Luzerner Tantra-Masseurin zelebriert Sexualorgane

Jacqueline Hefti: Die Frau, die Vulven statt Hände liest

Weiss, dass keine Yoni wie die andere aussieht: Jacqueline Hefti.

(Bild: Sebastian Felix/fotokuenstler.ch)

Eine Luzerner Tantra-Masseurin bietet Kurse an, in denen sie die Yoni, also die Vulva und Vagina von Frauen, «liest». Jacqueline Hefti erzählt, weshalb sie das tut. Und was Gipsabdrücke mit weiblichen Geschlechtsteilen auf Altären zu suchen haben.

«Das hier ist eine typische Schaffrau», sagt Jacqueline Hefti. Sie zeigt auf einen Gipsabdruck einer Yoni – so nennen Tantrikerinnen ihre Vulva und Vagina – die vor ihr auf dem Tisch liegt. Schaffrauen seien besonders emotional beim Sex. «Sie können nach einem Orgasmus weinen, aber auch lachen.»

Yoni lesen

Wir befinden uns im «Womman»-Tantra-Institut an der Gerliswilstrasse 68 in Emmenbrücke, wo Tantra-Massagen angeboten werden (zentralplus berichtete). Hier thronen die Vulven und Vaginas wie Kunstwerke an den Wänden. Mittendrin steht die Geschäftsführerin Jacqueline Hefti.

Über das, was Frau «da unten» hat, hat Hefti keine Scheu zu reden. Damit bricht sie wohl einige Tabus. Und das nicht erst, seit es offenbar eine neue Revolution der weiblichen Sexualität gibt. Und sich Vaginas wie das neue It-Piece auf Cupcakes, Taschen und Tassen finden. Denn Hefti ist seit 16 Jahren Tantra-Masseurin. «Yoni lesen ist wie Hand lesen», sagt Hefti, während sie einen neuen Gipsabdruck studiert und mit ihrem Finger auf die Venuslippen darauf zeigt.

Ein Stück weit hat sie das Yoni-Lesen auch zu ihrem Beruf gemacht: Sie bietet Kurse an, in denen Frauen mehr über ihre Geschlechtsteile lernen, sie zelebrieren und akzeptieren, wie sie sind. Auch privat kommen Frauen in ihr Atelier zu Hause. Und auch im «Meine Yoni»-Kurs werden eben auch Vulven gelesen und in Gips gegossen.

Forschungsarbeit: Meine Yoni

«Es ist nicht so, dass wir Frauen uns in diesem Kurs hinlegen, die Beine spreizen und sagen: ‹Hier bin ich und das ist meine Yoni!›», sagt Hefti. In einem Kurs seien rund acht Frauen unter sich. Zuerst gebe es einen Theorieteil. Dann setzen sie sich zu zweit zusammen, ziehen sich aus und betrachten die Vulven des Gegenübers. «Es ist quasi eine Studie», so die 60-Jährige.

Form und Grösse der Venuslippen werden also angeschaut. Aber auch konkrete Fragen werden gestellt, was Frau im Bett gefällt und wie sie bei einem Orgasmus reagiere. Die Wolfsfrau beispielsweise liebe die Fantasie beim Sex und sei gerne laut. Ihre Laute würden dem Heulen eines Wolfes ähneln. Oder die Büffelfrau liebe ein langes und sinnliches Spiel im Bett, erzählt Hefti.

«Irgendwann wurde es ganz normal, als ob nichts dabei ist – und schon gar nichts Sexuelles.»

Jacqueline Hefti, Luzerner Tantra-Masseurin

Sie selbst erinnert sich gut an den Tag, an dem sie in einem Kurs eines bekannten Tantrikers mehr über die spirituelle Sexuallehre lernte (siehe Box). Jede der Frauen habe auf ein Podest steigen müssen und ihre Yoni präsentiert. Vor rund 50 Frauen und Tantriker, die die weiblichen Genitalien studierten. Das wirkt wohl etwas schräg. Doch Hefti beteuert: «Irgendwann wurde es ganz normal, als ob nichts dabei ist – und schon gar nichts Sexuelles.»

Hirsch-, Büffel- oder doch eher Katzenfrau?
Hirsch-, Büffel- oder doch eher Katzenfrau?

(Bild: Sebastian Felix/fotokuenstler.ch)

Yoni auf dem Altar

Doch weshalb lohnt es sich denn, seine Sexualorgane zu lesen? Ist das nicht pure Scharlatanerie? «Wenn man seine Yoni kennt, kann man auch auf den Charakter und insbesondere die sexuellen Neigungen einer Frau schliessen», sagt Hefti. Ihr Ziel sei dann erreicht, wenn eine Frau ihre Yoni völlig in Ordnung findet. Und sie einen neuen Bezug zu ihr gewonnen hat. Wer sich mit seiner Vagina befasse und wisse, ob er nun Katzen- oder Bärenfrau sei, der habe nicht nur besseren Sex, sondern auch intensivere Beziehungen, beteuert sie. Die Frau wisse dann ganz genau, was sie will. Und dass das bei ihrem Typ Yoni ganz normal sei.

