Das Geschäft mit besonderen Autonummern

Mehr als ein Stück Blech

Schnapszahlen gehören zu den beliebtesten Autonummern. Der Wert eines solchen Kontrollschildes kann sich auf mehrere tausend Franken belaufen.

(Bild: Feuerwehr Baar)

Für die einen ist die Autonummer einfach eine Ziffer auf einem Stück Blech. Für die anderen bedeutet sie ein Identifikationsmerkmal mit emotionaler Bindung. Sei es das Geburtsdatum, eine Schnapszahl, eine besonders tiefe Nummer oder die Glückszahl – für das Wunsch-Kontrollschild sind viele bereit, richtig tief in die Tasche zu greifen und versuchen den Inhabern mit Angeboten von mehreren tausend Franken die Schilder abzukaufen. Obwohl dieser Schilder-Handel im Kanton Luzern verboten ist, erhalten Besitzer von besonderen Autokennzeichen immer wieder Kaufanfragen. Doch die meisten halten an ihren Nummern fest.

Auf einmal erhielt Pia Sax eine merkwürdige Email. Der Absender, der Computerhändler Steg aus Littau, wollte der Frau aus Geuensee ihr Autokennzeichen abkaufen. Steg war damals noch Hauptsponsor des FC Luzern und Sax’ Autonummer beziffert zufälligerweise das FCL-Gründungsjahr: 1901. Eine durchaus attraktive Nummer – nicht nur für den Sponsor. «Nach Rücksprache mit meinen Söhnen, die Fans des FCL sind, haben wir entschieden, das Angebot abzulehnen. Ich habe diese Nummer von meiner Mutter geerbt und möchte sie an einen meiner Söhne weitervererben», sagt Sax. Sie habe den Hauptsponsor aber damit vertröstet, dass die wertvolle Autonummer immerhin in Besitz einer waschechten FCL-Fan-Familie bleiben würde.

«Für 10’000 Franken würde ich das Schild verkaufen»

Ähnlich erging es einer Familie aus Unterägeri. Ihr Autokennzeichen «ZG 6300» – wie die Postleitzahl der Stadt Zug – hätte schon den einen oder anderen Kauf-Interessenten zu ihnen gebracht. «Es gibt immer wieder Angebote für unser Nummernschild. Die meisten bieten Beträge um 1’000 Franken. Das ist uns aber zu wenig», so der Eigentümer, der lieber unerkannt bleiben möchte. «Für 10’000 Franken würde ich das Schild verkaufen.» Interessant dabei ist, dass der Besitzer das Kennzeichen erwarb, bevor 1964 die Postleitzahlen in der Schweiz eingeführt wurden. Somit sei es «einfach ein schöner Zufall, dass wir diese Nummer haben.»

«Es ist schon vorgekommen, dass eine Zuger Firma ein dreistelliges Kontrollschild für mehrere 10’000 Franken verkauft hat»
Markus Feer, Leiter Strassenverkehrsamt Zug

Für das Strassenverkehrsamt Zug spielen besondere Autonummern keine Rolle, wie der Leiter, Markus Feer, sagt: «Wir haben Autokennzeichen zwischen 1 und 95’000. Jede Nummer hat den gleichen Stellenwert.» Aber auch Markus Feer weiss, dass spezielle Autokennzeichen beliebt sind und teilweise für sehr hohe Beträge gehandelt werden. Die Übertragung von Autonummern wurde im Kanton Zug 1997 liberalisiert. Das heisst, jede Person kann ihre Kontrollschilder gegen eine Gebühr von 250 Franken einer anderen Person abtreten.

Hinter dem Reiz der speziellen Kontrollschilder vermutet Feer eine emotionale Bindung. «Einerseits gelten tiefe Autonummern generell als attraktiv. Andererseits werden solche Nummern gerne auch vererbt. Es kommt vor, dass ein Schild über Generationen in Familienbesitz bleibt.» Einen Vorteil im Verkehr gebe es nicht, so Feer. «Ausser, dass man sich tiefe Nummern und Schnapszahlen einfacher merken kann.» Ob das nun ein Vorteil oder Nachteil sei, lässt der Leiter des Zuger Strassenverkehrsamtes unkommentiert.

