«Web-Gate?» Sehr unsexy

Für einen geilen Mediencocktail nehme man ein paar «Porno-Beamte», schütte giftige Daten hinzu und würze das Ganze mit einer Prise Wahlkampf. Fertig ist «Web-Gate», eine Affäre mit lauter schnellen Urteilen. 

Ja, auf den ersten Blick ist es leider geil: Schamlose Luzerner Kantonsangestellte surfen zu privaten Zwecken im Internet und besuchen ganz oft Sex- und Pornoseiten. Der «Sonntagsblick» machte das am 8. März publik und zitierte dazu eine vier Jahre alte, von Finanzdirektor Marcel Schwerzmann in Auftrag gegebene Analyse.

Dann ging es, ohne Vorspiel und Verhütung, gleich zur Sache. Weil Journalisten mit dem schlüpfrigen Material von Höhepunkt zu Höhepunkt hecheln konnten, weil Politiker Vorstösse einreichen und dann im Luzerner Kantonsrat heiss darüber debattieren durften. Es hiess Bühne frei für «Web-Gate». Jeder durfte mal ran, alles wurde als Sauerei bezeichnet, Sofortmassnahmen wurden gefordert, Empörung, fleischgewordene Steuergeldverschwendung und so weiter. 

Dann Ruhe. Nach dem hemmungslosen Akt beruhigten sich die Gemüter. Auf dem Tisch jedes Parlamentariers lagen die Antworten zur Anfrage von Kantonsrat Samuel Odermatt (GLP). Diese sind – mit Bedauern – weder sexy noch skandalös. Sie zeigen nur auf, was die ominöse Analyse von 2010 an Zahlen hergibt.

Die Details törnen ziemlich ab. Es wurde offenbar nicht festgestellt, zu welchem Zweck die Webseiten von den Angestellten des Kantons aufgerufen worden waren. Einteilungen in «privat», «geschäftlich», «nackig» oder «pornographisch» wurden zwar nach genormten Kriterien durchgeführt. Das Ergebnis allerdings, zitiert aus der Antwort auf Odermatts Anfrage, ist ernüchternd: «Die mit der Analyse beauftragte Firma hat bestätigt, dass gemäss ihren Erfahrungen das Verhalten der Mitarbeiter des Kantons Luzern zu besagter Zeit nicht aussergewöhnlich war.» Ja, nicht aussergewöhnlich. Und es seien im Vergleich zu privaten Unternehmen keine Unterschiede festgestellt worden, lässt man die beauftragte Firma weiter zitieren.

Klar gilt: Beamte dürfen keine Pornos schauen. Schon gar nicht während der Arbeitszeit. Die ganze Sache wurde aber trotzdem ziemlich aufgebauscht. Die Krux liegt in den einzelnen Kriterien der Analyse. So machten Suchdienste wie «Google» einen grossen Teil der als «unproduktiv» geltenden Seiten aus, Medien und Streaming ebenfalls. Das ist nicht mehr zeitgemäss. Oder die Webseite «blick.ch» zählte aufgrund von barbusigen Bildchen als «Nudity» – nebenbei bemerkt die am häufigsten besuchte News-Webseite der Schweiz.

Weiter könnten viele Klicks auf derbe Porno-Seiten von den Luzerner Strafverfolgungsbehörden stammen, beruflich bedingt. Das wurde offenbar nicht auseinandergenommen und nicht personifiziert. Und schliesslich wurden auch Internetradios zu 90 Prozent als private Nutzung mitzählt, die im Hintergrund liefen und regelmässig aufgefrischt wurden. 

Ist «Web-Gate» also eine Sauerei? Nur ein bisschen. 500 Porno-Klicks pro Tag klingen nach viel. Eine erneute Untersuchung ist deshalb notwendig und wichtig, um zu sehen, von wem sie stammen. Die private Nutzung muss aber diesmal nach anderen Kriterien eingeteilt werden. Bis dahin bleibt das gesamte Staatspersonal vorverurteilt, als faule «Porno-Beamte». Das wäre nicht nötig gewesen.

«Web-Gate?» Sehr unsexy
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Armin Villiger
    Armin Villiger, 27.03.2015, 17:52 Uhr

    Danke für diesen Kommentar. Kann ich voll und ganz unterschreiben.

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