Filmförderung Zentralschweiz

«Kantönligeist» verhindert Quantensprung

Bis ein Filmprojekt den Weg in ein Kinosaal findet, gilt es, einen langen Finanzierungsweg hinter sich zu bringen. (Bild: Copyright by AURA)

Die Studie über die Zentralschweizer Filmförderung kostete 30’000 Franken und wurde im Frühling 2012 fertiggestellt. Die Anforderungen an eine Zentralschweizer Filmförderung sind darin klar festgehalten: Die Förderung ist ungenügend, es braucht mehr Mittel – idealerweise in einem gemeinsamen Pott. Doch die Kantone verhindern den Fortschritt. Sie wollen keine Kompetenzen abgeben. Die Folge: Viele Filmemacher drehen der Region den Rücken zu.

Mit 57 Rappen pro Kopf fördert die Zentralschweiz die hiesige Filmszene und ist damit ganz am Schluss der Schweizer Rangliste anzutreffen. Die Folgen für die Filmemacher sind drastisch: Der Zugang zu den nationalen Fonds überlasst man so anderen und die regionalen Filmemacher werden zum Wegzug gezwungen. Jüngst verhinderten die kantonalen Kulturdirektoren eine neue, gemeinsame Förderstrategie. Verfasst wurden lediglich Musterrichtlinien und gemeinsame Maximalbeiträge. Beides sind für die Filmschaffenden Tropfen auf den heissen Stein. Die Probleme bleiben.

Gemeinsamer Fonds verpasst

Dabei waren die Zentralschweizer Kantone so nahe dran, die Filmförderung neu zu gestalten und mit einer gemeinsamen Strategie auf ein nationales Niveau zu hieven. Die Bildungsdirektoren-Konferenz Zentralschweiz (BKZ) gab eine Studie in Auftrag, deren Resultate 2012 vorlagen («Konzept zur zukünftigen Gestaltung der Filmförderung Zentralschweiz»). Die darin enthaltenen und von den Autoren Rachel Schmid und Sven Wälti verfassten Empfehlungen fanden aber im Herbst 2013 keine absolute Mehrheit.

«Die für die Sachbearbeitung zuständigen Kulturbeauftragten fragten sich, welches Modell man umsetzen sollte», erklärt der Leiter des Amtes für Kultur und Sport des Kantons Uri, Joseph Schuler, welcher als Sprecher der Zentralschweizer Kantone in Sachen Filmförderung bestimmt wurde. «Ein Modell mit einem gemeinsamen Topf hätte gegenüber von Bund und SRG mehr Gewicht gehabt – gerade bei grossen Filmprojekten.» Doch die Filmförderung falle unter die Hoheit der Kantone. «Diese entschieden die Entscheidungskompetenzen kantonal zu behalten.»

Auch Albin Bieri, Projektleiter Film des Kantons Luzerns gesteht, dass mit diesem Entscheid «der von vielen Filmschaffenden erhoffte ‹Quantensprung› nicht möglich» sei. Oder auch Lukas Hobi, Geschäftsführer von Zodiac Pictures, unter anderem Produzent von erfolgreichen Filmen wie «Achtung, fertig, WK» oder «Stationspiraten», kritisiert: «Die Verantwortlichen wollen die Realität nicht wahrhaben. Dabei würde ein starker, gemeinsamer Auftritt die Fördermittel des Bundesamtes für Kultur und der SRG multiplizieren.»

Verhinderte Kanton Schwyz einen Meilenstein?

Laut Informationen von zentral+ war es vor allem der Kanton Schwyz, der sich einer neuen Lösung in den Weg stellte. Diese Information wurde während der Recherche oft gehört, aber öffentlich möchte sich niemand dazu bekennen. Anstelle einer gemeinsamen Förderstrategie mit dem Zusammenlegen aller Mittel, haben sich die Kantone nun auf gemeinsame Förderrichtlinien geeinigt. Klingt nett, bringt aber laut Studie nicht viel.