Einmal im Jahr verlost der Kanton Zug einige tiefe Autonummern. Und diese Auslosung stösst auf Interesse: Einige hundert Zugerinnen und Zuger würden jedes Jahr das entsprechende Formular ausfüllen und ihr Glück versuchen. Dieses Jahr werden eine dreistellige Nummer und einige vierstelligen Kennzeichen verlost, so Feer. Dass gerade eine tiefe Nummer einen beträchtlichen finanziellen Reiz haben kann, widerspiegelt sich in den teils horrenden Summen, die für ein Kennzeichen bezahlt werden: «Es ist schon vorgekommen, dass eine Zuger Firma ein dreistelliges Kontrollschild für mehrere 10’000 Franken verkauft hat», sagt Markus Feer.

Der Verkauf von Autonummern ist in Luzern verboten 

Im Kanton Luzern fand die letzte Versteigerung vor zehn Jahren statt. Damals wurde auch die bisher höchste Summe von 13’500 Franken für ein Personenwagen-Kontrollschild bezahlt, wie Kurt Eicher vom Strassenverkehrsamt Luzern sagt. Weil jedoch vermehrt Personen ein Schild ersteigerten, aber schliesslich doch nicht gekauft haben, wurden diese Versteigerungen wieder eingestellt. Seit 2005 werden die freien Fahrzeug-Nummern auf der Webseite des Strassenverkehrsamts publiziert und können von einem Interessenten sofort am Schalter des Verkehrsamtes gekauft werden. Je nach Seltenheit der Nummer kann der Kaufpreis zwischen 150 und 9’000 Franken betragen (Siehe Box).

«Man möchte gerne ein Kontrollschild haben, das zum Auto passt»
Kurt Eicher, Bereichsleiter Verkehrszulassungen Strassenverkehrsamt Luzern

Preise für Kontrollschilder im Kanton Luzern
NummernFranken
1 bis 999'000
100 bis 4997'500
500 bis 9995'000
1000 bis 29993'000
3000 bis 49991'750
5000 bis 99991'250
10000 bis 20000500
20001 bis 40000400
40001 bis 70000350
70001 bis 89999250
90000 bis 99999150

Quelle: Strassenverkehrsamt Luzern

Dass Autofahrer für die passende Autonummer teils Summen ausgeben, mit denen man auch ein ganzes Auto kaufen könnte, erklärt sich Kurt Eicher so: «Man möchte gerne ein Kontrollschild haben, das zum Auto passt. Nebst den sehr tiefen Nummern, seien Geburtstagsdaten, Glückszahlen oder Ziffern, die man sich einfach merken könne, besonders attraktiv und begehrt.

Normalerweise werden im Kanton Luzern die Motorfahrzeug-Kontrollschilder aus der laufenden Serie einem Neuhalter zugeteilt. Die ausgegebenen Schilder bleiben aber Eigentum des Staates. Anders als im Kanton Zug dürfen sie weder weitergegeben noch verkauft werden, sondern gehen an das Strassenverkehrsamt zurück.

Der Verkauf von Autonummern ist in Luzern also verboten. Wie kommt es dann dazu, dass Privatpersonen wie beispielsweise Pia Sax trotzdem Kauf-Angebote für ihre Kontrollschilder bekommen? Etwas um die Ecke gedacht, ist dies durchaus möglich. Ein kleines Beispiel: Herr A. verkauft seine Autonummer «LU 9’999» für 5’000 Franken an Frau B. Das Schild geht zwar zurück ans Verkehrsamt, kann jedoch umgehend von Frau B. für den Listen-Preis von 1’250 Franken erworben werden – sofern ihr denn niemand zuvor kommt. Somit kostet Frau B. der Kauf der Nummer 6’250 Franken.

Unbezahlbare Teufelsnummer

Die meisten Menschen verbinden mit ihrer auffallenden Autonummer einen emotionalen, individuellen Wert – wie ein Fingerabdruck oder ein DNA-Profil. Besonders wenn ein Kontrollschild über Generationen hinweg weitervererbt wird, hängen die Besitzer sehr daran und lehnen jegliche Kauf-Angebote ab.

