Neuer Stadtführer geht Spuren der Frauen nach

Auf Streifzug mit alt Nationalrätin Cécile Bühlmann

«Man wird nicht als Feministin geboren, schon gar nicht in einer patriarchalen Welt», sagt Cécile Bühlmann.

(Bild: ida)

Ein neues Buch rückt Frauen in den Fokus, die in Luzern Spuren hinterlassen haben. Herausgeberin Cécile Bühlmann zeigt auf einem Rundgang, an welchen Orten sie die Stadt geprägt haben – ohne dass man davon heute etwas sieht.

Treffpunkt Helvetiagärtli – dem Lieblingsort Cécile Bühlmanns: Schon von weitem erkennt man die ehemalige Nationalrätin der Grünen, reflektiert das Licht der Sonne doch das feurige Rot ihrer Haare. Bühlmann war um die dreissig, als sie fand, dass blond nicht mehr zu ihr passe. Kurzerhand schnitt sie ihre Haare ab, färbte sie leuchtend rot. Das war ein Statement.

«Man wird nicht als Feministin geboren, schon gar nicht in einer patriarchalen Welt», sagt Bühlmann heute. Im ländlichen Sempach aufgewachsen, wo die Badis noch nach Geschlechtern getrennt wurden und in eine Familie hineingeboren, in welcher der Vater das Geld verdiente und die Mutter sich um den Haushalt kümmerte, merkte Bühlmann früh: Dieses gesellschaftliche Modell war nicht ihres. Das wollte sie verändern, zusammen mit anderen «Frauenbewegten».

In den 90er-Jahren hat Bühlmann im Parlament gegen frauendiskriminierende Gesetze gekämpft. Der Tatendrang der 70-Jährigen ist keineswegs abgeflaut. Nun hat sie gemeinsam mit Eva Bachmann das Buch «Mis Lozärn» herausgegeben. Darin finden sich neun Streifzüge durch die Zentralschweiz – vier davon in Luzern (siehe Box). «Das Buch zeigt, wo Frauen in Luzern und in der Zentralschweiz überall ihre Spuren hinterlassen haben», verrät Bühlmann. So erfahren die Leserinnen in den vier Rundgängen mehr über prägende Frauen aus Geschichte, Politik, Kultur und Mode/Design. 

1. Station: «Schweizerhof»

«Im Stadtbild haben viele Frauen kaum Spuren hinterlassen», sagt Cécile Bühlmann. Eigentlich wollten wir zum Hotel Schweizerhof spazieren – doch der Hitze wegen setzen wir uns an diesem drückend heissen Samstag zuerst bei einem Glas gespritzten Weisswein ins «Sette e Mezzo» beim Helvetiaplatz. Bühlmann erklärt: «Beim ‹Schweizerhof› werden wir nichts von Katharina Morel sehen: keine Gedenktafel, keine Skulptur, nichts.»

Wer war die Frau? «Katharina Morel war eine Wahnsinnskämpferin», erzählt Bühlmann. Morel begleitete ihren Mann zu Beginn des 19. Jahrhunderts in französische und holländische Kriegsdienste und ging mit auf den Russlandfeldzug. «Sie überlebte als eine der wenigen – liess sich nicht unterkriegen und begleitete ihren Mann erneut», so Bühlmann. Verwitwet und zurück in Luzern leitete sie das Grand Hotel Schweizerhof und im hohen Alter noch das Hotel National in Luzern.

Bei einem Augenschein vor Ort würde man davon jedoch nichts mitbekommen. «Während man den Männern ganze Plätze und Strassen widmete und von ihnen auf Gedenktafeln zu lesen ist, erfährt nur von den Frauen, wer sich durch Archive kämpft», kritisiert Bühlmann. Mit dem neuen Buch möchten die Herausgeberinnen Frauen wie Katharina Morel sichtbar machen. «Und wer weiss, vielleicht könnte man Katharina Morel ja auch eine Gedenktafel widmen?»

Auf diesem Streifzug begeben wir uns mit Cécile Bühlmann an diese Orte:

2. Station: Josi-J.-Meier-Platz

Aufbruch in Richtung Altstadt. Wir schlängeln uns durch die Menschenmasse und stoppen beim Zöpfli. «Hier sieht es doch gleich ganz anders aus», sagt Bühlmann, begleitet vom lauten Rauschen der Reuss. Sie zeigt auf das blaue Schild, das an der Laterne befestigt ist: «Josi-J.-Meier-Platz».

Genau hier wohnte einst die erste Ständeratspräsidentin der Schweiz. Vor drei Jahren wurde der Platz nach der 2006 verstorbenen Luzernerin benannt (zentralplus berichtete). Und damit ist sie eine der wenigen. Denn die Namen der Gassen und Plätze in der Stadt werden von Männern dominiert: Kasimir-Pfyffer-Strasse, Diebold-Schilling-Strasse, Hans-Holbein-Gasse, Hans-Erni-Quai… und viele mehr.

Sie wollen mehr?

Die neun Spaziergänge durch die Zentralschweiz finden Sie im 300-seitigen Buch «Mis Lozärn» von Yvonne-Denise Köchli, das von Cécile Bühlmann und Eva Bachmann herausgegeben wurde.

Das Werk aus der Edition Xanthippe ist ab dem 2. Juli für knapp 35 Franken im Buchhandel erhältlich.