Will ein Filmprojekt konkurrenzfähig zu anderen Regionen finanziert werden, müssten laut Studie 20 Prozent der Kosten mit der regionalen Filmförderung gedeckt werden. Erst wenn diese Förderung auf regionaler Ebene geschieht, ist der Zugang zu den Ressourcen der nationalen Filmförderung und derjenigen des Schweizer Fernsehens gewährleistet. Kurz: Je mehr die regionale Förderung in ein Filmprojekt investiert, desto höher fällt auch die nationale Subventionierung aus.

Mit 57 Rappen pro Kopf und Jahr leisten sich die Zentralschweizer Kantone die tiefste Quote im Land (Stand 2012). Sogar die Kantone Graubünden oder Tessin haben einen drei Mal höheren pro Kopf Beitrag. Im Kanton Bern sind es gar 3,21 Franken, im Kanton Zürich 5,83 Franken pro Kopf. Mit der tiefen Förderung verhindert die Zentralschweiz also eine höhere Beteiligung der nationalen Filmförderung – man lässt diese Mittel quasi auf der Strasse liegen. Lediglich 3,4 Prozent aller Bundesgelder der Filmförderung fliessen so in den Kanton Luzern. In Zürich sind es 58 Prozent.

Filmemacher verlassen die Zentralschweiz

Eine Abschlussarbeit der Hochschule Luzern Wirtschaft zeigte bereits 2011, dass das Zentralschweizer Filmschaffen ohne zusätzliche Mittel zunehmend in eine wirtschaftliche Schieflage gerät. Als Folge davon sei zu befürchten, dass noch mehr Filmschaffende gezwungen werden, in Regionen mit besseren Fördermöglichkeiten zu ziehen. Diverse Akteure haben den Wegzug schon vollzogen.

Das bestätigt auf Anfrage von zentral+ auch Lukas Hobi: «Wir haben es viele Jahre in Luzern versucht, mussten dann aber nach Zürich abwandern, weil es nicht mehr anders ging.» Umso ärgerlicher ist dieser Umstand, da in Luzern laut Hobi, einer der besten Ausbildungsstätten im Bereich Film an der Hochschule Luzern bestünde. Man bildet die Leute also aus, bietet aber vor Ort keine Perspektiven. Das bestätigt auch Edith Flückiger, Leiterin der Studienrichtung Video an der Hochschule Luzern Design und Kunst: «Unsere Abgänger suchen sich natürlich Orte, an denen sie die besten Chancen haben, ihr erlerntes Berufsfeld auszuüben und gerade junge Filmschaffende sind auf Fördermittel angewiesen.» Weiter sagt Flückiger, dass einige Kantone in den letzten Jahren zum Teil beträchtlich und erfolgreich in die Filmförderung investierten. So die Kantone Bern und Zürich, wie auch die Romandie. «Die Zentralschweiz muss sich auch positionieren und darf hier den Anschluss nicht verlieren», hält Flückiger fest.

Bisher: Fachgruppe empfiehlt – Kantone entscheiden

Das aktuelle Fördermodell in der Zentralschweiz besteht in dieser Form seit 25 Jahren und ist laut den Autoren Rachel Schmid und Sven Wälti eine gute Basis. Die Zentralschweizer Kantone arbeiten im Bereich Filmförderung zusammen, in dem sie die Innerschweizerische Filmfachgruppe (IFFG) stellt, in der aus jedem Kanton ein Delegierter Einsitz hat.

Ergänzt wird die Runde durch die Kulturbeauftragten der Kantone. Die Gruppe tagt pro Jahr vier Mal, hat aber keine Entscheidungskompetenzen. Sie gibt lediglich Empfehlungen an die Kantone ab, welche dann diesen Folgen können oder nicht. Das führt zu einer doppelten Beurteilung der Gesuche: Einerseits durch die IFFG, andererseits durch die Kantone, welche schlussendlich über die Förderbeiträge entscheiden.

Schmid und Wälti würdigen dieses Konzept insofern, dass Gesuchstellende nicht bei jedem Kanton einzeln, sondern zentral ihre Projekte einreichen können. Des Weiteren bemängeln sie aber viele Aspekte. So der Umstand, dass bis vor kurzem einzig der Kanton Luzern über Richtlinien verfügte, was denn überhaupt gefördert werden soll. Dieser Umstand wurde nun durch die gemeinsamen Richtlinien beseitigt. Andere Probleme bleiben.

