Beschwerde gegen Schutz der Wirtschaft Schiess

Richter müssen entscheiden: Chamer Uralt-Beiz in Gefahr

Die Wirtschaft Schiess in Cham. Anbau und Haupthaus.

(Bild: mam)

Im Kanton Zug soll der Denkmalschutz aufgeweicht werden. Dabei geht es jetzt schon vielen alten Häusern an den Kragen. Auch die Zukunft der Wirtschaft Schiess im Chamer Kirchbüelquartier ist ungewiss. Gegen den Denkmalschutz für das jahrhundertealte Gebäude wurde eine Beschwerde eingereicht, nun hat das Verwaltungsgericht das letzte Wort.

Sie ist ein Kleinod im Chamer Kirchbühlquartier: Die Wirtschaft Schiess. Bereits 1593 wurden an dieser Stelle Speis und Trank ausgegeben, wie ein behauener Stein in der Wand nahelegt. Heute ist das kleine Restaurant bekannt für seine Fleischgerichte.

Daneben liegt das schützenswerte Doktorhaus, unweit davon die unter Schutz stehenden Gebäude der Gemeinde – das alte Gemeindehaus, die heutige Schwinghalle und der ehemalige Kindergarten mit Feuerwehrdepot. Es sind Reste des alten Dorfzentrums. Trotz grosser Neubautätigkeit hat Cham den Wandel der Zeit weniger verunstaltet überstanden als die meisten anderen Zuger Ortschaften.

Jetzt wachsen auch in in Cham die Klötze in die Höhe

Dennoch trügt die Idylle. Am Chamer Bärenplatz wächst der neue Block der Raiffeisenbank in die Höhe. Neben der Wirtschaft Schiess plante die Gemeinde ein modernes Verwaltungsgebäude, gab für einen Wettbewerb sogar schon 300’000 Franken aus. 

Das hat Konsequenzen für die Wirtschaft Schiess: Auf der Homepage des Gasthauses, das von Claudia und Roman Buchle geführt wird, steht zwar: «Der Besitzerfamilie ist es ein grosses Anliegen, den Charakter dieses Kleinods zu erhalten.» Doch das  stimmt so nicht ganz, denn der Besitzer der uralten Wirtschaft möchte, dass seine Liegenschaften gleich beurteilt werden wie die angrenzenden Bauten – und dafür gibt es Baupläne.

Der Bildhauer schweigt

Laut Grundbuch ist Hans Georg Schiess, der im Anbau der Wirtschaft einen Bildhauerbetrieb führt, Eigentümer der Liegenschaft. Er will sich gegenüber zentralplus nicht äussern. Es gäbe ein hängiges Verfahren zur Wirtschaft Schiess. Bis dieses nicht entschieden sei, lohne es sich nicht, darüber zu schreiben, findet er.

Das sehen die Gegner des neuen Zuger Denkmalschutzgesetzes anders. Auf der Homepage der Interessengemeinschaft aus Zuger Heimatschutz, Bauforum Zug, dem Historischen und dem Archäologischen Verein Zug warnen sie: «Das Restaurant Schiess im Herzen von Cham ist gefährdet.»

Gemeinderat ignorierte Schiess

Denn gegen die Unterschutzstellung durch die Zuger Regierung hat der Gemeinderat von Cham Beschwerde eingereicht. Jetzt muss der Entscheid vom Verwaltungsgericht des Kantons Zug überprüft werden. Bauchef Rolf Ineichen (SVP) will dies nicht kommentieren und die kantonale Denkmalpflege darf dies von Amtes wegen aufgrund des hängigen Verfahrens nicht tun. 

Bleibt also die Recherche in informierten Kreisen, die ihren Namen nicht in den Medien lesen möchten. Wie Gewährsleute sagen, liegt dem Gezerre um die Wirtschaft Schiess ein persönlicher Konflikt zugrunde. Als der frühere Gemeinderat vor einigen Jahren anstelle der sogenannten Gemeindescheune gleich neben dem «Schiess» einen Verwaltungsbau plante, konnte er mit dem Nachbarn Hans Georg Schiess, der auch ein Auge auf die Scheune geworfen hat, keinen Konsens erreichen. Seither ist der sauer.

Frust wegen Monsterbau

Ans Fenster seines Betriebs hat er eine Fotomontage geklebt, welche das pittoreske «Schiess»-Gebäude neben dem einst geplanten Verwaltungsbau zeigt. Die Aussage: Wenn man solche Monsterbauten ins Chamer Dorfzentrum pflanzt, ist es absurd, daneben irgendetwas unter Schutz stellen zu wollen – das passt nicht mehr.

