Online auf Arztberichte zugreifen: Ist das sicher?

Luzerner Spital wird papierlos – was sich für Patienten ändert

Die Ärztin erklärt der Patientin – hier in einer gestellten Situation – ihren Gesundheitszustand mittels Tablet.

(Bild: jal)

Papierkram ade: Ab Herbst werden alle Dossiers im Luzerner Kantonsspital konsequent digital geführt. Patienten können dereinst in einem Portal selber auf Arztberichte, Diagnosen und Analysen zugreifen. Wie sicher ist das System? Versteht man als Laie überhaupt etwas? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Visite im Kantonsspital: Pfleger und Ärztin treten mit einem rollenden PC-Wagen ans Krankenbett. Mit einem Scanner rufen sie die Daten der Patientin ab. Wie sie geschlafen habe und ob ihr Knie nach dem Unfall noch schmerze, fragt die Ärztin und zückt ihr Tablet aus der Tasche ihres weissen Umhangs. Darauf erscheinen die Resultate der gemachten Untersuchungen. Nach dem Gespräch entscheidet die Ärztin, dass die Medikamente zurückgefahren werden könnten. Das wird im System notiert, die Patientin erhält ihren Austrittsbericht und kann nach Hause.

Online-Zugang für Patienten ab 2020

So ähnlich dürfte es im Luzerner Kantonsspital ab diesem Herbst zu- und hergehen. Die Kliniken in Luzern, Sursee und Wolhusen schlagen einen neuen Weg ein: Am 21. September wird das neue digitale Klinikinformationssystem Lukis eingeführt. Der Aktenordner wird ausgemistet, das Spital wird papierlos.

In einem zweiten Schritt soll 2020 das Patientenportal «Mein Luks» live gehen: Online oder via App können Patienten ihre Arztberichte, Röntgenuntersuchungen, nächsten Termine und vieles mehr online einsehen. Damit nimmt das Luzerner Kantonsspital eine Vorreiterrolle ein. Während andere Länder, etwa in Skandinavien oder die USA, bereits digital unterwegs sind, unternimmt die Schweiz diesbezüglich bislang nur zaghafte Schritte.

Was bedeutet der Systemwechsel für die Patienten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

1. Was ändert sich?

Mit der Einführung des neuen Klinikinformationssystems Lukis erhalten die Standorte in Luzern, Wolhusen und Sursee eine digitale Arbeitsplattform, in der zukünftig alle Informationen gespeichert werden. Die meisten waren bislang ohnehin schon elektronisch vorhanden. Neu ist, dass die über 7’100 Mitarbeiter des Spitals bereits am Krankenbett alle Angaben ins System eingeben. Die Plattform enthält zwei Teile:

  • «Lukis Link» erleichtert die Zusammenarbeit des Spitals mit Fach- und Hausärzten. Wenn der Patient einwilligt, werden seine Daten an den Hausarzt verschickt.
  • «Mein Luks» ist ein Patientenportal, auf dem jeder seine medizinischen Informationen zusammengestellt vorfindet. Sei es eine Liste der Medikamente, die jemand einnimmt, die Röntgenbilder oder der nächste Termin beim Physiotherapeuten: Der Patient hat quasi sein eigenes Dossier online. Darin enthalten sind indes nur jene Berichte, die der zuständige Arzt zur Einsicht freigibt. Ebenfalls im Portal kann man seine eigenen Daten aktualisieren, also wenn man beispielsweise ein Medikament abgesetzt hat. Das wird anschliessend ärztlich kontrolliert, bevor es zur Anpassung kommt.

2. Wieso das alles?

Der Spitalalltag wird komplexer, die Betriebe grösser: Damit alle Spezialisten die nötigen Informationen haben, sollen diese zentral zusammengeführt werden. Das Kantonsspital erhofft sich zudem höhere Effizienz in administrativen Belangen, sodass die Fachleute wieder mehr Zeit für die Patienten haben. Diese wiederum erhalten mehr Mitsprachemöglichkeiten und somit in gewisser Weise auch mehr Verantwortung. 