So wird bemängelt, dass die Fachgruppe eher zufällig zusammengestellt sei, da die Kantone ihre Vertretungen selber bestimmen. Je nach Zusammenstellung der Fachgruppe habe dies zur Folge, dass eine gewisse Aussensicht und zum Teil weitergehende Fachkenntnisse fehlen würden. Weiter sind Filmprojekte oft überregional aufgestellt: Ein Regisseur kommt aus dem Kanton A, der Verleger aus Kanton B und die Schauspieler aus den Kantonen C und D. Die Unterstützung der jeweiligen Kantone fällt dann unkoordiniert aus und selbst die Auszahlung der Fördermittel variiert stark, was einen grossen Einfluss auf die Liquidität während einem Projektprozess haben kann.

Anders in Zürich: Dort gibt es die Zürcher Filmstiftung, welche pro Jahr 10 Millionen Franken zur Verfügung hat. Finanziert wird dieser Fonds vom Kanton, der Stadt und dem kantonalen Finanzausgleich. Dabei sorgt eine Auflage dafür, dass die investierten Mittel zu einem Teil wieder in die regionale Wirtschaft zurückfliessen: Unterstützt werden nur Projekte, bei denen Ausgaben von mindestens 150 Prozent des Förderbetrages im Kanton Zürich geplant sind.

Somit bringen diese Förderausgaben dem Kanton Zürich viele Vorteile: Der Bund unterstütz Zürcher Filmprojekte mit deutlich höheren Beitragen (da auch die regionale Förderung höher ausfällt) und die Filmproduktionen bringen Innovation, technisches Fachwissen und hochwertige Arbeitsplätze in die Region. Diverse Studien belegen, dass in Zürich pro ausgegebenen Franken durch die öffentliche Hand, vier bis sechs Franken zusätzlicher Umsatz generiert werden können.

Kantone erhöhen ihre Beiträge

Während den Recherchen wurde klar, dass sich die Kulturverantwortlichen der Kantone einen gemeinsamen Fonds erhofft hätten, so auch Joseph Schuler: «Ich habe eine gemeinsame Lösung vertreten. Trotzdem konnten schon jetzt Verbesserungen umgesetzt werden.» Damit meint Schuler zwei untergeordnete Punkte: «Erstens sind die Kantone einverstanden, die Filmbudgets teilweise zu erhöhen, was für 2014 in mehreren Kantonen erfolgt ist», so Schuler. «Zweitens haben die Kulturbeauftragten harmonisierte Musterrichtlinien erarbeitet, die die Kantone nun grösstenteils als Vorlage übernommen haben.» Diese sollen bis April kommuniziert werden und enthalten gegenüber dem heutigen Stand transparente, gemeinsame Kritierien sowie abgestimme Maximalbeiträge.

Eine Entwicklung, die den Filmemachern aber zu wenig weit geht. «Wenn wir nicht bald aktiv werden, wird das hiesige Filmschaffen verschwinden», sagt Lukas Hobi. «Ein Vergleich: Der Kanton Luzern investiert total 500’000 Franken, der Kanton Uri zwischen 70’000 und 80’000 Franken. Der Kanton Bern gibt pro Jahr drei Millionen Franken aus.»

Das neue Konzept würde pfannenfertig vorliegen

Rachel Schmid und Sven Wälti führen in ihrem «Konzept zur zukünftigen Gestaltung der Filmförderung Schweiz» diverse Lösungsansätze auf, wie die Zentralschweizer Filmförderung in ein neues Zeitalter überführt werden könnte. Nicht weiter geprüft wurde ein Anschluss an die Zürcher Filmstiftung. Dabei würde man gänzlich auf eine eigene Beurteilung der Konzepte verzichten – eine Gangart, welche die Förderung und Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten verunmöglichen würde.