Der Besitzer des Kontrollschildes «LU 666», ein älterer Herr aus Oberkirch, lehnte bereits mehrere Angebote im tiefen fünfstelligen Frankenbereich für seine Autonummer ab. Verkaufen kommt für ihn nicht infrage: «Ich habe die Nummer von meinem Vater geerbt und wir haben innerhalb der Familie entschieden, dass das Kennzeichen unverkäuflich ist – egal wie hoch das Angebot sein mag.»

«Mit dem Inserat wollte ich einfach mal sehen, ob sich die Nummer auch zu gutem Geld machen lassen könnte»
Marianne Gut, Baar

Der emotionale Wert dieser teuflisch-unverkennbaren Autonummer ist für den Mann aus Oberkirch also unbezahlbar. Aber bringt sie vielleicht sonst noch Vorteile mit sich, beispielsweise im Strassenverkehr? «Eigentlich nicht», sagt der Mann, der trotz der unverwechselbaren Nummer unerkannt bleiben möchte. «Manchmal winken mir Fussgänger zu oder andere Autofahrer signalisieren mit der Lichthupe, dass ihnen meine Nummer gefällt. Ansonsten fährt es sich damit ganz normal. Aber im Dorf kennt natürlich jeder meine Autonummer.» 

Schnapszahl für Baarer Feuerwehr-Oldtimer

Wer im Kanton Zug auf der Suche nach einer speziellen Autonummer ist, aber nicht auf die alljährliche Verlosung warten möchte, könnte auch im Zuger Amtsblatt fündig werden. Blättert man durch die Kleinanzeigen, stösst man immer wieder auf Inserenten, die ihr Kontrollschild zum Verkauf anbieten. «Autonummer zu verkaufen: ZG 755X, Richtpreis 7’557 Franken, Übertragungsgebühr zu Lasten des Käufers.» Oder: «ZG 33733 dem Meistbietenden zu verkaufen, Angebote ab 1’800 Franken.» Zwischen zwei und fünf solcher Inserate finden sich wöchentlich im kleinen blauen Heft.

Marianne Gut bot ihr Autokennzeichen ebenfalls im Zuger Amtsblatt zum Verkauf an. Für die Nummer «ZG 1422» verlangt die Baarerin den stolzen Preis von mindestens 9’500 Franken. «Mir bedeutet diese Nummer nichts. Das Kontrollschild wurde mir vor über 30 Jahren zugeteilt. Mit dem Inserat wollte ich einfach mal sehen, ob sich die Nummer auch zu gutem Geld machen lassen könnte», sagt Gut. Zwar hätte es einige Anfragen gegeben, aber bisher sei noch niemand bereit gewesen, den gewünschten Betrag zu bezahlen. «Klar könnte ich die Nummer auch für 1’000 Franken verkaufen, aber da ich nicht auf das Geld angewiesen bin, kann ich abwarten. Vielleicht findet sich ja doch noch jemand, dem dieses Kontrollschild so viel wert ist.»

Das Autokennzeichen «ZG 1111» wird sich hingegen wohl niemals in den Kleinanzeigen des Zuger Amtsblattes finden lassen. Die Nummer gehört zu einem Fahrzeug der Feuerwehr Baar. Auch auf der Strasse wird man das Schnapszahl-Kennzeichen aber kaum zu sehen bekommen. Denn es schmückt ein Oldtimer-Feuerwehrauto, das hauptsächlich in einer Garage in Inwil steht, wie der Vizekommandant der Baarer Feuerwehr, Roger Widmer, auf Anfrage sagt. Der «Packard» aus dem Jahre 1932 werde nur noch selten für spezielle Anlässe aus der Garage geholt. Den Wert der Nummer kennt Widmer nicht. Eine Rolle spiele das sowieso nicht, denn «das Schild ist Eigentum der Gemeinde Baar und wird niemals zum Verkauf stehen.»

Eine würdige Autonummer für einen würdigen Feuerwehr-Oldtimer. Der «Packard» aus dem Jahre 1932 gehört der Feuerwehr Baar.

Eine würdige Autonummer für einen würdigen Feuerwehr-Oldtimer. Der «Packard» aus dem Jahre 1932 gehört der Feuerwehr Baar.

