die langfristige Werterhaltung des KKL. Zudem erhält das KKL finanzielle Unterstützung für die Dachsanierung. Dies in Form von Bürgschaften von 4,5 Millionen (Stadt) und 9,5 Millionen Franken (Kanton).

Langfristige Verträge für Schüür und Festivals

Eine Veränderung ist auch in den bisherigen Veranstaltungspauschalen des städtischen FUKA-Fonds vorgesehen. Diese sollen zu Lasten des Kultur und Sport-Fonds in neu abzuschliessende oder bereits bestehende Verträge integriert werden. Dies wird die Institutionen Schüür, Kunsthalle, Südpol, Kleintheater, Gallerie O.T., Kunstraum sic und das Stattkino betreffen.

Um Luzern als Festival-Standort weiter zu stärken, soll in Zusammenarbeit mit dem Kanton und weiteren interessierten Kreisen (vor allem Tourismus) ein Konzept entwickelt werden, um die einzelnen Festivals zu fördern. Einzelne Beitragserhöhungen seien angedacht, müssen laut Mitteilung aber erst noch verhandelt weden.

Kreativwirtschaft, Musikszene und Filmförderung

In den Planungsberichten wird auch neuen Entwicklungen Rechnung getragen. So wird die Kreativwirtschaft in einer wohl noch nie dagewesenen Präsenz erwähnt. Dieser eher junge Wirtschaftssektor soll vermehrt anerkannt werden. Es sollen günstige Rahmenbedingungen geschaffen werden, mit dem Fokus auf Räume, Infrastruktur und Beratung. Ab 2016 sollen zudem Beiträge in die Kreativwirtschaft fliessen, welche vor allem die Koordination verbessern und Infrastrukturschwellen beseitigen sollen.

Um Luzern als Musikstandort auch abseits der etablierten Institutionen zu fördern, soll in der Stadt Luzern ein Musikkredit nach Zürcher Vorbild («Popkredit») eingeführt werden. Damit kommt die Stadt Luzern einem lang gehegten Wunsch der Luzerner Musikszene nach. Der Kredit wird dem FUKA-Fonds die Möglichkeit geben, junge Musiker oder Labels gezielt und langfristig entwickeln zu können.

Auf kantonaler Ebene ist als eine Massnahme die Gründung eines Zentralschweizer Filmfonds aufgeführt. Dieser soll den Produktionsstandort Zentralschweiz stärken. Ein Konsens zu einem gemeinsamen Filmförderungs-Fonds der Zentralschweizer Kantone fand erst vor kurzem keine Mehrheit (zentral+ berichtete). Daher wurde das Thema bis auf weiteres vertagt.

Im Planungsbericht werden die Vorteile einer eigenständigen Zentralschweizer Filmförderung jedoch als offensichtlich festgehalten. Mit dieser könne verhindert werden, dass Filmschaffende in die Zentren Zürich, Genf, Lausanne oder ins Ausland abwandern. Kurzfristig reagiert der Kanton mit kantonalen Auszeichnungen in Form von Werkbeiträgen. Jedoch ist davon auszugehen, dass das Thema einer gemeinsamen Zentralschweizer Filmförderung schon bald wieder ein politisches Thema sein wird.

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