3. Wer kann meine Daten anschauen?

Das bestimmt der Patient – teilweise – selber. Eine Frau kann zum Beispiel ihrem Ehemann oder einer anderen Vertrauensperson ein Zugriffsrecht gewähren. Dieses kann jederzeit wieder rückgängig gemacht werden. Ebenfalls möglich ist es, den Zugriff nur für bestimmte Daten, wie etwa die anstehenden Termine, zu erlauben.

Etwas anders sieht es innerhalb des Spitals aus: Die Verantwortlichen versichern, dass grundsätzlich nur die an der Behandlung beteiligten Mitarbeiter Einsicht nehmen. Es gibt indes eine Ausnahme, weil die Informationen in Notfällen womöglich auch für andere verfügbar sein müssten. Solche Zugriffe würden aber registriert und müssten begründet werden, heisst es von Seiten des Kantonsspitals. Zudem kann der Patient nachverfolgen, wer seine Akten anschaut.

CEO Benno Fuchs betont, dass das neue System den Datenschutz sogar erhöhe, denn heute sei der Umgang mit den Daten offener. Im «Lukis» bekommt jeder Mitarbeiter eine Rolle zugeteilt, die definiert, welche Bereiche für ihn zugänglich sind und ob er die Informationen nur lesen oder auch bearbeiten kann. Ebenfalls restriktiver geregelt werden die Zugriffsrechte bei prominenten Patienten sowie bei Angestellten des Kantonsspitals.

Noch analog: Bis im September wird im Luzerner Kantonsspital noch mit Papier und Stiften gearbeitet.

Noch analog: Bis im September wird im Luzerner Kantonsspital noch mit Papier und Stiften gearbeitet.

(Bild: jal)

4. Wie steht es um die Sicherheit der Daten?

Mit der Digitalisierung werden Fragen zur Cybersicherheit wichtiger. Im Ausland gab es bereits Spitäler, die von Hackerangriffen betroffen waren. Projektleiter Xaver Vonlanthen vom Luzerner Kantonsspital hält fest, dass die Daten nicht «in irgendeiner Cloud oder irgendwo in Singapur» gespeichert werden, sondern auf dem Server in mehreren Rechenzentren im Kanton Luzern.

Die nötigen Sicherheitsstandards würden gewährleistet, die Übertragung sei verschlüsselt. Es gibt zudem ein IT-Schutzkonzept, das vor Hackerangriffen schützen soll, sowie ein stetes Monitoring.

5. Verstehe ich als Laie überhaupt etwas?

Das ist ein wichtiger Knackpunkt des Ganzen. Denn wer schon einmal einen ärztlichen Fachbericht oder eine Laboranalyse bekommen hat, weiss: Oft versteht man nur Bahnhof. Das wird sich grundsätzlich nicht ändern, die Dokumente werden nicht speziell für die Patienten umformuliert.

«Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient wird dadurch nicht ersetzt.»

Balthasar Hug, Chefarzt Innere Medizin

Es wird aber einen Kurzbericht geben, in dem die wichtigsten Infos verständlich dargestellt sind. Dieser kann zum Beispiel einige Erläuterungen zur Diagnose enthalten oder die Anweisungen, welche Medikamente wann einzunehmen sind.

«Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient wird dadurch nicht ersetzt», stellt Balthasar Hug, Chefarzt Innere Medizin, klar. Es gehe um ein «Empowerment» des Patienten, der mehr Informationen erhalten und dadurch eine bessere Grundlage für die Mitsprache erhalten soll. Hug spricht von einem Paradigmenwechsel. Die Verantwortlichen sind überzeugt, dass dies einem Bedürfnis entspricht. Chronisch Kranke zum Beispiel wüssten oft sehr gut Bescheid über medizinische Fragen, die ihre Krankheit betreffen.