Böbbi Schiess' Fotomontage.

Böbbi Schiess› Fotomontage.

(Bild: mam)

So weit, so einleuchtend. Bauchef Rolf Ineichen (SVP) betont jedoch gegenüber zentralplus, dass das Projekt eines neuen Verwaltungsbaus bis auf unbestimmte Zeit eingestellt worden sei, dass die Gelder dafür auch aus dem Finanzplan der Gemeinde gestrichen wurden.

Schiess hat Machbarkeitsstudien erstellen lassen

Schiess hingegen bleibt dem Vernehmen nach skeptisch. Wenn in Cham in Zukunft der Wohlstand ausbrechen sollte, käme das Projekt womöglich wieder aufs Tapet. Ausserdem stört ihn, dass ihm Behörden bei seinen Liegenschaften reinreden wollen, ihn aber nicht unterstützen würden. Auf eigene Kosten hat er deshalb eine Machbarkeitsstudie zum «Schiess» erstellen lassen, in der verschiedene Möglichkeiten ausgelotet werden – auch ein Neubau.

Der Chamer Gemeinderat wiederum möchte, dass die alte Wirtschaft Schiess erhalten bleibt. Er hat beim Verwaltungsgericht eine Beschwerde gegen die Unterschutzstellung des jüngeren Anbaus eingereicht, die Schutzwürdigkeit des Hauptbaus zweifelt er nicht an.

Drei Beschwerden gegen Denkmalschutz

Möglicherweise wird diese teilweise Parteinahme für Schiess durch den Gemeinderat den erzürnten Liegenschaftsbesitzer ja besänftigen. Augenfällig ist jedoch, dass die Chamer Gemeinderegierung offensiv gegen den Denkmalschutz vorgeht. Bekanntlich hat der Gemeinderat auch gegen die Unterschutzstellung der Siedlung Alpenblick Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht erhoben – ebenso beim Schulhaus Hagendorn. In Hagendorn hat er nur schon deswegen gute Karten, weil sich keine Lobby für das alte Schulhaus einsetzt.

Bauchef Rolf Ineichen freilich weist den Verdacht eines systematischen Widerstands gegen den Denkmalschutz zurück. «Vor kurzer Zeit wurde die gesamte Schulanlage Röhrliberg 1 und das Langhaus auf dem Papieriareal unter Schutz gestellt», sagt er. Aktuell laufe das Unterschutzstellungsverfahren für die Badi Hirsgarten, der sich der Gemeinderat ebenfalls nicht widersetzt.

Idyll auf dem Rigiplatz

Nicht direkt involviert in den Konflikt um das «Schiess» ist der Zuger Heimatschutz, der sich massgeblich gegen das neue Denkmalschutzgesetz einsetzt. Man habe lediglich eine Stellungnahme zuhanden des Verwaltungsgerichts verfasst, sagt sein Präsident Alex Briner auf Anfrage.

Briner schwebt ohnehin eine umfassendere Lösung für die Umgebung vor: Er möchte den gesamten Rigiplatz zum attraktiven Dorfplatz umgestaltet wissen. «Bisher steht dort nur ein Gebäude, das nicht zu den anderen passt.» Dazu brauche es nicht nur eine Pflästerung und die Aufhebung einiger Parkplätze. Dafür müsste die Wirtschaft Schiess erhalten, und am besten auch die Gemeindescheune – mindestens ihrem Charakter nach – bestehen bleiben. Einen störenden Neubau anstelle der Gemeindescheune will Briner nicht.

 Auf diesen Bildern gibt es mehr Eindrücke zur Geschichte:

 

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1 Kommentar
  • Profilfoto von igarulo
    igarulo, 05.04.2019, 18:31 Uhr

    Die Idee der Denkmalpflege ist eine Alibiübung schweizweit. Gepflegt wird altes Gestein punktuell neben Profitgemäuer zwecks Alimentierung der Immobilienmogule und der räuberischen Banken und deren CEOs. Die Zerstörung der Heimat begann schon in der 60ern. Und wird gegenwärtig fortgesetzt. Architektur zum Wohnen mit Wohlfühlfaktor sieht anders aus. Die Siedlungsplanung dazu spricht die Sprache vor allem des Profits und der Instanthässlichkeiten, geplant von den Abhängigen der Politik mit Wachstumsphobie. Kein Wunder, wollen so viele Leute in ihren Ferien so schnell wie möglich ins Flugi zum Flüchten aus dem Stapelcontainer für den Durchschnitt. Der wohnt eben gerade nicht dort, wo die Pfleger mal denken und eine alte Beiz konservieren.

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