Die weiteren drei Modelle von Schmid und Wälti bauen alle auf der schon 25 jährigen Geschichte der «Innerschweizer Filmfachgruppe» (IFFG) auf (siehe Box). Die Variante «IFFP Plus» würde die Kantone dazu verpflichten, gemeinsame Richtlinien und einheitliche Beiträge einzuführen. Die Kantone hätten aber weiterhin die Möglichkeit, die Empfehlungen der Fachgruppe zu ändern, dies jedoch nur mit einer Begründung, welche in der heutigen Praxis nicht notwendig ist.

Eine weitere Variante – die «IFFP plus mit Entscheidungskompetenz» würde die Fachgruppe dazu ermächtigen, selbst Förderbeiträge zu sprechen, an welche sich anschliessend die Kantone zu halten hätten. Eine Zweitbeurteilung durch die Kantone würde somit wegfallen und somit könnten Ressourcen gespart werden.

Das dritte Modell «IFFG Plus mit Fonds» ist die von den Filmemachern gewünschte Zusammenlegung aller Filmförderbeiträgen von den Zentralschweizer Kantonen. Die Beiträge würden so direkt von der Fachgruppe ausbezahlt, was eine Schaffung einer Geschäftsstelle zur Folge hätte.

Ohne Aufstockung der Mittel hat Zentralschweiz keine Chance

Allen Zukunftskonzepten liegt eine unabdingbare Massnahme zu Grunde: Die zur Verfügung gestellten Mittel müssen laut Studie dringend erhöht werden. Für die Umsetzung der oben beschriebenen Massnahmen gehen die Autoren Schmid und Wälti von einem Betrag von 1,4 Millionen Franken aus – was eine Verdreifachung der heutigen Mittel bedeuten würde (inklusive allen administrativen Kosten). Selbst dann aber wäre der pro Kopf-Beitrag der Zentralschweizer Kantone mit 1,85 Franken einer der tiefsten, in der Schweiz anzutreffenden Werte.

Wo mehr Geld investiert werden soll, stellt sich automatisch die Frage, wer denn diese Mehrkosten zu tragen hätte. Dazu schlagen Schmid und Wälti drei verschiedene Verteilschlüssel vor: Nach Bevölkerungszahlen der Zentralschweizer Kantone, nach dem Bedarf der Fördermittel (wobei das Autorenteam Beiträge von sieben Jahren ausgewertet hat) und einem dritten Schlüssel, welcher die Bevölkerungszahlen und den Bedarf berücksichtigen.

Je nach Verteilschlüssel würde sich die finanzielle Beteiligung an der Filmförderung pro Kanton entweder erhöhen oder tiefer ausfallen. So würde sich bei einer Verteilung nach Bevölkerungszahlen der Betrag vom Kanton Schwyz erhöhen, obwohl die Dichte an Filmschaffenden dort sehr gering ist. Beim Prinzip nach Verbrauchern würde sich der Beitrag des Kantons Obwalden mehr als verdoppeln. Ähnlich beteiligt an den Mehrkosten wären alle Kantone, wenn man die Schlüssel der Bevölkerungsdichte und der Verbraucher vermischen würde.

Modell «Romandie» wäre Vorbild

Die von Rachel Schmid und Sven Wälti vorgesehene Ideallösung für die Zentralschweizer Kantone ist in der Romandie bereits umgesetzt. Dort arbeiten die Kantone Freiburg, Genf, Jura, Neuenburg, Waadt und Wallis seit 2011 unter dem Label «cinéforom» (Fondation romande pour le cinéma) zusammen. Das jährliche Budget der Stiftung beträgt 10 Millionen Franken und setzt sich zu 68 Prozent aus der öffentlichen Hand und 32 Prozent von der «Loterie Romand» zusammen.

Dabei werden pro Filmprojekt Beiträge bis zu 400’000 Franken gesprochen. Und sollte ein Projekt bereits eine fixe Unterstützung vom BAK (Bundesamt für Kultur) oder der «Pacte de l’audiovisuel» (Zusammenschluss vom Schweizer Fernsehen und sieben Partnern aus der Filmbranche) zugesagt haben, erfolgt die Unterstützung automatisch.

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