Über die indianische Tantralehre

Gemäss einer spirituellen Sexuallehre, dem «Quodoushka», haben Menschen nicht nur unterschiedliche Charaktere – sondern unterschiedliche Sexualenergien. Jede Yoni kann dabei auf dem sogenannten Medizinrad einer bestimmten Himmelsrichtung und einem bestimmten Tier zugeordnet werden.

Insgesamt gibt es neun Yoni-Typen: Die Wolfs- und die Büffelfrau, die Bären-, Katzen-, Schaf-, Fuchs-, Hirsch- und Antilopenfrau. Der neunte Yoni-Typ liegt im Zentrum des Kreises: Als «tanzende Frau im Zentrum» weist frau abwechselnd alle Merkmale der Himmelsrichtungen auf.

So werden die Frauen im Kurs von Hefti gar künstlerisch. Jede Vulva wird in Gips gegossen. «Dann stellen wir einen Altar auf, auf den wir unsere Yoni-Abdrücke legen. Wir zelebrieren jede einzelne Yoni.»

Diese könne man zu Hause an die Wand hängen – oder im Tresor aufbewahren. Man müsse davon wegkommen, vom «da unten» zu sprechen. Die weiblichen Genitalien sollen nicht tabuisiert werden, schon gar nicht dürfe man sich für sie schämen. «Viele Frauen – insbesondere auch Büffel- und Bärenfrauen – kommen zu mir, weil sie sich für ihre Yoni schämen», so Hefti. Dass sind gerade diejenigen Frauen, die von üppigen Venuslippen geprägt sind. «Im Kurs realisieren die Frauen, dass sie mit ihrer Yoni nicht alleine sind.»

Das Paradoxe an Schamlippenverkleinerungen

Denn immer mehr Frauen legen sich unters Messer, um sich die Venuslippen zu verkleinern. Gerade auch in einer Luzerner Schönheitsklinik (zentralplus berichtete).

«Es wirkt unglaubwürdig, wenn wir uns gegen die Beschneidungen wehren – uns handkehrum aber freiwillig an unserer Yoni herumschnipseln lassen.»

Jacqueline Hefti

«Furchtbar», lautet der Kommentar Heftis, als wir uns durch Vorher-Nachher-Bilder von Schamlippenverkleinerungen wälzen. Und sie zieht den Vergleich zu den Mädchenbeschneidungen im fernen Afrika. «Es wirkt unglaubwürdig, wenn wir uns gegen die Beschneidungen wehren – uns handkehrum aber freiwillig an unserer Yoni herumschnipseln lassen.» Viel zu wenig sei über die Nebenwirkungen einer solchen Operation bekannt. Und darüber, wie sich diese auf das sexuelle Empfinden auswirken.

Von Tipis und Schwitzhütten

Wiederum nimmt Jacqueline Hefti einen Gipsabdruck in die Hand. Sie zeigt auf die üppigen Venuslippen. «Das müsste laut der Norm alles weg.» Sie schüttelt den Kopf. Gerade, weil es den Trend gibt, seine Vagina in eine «kindliche Designermöse» verwandeln zu wollen, sagt sich Hefti: «Jetzt werden erst recht Yoni gelesen.»

Sie selbst kam nach einer Lebenskrise und Selbstfindungsphase vor 16 Jahren zur Tantra-Massage. Sie war gelernte Hypnotherapeutin, hatte ihre eigene Praxis. Sie ist Mutter von drei Kindern, lebte 13 Jahre lang in einer Ehe. Sie war glücklich, bis sie ihre schwere Kindheit aufholte.

Hefti wusste nicht, wie weiter. Sie rief einen guten Freund an – einen Tipi-Macher, der zuhinterst im Maggiatal hauste. Laut Hefti ein «total freakiger Typ», der Rastas trug, das Leben eines Hippies pflegte. Das komplette Gegenteil von Heftis geregeltem Alltag. Der Tipi-Macher riet ihr, loszulassen. Hefti nahm sich seinen Ratschlag zu Herzen, verkaufte ihre Möbel, hängte Wohnung und Beruf an den Nagel und ging zu ihm. Während vier Jahren nähte Hefti Tipis, gab Schwitzhütten-Rituale und meditierte.

Als sie erfuhr, dass eine Bekannte ein Tantra-Institut in Zürich gründete, wusste sie, dass der Zeitpunkt gekommen war. Schon immer fasziniert von der Welt der Tantrikerinnen, bildete sie sich zur Tantra-Masseurin aus. Losgelassen hat sie das nicht. Sie gibt zwar keine Massagen mehr, bietet aber Kurse und Ausbildungen an.

«Man kann übrigens nicht nur Yoni, sondern auch Lingams lesen», verrät Hefti zum Schluss. Auch das männliche Pendant kann nämlich einem bestimmten Typen und einem Tier zugeordnet werden. «Bei den Männern wird es nur beim Gipsabdruck ein wenig komplizierter», sagt Hefti lachend.

Jacqueline Hefti mit ihrer Hündin Angie.
Jacqueline Hefti mit ihrer Hündin Angie.

(Bild: ida)

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