Podium zur Smart City in Zug

Stadtwanderer Benedikt Loderer: «Wir sind smart, aber nicht nachhaltig»

Stadtwanderer Benedikt Loderer hob den Mahnfinger.

(Bild: Andy Bachmann)

Am Mittwochabend ging in Zug eine Podiumsdiskussion über die Bühne, welche sich der «Zukunftsstadt Zug» widmete. Fazit: Bereits bei der Frage, wodurch sich eine Smart City überhaupt auszeichnet, gingen die Meinungen auseinander. 

Wie smart ist die Smart City? Diese Frage stand am Mittwochabend im Zugorama im Zentrum. Anlass war der Beginn der neuen Staffel der Gesprächsreihe «Zukunft Industrie Zug», organisiert von Metall Zug, dem Technologie-Forum Zug sowie der Zuger Wirtschaftskammer. Die nun angelaufene Staffel steht unter dem Motto «Zukunftsstadt Zug».

Einleitend erklärte Beat Weiss, Geschäftsführer von V-Zug Immobilien, dass der Bebauungsplan vom Technologiecluster in Zug Nord seit letztem Jahr rechtskräftig sei. Die acht Baufelder könnten in den nächsten 20 bis 30 Jahren in einen modernen, industriellen Stadtteil transformiert werden. «Es soll ein nachhaltiges Stück Stadt entstehen», so Weiss.

Politprominenz hört Stadtwanderer zu

Inhaltlich eröffnet wurde der Abend vor den Augen der Zuger Politprominenz um die Regierungsräte Heinz Tännler (SVP) und Silvia Thalmann-Gut (CVP), den abtretenden Ständerat Joachim Eder und den Zuger Stadtpräsidenten Karl Kobelt (beide FDP) von Benedikt Loderer.

«Je mehr wir sparen, desto mehr brauchen wir.»

Benedikt Loderer, Stadtwanderer und Architekturjournalist

Loderer ist Stadtwanderer, Architekturjournalist sowie Gründer der Architekturzeitschrift «Hochparterre». In seinem Referat zeigte sich der Berner bissig und unbestechlich. Die Eingangsfrage war, was smart eigentlich bedeutet. Loderer zitierte aus dem Wörterbuch. Intelligent komme dort beispielsweise nirgends vor.

Und was ist nun eine Smart City? Eine Frage, welche sich wie ein roter Faden durch den Abend ziehen sollte. «Entscheidend für die Smart City ist die Digitalisierung. Dadurch handeln wir vernetzt», so Loderer.

Gehören wir zu den Smarten?

Mit beissendem Sarkasmus fuhr der Stadtwanderer fort: «Die Smart City ist das neue Jerusalem, errichtet von der technischen Vernunft. Sie ist die Erlösung von dem Übel. Wer nicht daran glaubt, ist ein Kulturpessimist, ja gar ein Ketzer.»

Weil wir wettbewerbsfähig seien, gehörten wir zu den Smarten und nicht zu den den Dumpfen, so der 74-Jährige weiter. Dies sei jedoch ein anstrengender Zustand, denn gegenüber irgendwem irgendwo sei man immer im Rückstand.

Ein düsteres Szenario

Dann setzte Loderer zum Kern der Kritik an: «Wir brauchen zwar weniger Energie pro Kopf, doch mehr insgesamt. Fliegen ist zwar billiger, doch wir fliegen weiter – je mehr wir sparen, desto mehr brauchen wir. Wir sind smart, aber nicht nachhaltig.»

«Viele können sich nichts anderes vorstellen als das, was bereits da ist.»

Mary Sidler, Bauvorsteherin von Sempach

Dieser Lebensstil sei nicht tragbar, wir würden über unseren Verhältnissen leben. Da komme die Smart City gerade recht. «Je smarter die Stadt, desto mehr kannst du dir erlauben. Du darfst weitermachen wie bisher», so der Berner. Das Problem dabei: «In der Smart City haben nicht alle Platz. Es ist eine Gated Community.» Die Erlösung durch die Smart City werden somit nur wenige und nur für kurze Zeit erfahren, so das düstere Szenario Loderers.

Die Smart City könnte somit gar ein Selbstbetrug sein, so seine provokante These. «Gewiss, Zug wird besser durch die Smart City. Zug kann die erste Smart City der Eidgenossenschaft sein. Doch welche echten Probleme sind dadurch gelöst? Keine. Wir sitzen in einer Wachstumsfalle. Die Smart City ist Schnaps gegen den Alkoholismus», so das abschliessende, vernichtende Urteil des Stadtwanderers.

Zürich ist bereits smart

Dann war die Reihe an den Podiumsgästen. Moderator Marco Meier holte als erstes Anna Schindler ins Boot. Sie ist in Zürich Direktorin der Abteilung Stadtentwicklung. «Wir haben für Zürich eine Smart-City-Strategie entwickelt, welche vor allem auf Vernetzung aufbaut. In Bereichen wie Mobilität oder Stadtplanung haben wir bereits viele smarte Projekte», erklärte die studierte Stadtentwicklerin.

Die Podiumsrunde (von links): Eliane Birchmeier, Anna Schindler, Moderator Marco Meier, Mary Sidler und Alice Hollenstein.

Die Podiumsrunde (von links): Eliane Birchmeier, Anna Schindler, Moderator Marco Meier, Mary Sidler und Alice Hollenstein.

(Bild: Andy Bachmann)

Schindler betonte mehrmals, dass für sie die Smart City nicht bloss auf einer technologischen Komponente basiere. Die Technologie sei vielmehr ein Hilfsmittel.

Birchmeier betont die Chancen

Die Zuger Stadträtin und Vorsteherin des Baudepartements Eliane Birchmeier (FDP) sah dies anders. «Für mich ist Smart City Technologie, es ist Fortschritt.» Zudem betonte sie, mit den Äusserungen Loderers überhaupt nicht einverstanden zu sein. Die Smart City biete zusätzliche Möglichkeiten und Chancen.

Weiter in der Runde sass Alice Hollenstein, Stadtpsychologin und Dozentin an der Universität Zürich. Als studierte Psychologin habe sie einen anderen Zugang. Für sie gehe es darum, wie die Menschen ihre Umwelt wahrnehmen. «Es sollte erst der öffentliche Raum geplant werden und dann die Gebäude», sagte Hollenstein.

«Wir haben heute Abend über vieles gesprochen – aber nicht über Smart City.»

Benedikt Loderer

Mary Sidler, Stadträtin und Bauvorsteherin von Sempach, betonte ihrerseits, man müsse die Menschen sensibilisieren und mit auf den Weg nehmen, damit gute Baukultur entstehen könne.

Mühe mit Veränderung

Darin waren sich denn auch sämtliche Podiumsteilnehmerinnen einig: Die Menschen müssen miteinbezogen werden bei der Stadtentwicklung. Die Stadt Zug etwa tue dies mit der Befragung der Bevölkerung, wie zufrieden sie mit ihrem Quartier sind, so Birchmeier. Momentan sei man an der Auswertung.

Sidler blies ins gleiche Horn: «Die Leute sind sehr zufrieden, wenn sie mitreden dürfen. Sie fühlen sich abgeholt. Jedoch haben viele Mühe mit Veränderung. Sie können sich nichts anderes vorstellen als das, was bereits da ist.»

Zum Ende folgte eine Replik von Benedikt Loderer: «Wir haben heute Abend über vieles gesprochen – aber nicht über Smart City. Was passiert, wenn wir die Stadt als Netzwerk ansehen und betreiben?» Davon habe er fast nichts gehört.

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