Eine besondere Ehre also für Josi Meier, dass der Platz ihren Namen trägt. Sie war eine der ersten Frauen überhaupt, die nach Einführung des Frauenstimmrechts den Sprung in den Nationalrat schafften. «Die männlichen Kollegen, auch innerhalb ihrer Partei, spotteten viel über sie», weiss Bühlmann. Doch Meier, ledige Juristin und CVP-Frau, verfolgte weiter ihren Weg, kämpfte für Gleichberechtigung und für soziale Gerechtigkeit. «Sie sagte einmal: Ich leiste mir kein Pferd, aber ich leiste mir eine eigene Meinung», so Bühlmann. «Josi Meier liess sich von Männern nicht ins Bockshorn jagen.»

Bühlmann denkt auch heute gerne an Josi Meier. Erinnert sich zum Beispiel an die Fahrten in den 90er-Jahren nach Bundesbern. Als Ständeratspräsidentin wurde Josi Meier von einer Weibelin mit dem Auto abgeholt. Meier nahm die Luzerner Nationalrätinnen Cécile Bühlmann, Judith Stamm und Rosmarie Dormann jeweils gleich mit. «Während der Fahrten nach Bern ging es hoch zu und her», sagt Bühlmann verschmitzt lächelnd. Sie hätten da die besten und lebhaftesten Gespräche geführt, politisiert und politisiert.

«Eine Zeit lang waren wir Luzernerinnen in Bern wirklich eine Powergruppe, die für Frauenrechte eingestanden sind», sagt Bühlmann. «Was man heute nicht mehr so sagen kann …» Wir verlassen den Josi-J.-Meier-Platz und überqueren die Reussbrücke.

Station zwei: Cécile Bühlmann denkt gerne an Josi Meier zurück.

Station zwei: Cécile Bühlmann denkt gerne an Josi Meier zurück.

(Bild: ida)

3. Station: Regierungsgebäude

Nächste Station: Regierungsgebäude Luzern. «Hier haben die Frauen nur wenig Spuren hinterlassen können», sagt Cécile Bühlmann, während sie mit ihrer Hand auf den Eingang zeigt. Seit 2015 wird der Kanton ausschliesslich von bürgerlichen Männern regiert. Mit der Nichtwahl von SP-Regierungsratskandidatin Felicitas Zopfi verloren die Sozialdemokraten nach 56 Jahren ihren Sitz (zentralplus berichtete). Diesen Frühling schaffte auch die grüne Korintha Bärtsch den Einzug nicht – trotz Unterstützung von über tausend Frauen (zentralplus berichtete).

«Es ist skandalös, dass die Luzerner Regierung nun bereits in zweiter Legislatur keine Frauen hat», so Bühlmann. «Auf unserer Stadtführung machen wir darauf aufmerksam.» Die alt Nationalrätin kann es kaum glauben, dass in der Vergangenheit 142 Männer und nur 3 Frauen in der Luzerner Regierung vertreten waren. «Das muss doch einfach hellhörig machen.»

Station drei: Das Regierungsgebäude des Kantons – in welches noch nicht manche Regierungsrätin spazieren durfte.

Station drei: Das Regierungsgebäude des Kantons – in welches noch nicht manche Regierungsrätin spazieren durfte.

(Bild: ida)

4. Station: Luzerner Theater

Die Miene Bühlmanns ändert sich, als wir an der Jesuitenkirche vorbei in Richtung Luzerner Theater spazieren. Ein Lächeln ziert nun ihr Gesicht. Während die Regierung ein reines Männergremium ist, befindet sich das Luzerner Theater bald ausschliesslich in den Händen von Frauen: Ina Karr wird als Nachfolgerin von Benedikt von Peter ab 2021 die künstlerische Leitung übernehmen (zentralplus berichtete).

Und so wird nach Opernchefin, Tanzchefin und Schauspielchefin auch oberste Intendantin eine Frau werden. «Ich bin gespannt, ob man die neue Handschrift spüren wird», so Bühlmann. «Vor 40 Jahren wäre das wohl kaum vorstellbar gewesen, so viele Frauen an der Spitze zu haben.» Doch es sei ein «Trend», dass gerade in der Theaterszene kompetente Frauen nachrücken und mehr Einfluss nehmen.

5. Station: Laufsteg

Letzte Station Vögeligärtli, zur Boutique «Laufsteg». Denn ein weiterer Rundgang des Buchs widmet sich den Themen Mode und Design. «Im Buch stehen die kleinen Läden und Boutiquen im Vordergrund und nicht etwa grosse Ketten, die weltweit verbreitet sind», so Bühlmann.

«Wenn Auswärtige in Luzern sind, gehen sie kaum durch die Neustadt.» Doch gerade hier würden sich kleine Läden und grossartige Designerinnen verstecken. Und genau darauf möchte Bühlmann mit dem Buch den Fokus legen: Es sind eben nicht nur die Männer, die Geschichte in der Stadt geschrieben haben und schreiben werden – sondern auch Frauen.

Station fünf: Cécile Bühlmann vor dem «Laufsteg»-Laden beim Vögeligärtli.

Station fünf: Cécile Bühlmann vor dem «Laufsteg»-Laden beim Vögeligärtli.

(Bild: ida)

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Joseph de Mol
    Joseph de Mol, 02.07.2019, 19:59 Uhr

    Da hat sie verdammt recht. Zur Feministin wird man genauso erzogen, wie zum Macho. Beides sind nur gespiegelte Extreme auf ein und derselben Skala! Ein bisschen mehr Mässigung in diesem sich immer weiter aufheizenden bipolaren Irrsinn würde gut tun und letztlich viel mehr für die Verständigung beitragen, als unterschwelliger Gesinnungs- und Mentalitätsterror!

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