6. Und wenn ich etwas nicht verstehe?

Die Verantwortlichen rechnen damit, dass mehr Anrufe von Patienten eingehen werden, sobald «Mein Luks» 2020 verfügbar ist. Spitäler in anderen Ländern mit diesem System haben dazu extra eine Hotline eingerichtet. Auch in Luzern dürfte es voraussichtlich eine spezielle Anlaufstelle dafür geben. Die Erfahrung anderer Länder zeige aber auch, dass es nicht zu einer immensen Flut von Rückfragen komme.

So erklärt das Kantonsspital sein neues System:

 

7. Wer sagt mir, wie’s geht?

Wer im Spital landet, wird vor Ort über die Möglichkeiten des Portals informiert. Wer zum Beispiel die App seiner Krankenkasse benutzt, wird wohl keine Schwierigkeiten haben, sich bei «Mein Luks» zurechtzufinden. Wie wenig geübte Patienten an das System herangeführt werden, ist derzeit noch offen.

Branchenführer – auch im Preis

Das Kantonsspital arbeitet beim Lukis mit der amerikanischen Firma Epic zusammen. Sie ist weltweiter Branchenführer für digitale Klinikinformationssysteme. Weltweit arbeiten über 1'000 Kliniken mit dem Unternehmen zusammen.

Der Entscheid zugunsten von Epic gab letzten Sommer zu reden. Denn das Angebot war mit 66 Millionen Franken weitaus am teuersten. Ein unterlegener Anbieter, der für lediglich acht Millionen offerierte, gelangte ans Kantonsgericht (zentralplus berichtete).

Die Mitarbeiter werden derzeit in über 100 verschiedenen Kursen geschult. Projektleiter Xaver Vonlanthen sagt: «Der Sprung ist für unsere Mitarbeiter unterschiedlich gross.» Das Spital hat 800 sogenannte «Super User» ausgebildet, die sich um Fragen seitens der Belegschaft kümmern und allfällige Fehler melden.

Der digitale Zug bedingt auch neue Tablets, Smartphones und Scanner: Insgesamt hat das Spital 5’000 zusätzliche Geräte beschafft. 

8. Wird das also mein Patientendossier?

Ja und nein. Das «Mein Luks» ist ein eigenes System des Luzerner Kantonsspitals und damit nicht dasselbe wie das elektronische Patientendossier (EPD), das bis 2020 landesweit alle Spitäler einführen müssen. Die Patienten in Luzern haben dereinst also zwei Möglichkeiten, ihre Unterlagen einzusehen. Allerdings enthält «Mein Luks» detailliertere Informationen als das EPD, das nur einen Teil davon aufnimmt. Obwohl es also Schnittstellen gibt: Die beiden Systeme laufen im Betrieb komplett voneinander getrennt.

9. Gibt’s auch kritische Stimmen?

Ja, die gibt es. Es gebe noch viele offene Fragen, sagte Aldo Kramis, Präsident der Ärztegesellschaft des Kantons Luzern, im Januar gegenüber der «Luzerner Zeitung». So etwa betreffend der Software und der Kosten der Hausarztpraxen, aber auch betreffend der Ressourcen. «Ihren Nutzen entfalten solche Portale erst, wenn die Daten aktiv bewirtschaftet werden», sagte Kramis damals.

10. Kann ich das Ganze ablehnen?

Nein. Wer gar nichts vom digitalen Dossier wissen will, kann sich nicht komplett verweigern. Denn die Daten werden vom Spital ohnehin im neuen System erfasst. Allerdings kann man es ablehnen, dass sie herausgegeben werden – das Patientenportal ist freiwillig.

Der Pfleger kann mit einem Scanner die Daten der Patientin abrufen.

Der Pfleger kann mit einem Scanner die Daten der Patientin abrufen.

(Bild: jal)

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1 Kommentar
  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 06.06.2019, 21:47 Uhr

    Wichtig ist vor allem, dass der Patient die Verfügungsgewalt über die Daten behält und vielleicht wird so alles menschlicher

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