Mehr Menschenverstand statt Lehrbuch täte Zug gut

Die Zuger Regierung hadert mit den Graubereichen

Das Bundesgericht kritisiert die Zuger Behörden. Sie hätten gegen die Menschenrechte verstossen, so das Verdikt. Aus Zug kommt Unverständnis und Trotz. Dabei hätte sich die Regierung die Niederlage ersparen können. Mit gesundem Menschenverstand und etwas Empathie anstelle von buchstabengetreuer Sturheit.

Das Bundesgericht weist die Zuger Behörden in ihre Schranken. Wie diese im Oktober mit einer afghanischen Familie umgesprungen waren, nachdem sich die Eltern gegen ihre Ausreise geweigert hatten, wird als unverhältnismässig taxiert (zentralplus berichtete).

Es ist ein Urteil, das man als halbwegs sozialer Mensch mit intaktem Gewissen aus dem Bauch heraus wohl genauso gefällt hätte, wie es das Bundesgericht tat. Eine Familie mit Gewalt voneinander zu trennen, die Mutter hier ins Gefängnis, den Vater dort, drei der Kinder ins Heim gesteckt. Das klingt nicht nach gemässigtem Schweizer Recht. Könnte man meinen. Dennoch haben die Zuger Behörden alles so gemacht, wie’s im Büechli beschrieben steht.

Wenn das Lehrbuch nix nützt

Doch so einfach ist es auch wieder nicht. Denn dieses Vorgehen widerspricht dem Kindeswohl, das es laut der Europäischen Menschenrechtskonvention hochzuhalten gilt, befand nun das Bundesgericht. Der Kanton Zug habe es verpasst, andere Unterbringungsmöglichkeiten auszuloten. Und abgesehen davon, dass die Fremdplatzierung der Kleinkinder unverhältnismässig gewesen sei, sei auch die Dublin-Haft der Eltern nicht rechtens gewesen.

Ob dieses Verdikts dürften manche Zuger leer schlucken. So vielleicht auch einige Mitglieder des Zuger Kantonsrats. Der hatte sich Ende März mit dem Thema befasst, da Andreas Lustenberger gleich zwei Vorstösse zum Thema eingereicht hatte. Über die eigentliche Problematik wollte damals keiner reden. En gros herrschte Konsens darüber, dass die Zuger Regierung alles richtig gemacht habe. Viel eher genossen es die Räte, Lustenberger mit Vorwürfen zu traktieren und ihm etwa vorzuwerfen, politische Effekthascherei zu betreiben (zentralplus berichtete).

Der Mahnfinger des Bundes wird ignoriert

Auch die Regierung selber findet ganz selbstbewusst, durch und durch korrekt gehandelt. Selbst, nachdem das Bundesgericht den Mahnfinger hervorgeholt hat. Beat Villiger reagierte mit Unverständnis und auch etwas Trotz.

Er befand, man habe sehr wohl andere Unterbringungsmöglichkeiten für die Kinder gesucht, das Kindeswohl sei von «höchster Bedeutung». Und erklärte: «Wenn wir künftig so vorgehen wollen, wie das Bundesgericht fordert, können wir Dublin-Ausschaffungen von Familien, die untertauchen, ab jetzt vergessen.»

Und dennoch scheint es der Zuger Regierung nicht ganz geheuer zu sein. Nicht, weil sie mit läppischen 3’500 Franken für den Anwalt der Beschwerdeführer aufkommen muss. Sondern, weil sie wohl gemerkt hat, dass das, was da schwarz auf weiss im Lehrbuch steht, nicht allmächtig ist. Dass es Graustufen gibt, die unbedingt beachtet werden müssen. Und die erfordern, dass man mitdenkt. Mit gesundem Menschenverstand. Und vielleicht einer Spur Empathie. Selbst in der Verwaltung.

Die Zuger Regierung hadert mit den Graubereichen
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