Roth: Ein guter Entscheid zum falschen Zeitpunkt

Erst noch haben wir uns an die neue Konstellation im Stadtrat gewöhnt, schon tritt Stefan Roth zurück. Zwar ist es sinnvoll, dass der abgewählte Stadtpräsident Platz macht – auch weil er sich und dem Gremium damit einen Gefallen tut. Dennoch kommen sich nun viele Wähler verschaukelt vor.

Aus Wählersicht – zumindest für einen Teil davon – ist es ein unbefriedigender Tag. Denn Stefan Roth hat einen Volksauftrag: Er wurde am 5. Juni für weitere vier Jahre als Finanzdirektor dieser Stadt gewählt. Dass er gleichzeitig als «Stapi» abgewählt wurde, ändert daran nichts.

Roth erhielt diesen Volksauftrag auch, weil er die Finanzen der Stadt in sicherem Griff hatte. Nun nimmt er aber diese Aufgabe gerade mal zwei Wochen wahr: Am 1. September beginnt die neue Legislatur – und am 15. September 2016 tritt Roth zurück (zentralplus berichtete). Das Abenteuer Stadtrat geht für ihn nach sechs Jahren (vier davon als Stadtpräsident) zu Ende und Roth bleibt der Politik noch als Kantonsrat erhalten.

Der abgewählte «Stapi»

Stefan Roth hat sich Zeit genommen für seinen Entscheid, nun gut. Aber wieso tritt er nicht gleich per sofort zurück, sondern amtet noch zwei Wochen als Stadtrat? Das leuchtet nicht ein. Zu Recht kritisieren auch Politiker den äusserst unglücklichen Zeitpunkt für den Rücktritt (zentralplus berichtete). Schliesslich hat sich Roth den denkbar schlechtesten Moment dafür ausgesucht. Inhaltlich aber ist der Entscheid nachvollziehbar und richtig – und letztlich im Interesse aller.

Stefan Roth wirkte seit seiner Wahlschlappe im ersten Wahlgang für den Stadtrat am 1. Mai oft gereizt, wenig souverän und kaum staatsmännisch. Er ging angeschlagen in den zweiten Wahlgang am 5. Juni, wo er das Rennen ums Stadtpräsidium prompt und deutlich gegen den Herausforderer Beat Züsli verlor. Seither war Roth in erste Linie der abgewählte «Stapi».

«Kä Luscht»

Viele hätten am 5. Juni darauf gewettet, dass Roth noch am Wahltag seinen Rücktritt aus der Stadtregierung einreichte. Man wäre nicht verwundert gewesen, wäre ihm ein «Kä Luscht» à la Ueli Maurer über die Lippen gerutscht. Seine Beteuerung, er werde sein Amt auch nach dem Verlust des Präsidiums «mit Freude angehen», kaufte man ihm nicht ab. Insofern ist die eigentliche Überraschung, dass er erst so spät zurücktritt.

Ob eine kollegiale Zusammenarbeit mit dem neuen Stadtpräsidenten Beat Züsli sowie mit Baudirektorin Manuela Jost, die er zugunsten eines SVP-Sitzes zur Abwahl empfahl, funktioniert hätte? Möglich, aber sicher nicht unbelastet.

Roth konnte seine Wahlschlappe nie verdauen, schon nach dem ersten Wahlgang reagierte er in Interviews leicht gereizt. Zudem gab er physische und mentale Gründe an, die ihn zu dem Entscheid bewogen.

Es ist Stefan Roths gutes Recht, dass er mit der neuen Situation nicht umgehen kann oder will. Und es ist menschlich, dass ein derartiger Machtverlust, der ja auch ein Vertrauensverlust bedeutet, nicht spurlos an einem Politiker vorbeigeht.

Roth war nie ein Stadtvater

Stefan Roth hat gute Arbeit geleistet, die Finanzen stehen wieder auf solider Basis. Aber als «Stapi», als Stadtvater für alle, wurde der Littauer nie wahrgenommen. Dafür trat er zu wenig charismatisch auf – und dafür wurde der Littauer in den städtischen Quartieren zu wenig wahrgenommen. Sein Schulterschluss mit der SVP (und gegen seine Stadtratskollegin Manuela Jost) gab ihm wohl politisch den Rest – viele städtische Wähler goutierten das nicht.

Für die weitere Arbeit des Stadtrates ist es gut, wenn Stefan Roth einer frischen Kraft Platz macht. Auch die Vakanz von über zwei Monaten ist kein Problem, man traut Sozialdirektor Martin Merki (FDP) zu, dass er die städtischen Finanzen bis zur Ersatzwahl (voraussichtlich Ende November) gut im Griff hat.

Und man darf spekulieren, dass Stefan Roth als hundskommuner Kantonsrat in Zukunft auch wieder ruhiger schlafen wird.

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