(Bild: Feuerwehr Baar)

135’000 Franken für die «1»

Trotzdem dürfte ein solches Nummernschild auf viele Interessenten stossen und eine dementsprechend beträchtliche Summe an Wert haben. Grundsätzlich lässt sich sagen, je tiefer und je einfacher eine Autonummer, desto wertvoller ist sie. Somit könnte mit der tiefstmöglichen Nummer – der 1 ­– wohl auch ein kleines Vermögen verdient werden. Pierre Sudan, Maserati- und Ferrarihändler und Inhaber der Kontrollschilder «ZG 1» und «ZG 2» interessiert der finanzielle Wert seiner kostbaren Autonummern jedoch nicht. Die Schilder befänden sich seit Jahrzehnten in seinem Besitz und hätten einen äusserst grossen emotionalen Wert. Daher käme es für Sudan unter keinen Umständen infrage, die Nummern zu verkaufen.

«Bei Schenkungen von Fahrzeugen ans Museum sind die Donatoren emotional berührt, wenn das Schild «LU 1» für den Fototermin montiert wird»
Olivier Burger, Leiter Kommunikation Verkehrshaus der Schweiz

Wie viel ein Kontrollschild mit der imposanten «1» Wert sein kann, zeigt eine Auktion in St. Gallen im Februar 2013. Damals ging die Autonummer «SG 1» für die Rekordsumme von 135’000 Franken an einen anonymen Käufer – die teuerste Autonummer der Schweiz. Auch in den Kantonen Zürich, Waadt und Graubünden wurden schon sechsstellige Beträge bezahlt: «ZH 1’000» erwarb ein Käufer für 131’000 Franken, für «VD 1» wurden 122’500 Franken und für «GR 8» 111’111 Franken bezahlt.

Und die tiefste Autonummer in Luzern? «LU 1» gehört – und dies überrascht kaum – dem Verkehrshaus der Schweiz. Über den Wert dieser Nummer hat man sich auf Seiten des Verkehrshauses jedoch noch nie Gedanken gemacht. «Das Kontrollschild war eine Schenkung, wie übrigens auch ‹LU 100’000›», wie Olivier Burger, Leiter Kommunikation, sagt. Diese Nummern würden für Oldtimerfahrten benutzt oder zum Verschieben von Fahrzeugen. Zudem würden sie auch bei Fotoshootings eingesetzt. «Wir beobachten, dass bei Schenkungen von Fahrzeugen ans Museum, die Donatoren emotional berührt sind, wenn das Schild «LU 1» für den Fototermin montiert wird», so Burger.

«Die Nummer feiert das ganze Jahr über Geburtstag»

Emotionen, Identität, Individualität – das macht eine Autonummer zu mehr als nur einem Stück Blech. Und dafür wird gerne auch etwas tiefer ins Portemonnaie gegriffen. Doch wie eine kleine Umfrage von zentral+ ergab, kamen die meisten Besitzer von besonderen Nummernschildern eher zufällig dazu. Sie wurden ihnen entweder vor langer Zeit zugeteilt oder haben sie von ihren Eltern geerbt. Besonders als Erbstück, das sich über Generationen in Familienbesitz befindet, wird eine Autonummer als sentimentales Identifikationsmerkmal einer ganzen Familie betrachtet. Ein Verkauf – sei er noch so lukrativ – kommt daher auch für die meisten Personen nicht infrage.

So auch für Michael Wangler aus Emmenbrücke. Sein Auto trägt das Kontrollschild «LU 2014». Obwohl er schon einige Angebote für das Nummernschild erhalten habe, werde Wangler sein Schild niemals verkaufen. «Ich habe die Autonummer geerbt und sie wird auch im Besitz meiner Familie bleiben.» Zwar habe die Zahl an sich keine grosse Bedeutung für ihn, dennoch sei es «schon speziell, dass die Nummer das ganze Jahr über Geburtstag feiern kann». Wangler hätte auch schon eine Idee für ein passendes Geburtstagsgeschenk: «Es wäre doch schön, wenn die Kfz-Versicherung für dieses Jahr umsonst wäre», sagt er und lacht.

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