Podcast hilft Carmen Segattini beim Verarbeiten

Panikattacken: Luzerner Influencerin nimmt Auszeit von Social Media

Carmen Segattini war bis vor Kurzem tagtäglich auf Instagram unterwegs.

(Bild: Anja Glover)

Carmen Segattini ist jung, hübsch, erfolgreich und hat über 10’000 Follower auf Instagram. Ein scheinbar perfektes Leben. Anfang Jahr begann die Luzernerin allerdings vermehrt unter Panikattacken zu leiden und zog sich vorerst aus den Social Media zurück. In ihrem neuen Podcast berichtet sie über ihre Erfahrungen und plädiert für mehr Ehrlichkeit im Internet.

Carmen Segattini lacht, streicht sich die Haare hinters Ohr und fasst sich an die goldene Kette, die sie um den Hals trägt. Die Stylistin war bis vor Kurzem täglich auf Instagram zu sehen, hielt ihre Tausenden von Follower auf dem Laufenden. Oft an schönen Orten, umgeben von schönen Menschen.

Sie arbeitete in einem Vollzeitpensum als Content-Marketing-Managerin in Zürich und studierte nebenbei am KV Luzern Marketingmanagement, pendelte hin und her. Heute ist Carmen Segattini etwas weniger schnell unterwegs. Grund: Sie ist überlastet.

Atemprobleme und Herzrasen

«Anfang Jahr bekam ich öfters Probleme mit dem Atmen und hatte unangenehmes Herzrasen. Ich fühlte mich, als ob ich in einer Parallelwelt leben würde, einsam und irgendwie ungeliebt. Zudem kreisten negative Gedanken in meinem Kopf und ich hatte viele Zweifel», erzählt die Luzernerin. In ihrem Notizbuch aus dieser Zeit stehen Sätze wie: «Mache Musik an, bewege dich. Atme. Öffne das Fenster. Atme die kühle Luft ein. Alles ist gut.»

«Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll.»

Carmen Segattini, Influencerin

Die 28-Jährige litt an Panikattacken und musste sich vorerst eine Auszeit nehmen – von allem. Die genaue Diagnose will sie nicht verraten, jedenfalls ist Segattini seither krankgeschrieben und probiert mit Hilfe einer Psychiaterin zu sich selbst zu finden.

Segattini ist nicht allein

«Das Ganze war zu Beginn sehr schwierig für mich, ich wusste gar nicht, wie ich damit umgehen soll», erzählt die Luzernerin. «Bis ich bemerkt habe, dass viele Leute in meinem Umfeld schon mal psychotherapeutische Betreuung in Anspruch genommen haben und es nichts ist, wofür man sich schämen muss.»

Dass Social Media krank machen kann, bewiesen in den letzten Jahren die Fälle von immer mehr Influencer. So erzählte beispielsweise im Sommer 2018 der bekannte Youtuber Bobby Burns über den hohen Erwartungsdruck in der digitalen Welt.

«Man begibt sich in eine Fake-Welt mit surrealen Vorbildern.»

Carmen Segattini

Die Anforderungen der Community und die Konkurrenz seien sehr belastend. «Man vergleicht sich, kommentiert und liked Bilder, die einem eigentlich gar nicht gefallen. Man begibt sich in eine Fake-Welt mit surrealen Vorbildern, um möglichst viele Follower zu haben», sagt Segattini.

Die Selbstzweifel begannen

Anfänglich habe sie bloss ihre Haar- und Make-up-Tipps weitergeben wollen. Je mehr sie sich mit der Social-Media-Welt umgeben hat, desto mehr begann sie sich anzupassen. «Wer von scheinbar perfekten Menschen umgeben ist und gleichzeitig immer wieder eine Stelle am eigenen Körper findet, die nicht schön oder gut genug ist, beginnt an sich selber zu zweifeln», so die Luzernerin.

Die Luzernerin zählt über 10'000 Follower auf Instagram.

Die Luzernerin zählt über 10’000 Follower auf Instagram.

(Bild: Anja Glover)

Segattinis Absenz im Internet blieb nicht unbemerkt: «Ich bekam täglich Nachrichten von Leuten, die sich ernsthaft Sorgen machten. Irgendwann schickten sie mir auch handgeschriebene Briefe und einige liessen mir Päckchen mit Wellnessprodukten zukommen, die meine Erholung fördern sollten.»

Die junge Frau scheint gerührt, wenn sie das erzählt. Sie presst die Lippen zusammen, lächelt und streicht wieder ihr blondes Haar hinters Ohr. «Das ist die schöne Seite an den sozialen Medien», sagt sie.

Heile-Welt-Bilder passten nicht mehr

Es seien mehrere Dinge zusammengekommen, die sie letztlich zur Auszeit gezwungen haben, Social Media sei sicherlich einer der Gründe. Segattini wollte zu sich selber finden, wusste aber nicht genau, wie sie damit und vor allem auch mit ihrer Folgschaft umgehen sollte.

«Meine Probleme hatten auf Social Media keinen Platz.»

Carmen Segattini

«Meine Probleme hatten auf Social Media irgendwie keinen Platz. Ich wollte nicht darüber sprechen, weil ich Angst hatte, dass die Leute denken würden, ich sei verrückt. Ich wollte aber auch sonst nichts mehr posten, weil die rein glücklichen Bilder nicht meiner Lebenssituation entsprachen.»

Natürlich habe sie die Aufmerksamkeit genossen – alles andere wäre gelogen, sagt sie lächelnd. Die Plattform Instagram habe sie auch immer dazu genutzt, um ihre Karriere zu fördern, was in ihrem Fall einwandfrei funktioniert habe. «Instagram war bestimmt ein Teil meines privaten, aber auch meines beruflichen Lebens. Das Zurückziehen hätte für beides Folgen haben können.»

Ein gemeinsamer Podcast

Eine, die solche Zweifel gut kennt, ist Segattinis Kollegin Belinda Lenart. Zusammen mit Lenart, welche im Jahr 2014 als Bachelor-Gewinnerin bekannt wurde, lancierte Segattini den Podcast «Rosé-Gold im Kopf».

So sieht das Coverbild vom Podcast «Rosé-Gold im Kopf» mit Belinda Lenart (rechts) aus.

So sieht das Coverbild vom Podcast «Rosé-Gold im Kopf» mit Belinda Lenart (rechts) aus.

(Bild: Lisa-Moana Meier)

«Ich bin das Gold, Belinda ist Rosé. Wir führen immer sehr interessante Gespräche zusammen und wollen Interessierte daran teilhaben lassen», so Segattini. In ihrer neuen Folge, welche diesen Sonntag auf Spotify veröffentlicht wird, berichtet sie über ihre Panikattacken und darüber, dass es in Ordnung ist, wenn man psychotherapeutische Betreuung braucht. «Im Podcast thematisieren wir alles sehr offen», kündigt sie an.

Wie geht es weiter?

Wie es in ihrem Leben beruflich weitergehen soll, weiss sie noch nicht. Künftig möchte sie aber über ihre Ängste und Schwächen auch auf Social Media sprechen können. «Die Leute da draussen sollen wissen, dass nicht immer alles so perfekt ist, wie es auf Instagram aussieht. Ich möchte den Leuten zeigen, dass sie nicht alleine sind, sondern dass es uns Influencerinnen auch nicht immer besser geht.»

Letztendlich wollen Segattini und Lenart mit dem Podcast bewirken, dass auch andere sich getrauen, über die Probleme zu sprechen und Ehrlichkeit und Realität mehr Platz haben.

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