Luzerner Kita wehrt sich gegen Generalverdacht

Gefürchtet und gefragt: Männer als Kinderbetreuer

Bereits seit sechs Jahren arbeitet der 31-jährige Leroy Biscette bei der Kindertagesstätte Strampolino in Kriens.

(Bild: sah)

Immer wieder stehen männliche Kita-Betreuer im schlechten Licht. In jedem steckt scheinbar ein möglicher Pädophiler, so ein böses Vorurteil. Die Krienser Kindertagesstätte Strampolino widersetzt sich diesem Negativbild und freut sich über männliche Mitarbeiter – einer davon ist Leroy Biscette.

Männer in Kindertagesstätten (Kitas) stehen unter Generalverdacht. In jedem steckt scheinbar ein potenzieller Pädophiler. So jedenfalls berichten die Medien nach bekannt gewordenen Übergriffen an Kindern – jüngster Fall in einer St. Galler Kita.

Auch die Luzerner Politik hat das Thema männliche Mitarbeiter bei Kitas aufgegriffen. Die Grünen reichen hierzu eine Interpellation beim Luzerner Stadtrat ein und fragen nach grundsätzlichem Vorgehen bei der Stellenvergabe.

Trotz Negativschlagzeilen gibt’s Bestrebungen, mehr Männer in Kitas zu engagieren, weil dies für die Entwicklung der Kinder förderlich sei. Die Stadt Zürich strebt etwa einen Männeranteil an. Es brauche mehr Lehrer, Kindergärtner, Erzieher, so der Konsens. Doch einige Krippenbetreiber tun sich schwer mit dem Thema und streben inoffiziell sogar eine «Nullmännerstrategie» an.

«Kindern ist es egal, ob ich ein Mann oder eine Frau bin»

Nicht so die Krienser Kindertagesstädte Strampolino. Zwei Männer sind im 16-köpfigen Team – einer von ihnen der 31-jährige Leroy Biscette. «Den Kindern selbst ist es grundsätzlich egal, ob ich ein Mann oder eine Frau bin», meint er lachend. «Sie hätten vielleicht Angst vor einem langen, markanten Bart, dabei ist es ihnen aber egal, welches Geschlecht hinter dem Bart steckt.»

Schön aufgeräumt präsentiert sich der rieseige Spielraum in unteren Teil des «Strampolino»-Gebäudes.

Schön aufgeräumt präsentiert sich der rieseige Spielraum in unteren Teil des «Strampolino»-Gebäudes.

(Bild: sah)

Richtiges Verhältnis von Nähe und Distanz ist essentiell

«Bei mir finden die Kinder meist meine Haare besonders lustig», so Biscette, der einen mittellangen, dunklen Lockenkopf trägt. Ausserdem würden einige Kinder mit ihm etwas grober spielen, als sie dies vielleicht mit den Frauen des Teams machen würden. Doch selbst beim Spielen habe er durch die Ausbildung den angebrachten Umgang mit Nähe und Distanz erlernt und wisse, wo die Grenzen liegen.

«Wenn mich ein Kind umarmt, erwidere ich das natürlich.»

Leroy Biscette, Fachmann Betreuung im Strampolino

Als Mann habe er, genauso wie der Rest des Teams, konkrete Vorgaben, wie mit den Kindern umgegangen werden soll. «Wir achten zum Beispiel darauf, dass kein Machtgefälle entsteht», so Biscette. «Wenn mich ein Kind umarmt, erwidere ich das natürlich.» Dabei müsse jedoch darauf geachtet werden, dass sich das Kind auch wieder lösen kann, sobald es dies möchte. Körperliche Nähe darf niemals von der Betreuungsperson ausgehen.

Verhaltenskodex gibt Grenzen vor

Im sogenannten «Verhaltenskodex» sind hier die Regeln im Umgang mit den Kindern festgeschrieben – so sind Fiebermessungen zum Beispiel nicht rektal vorzunehmen oder jegliches Küssen des Kindes untersagt. Diesen Kodex habe jeder Mitarbeiter verinnerlicht.

Einige intuitive Handlungen müssen dabei in der Ausbildung zum Kinderbetreuer abtrainiert werden. «Würde ich das Kind hochheben, wäre ich in einer extremen Machtposition. Das Kind kann dann ja nicht selbständig wieder weg von mir», erklärt Biscette. Zu Beginn musste er sich an diese Regeln gewöhnen, mittlerweile seien diese jedoch komplett Routine.

Mit Vorurteilen gegenüber seinem Geschlecht sei er auf Seiten der Eltern noch nie konfrontiert worden. Eltern, die ein Problem damit hätten, dass auch Männer hier arbeiten, würden sich gar nicht erst beim Strampolino melden, so der 31-Jährige.

Vom Metallbauer zum Kinderbetreuer

Seit rund sechs Jahre ist Biscette beim Strampolino angestellt. Angefangen hat seine Leidenschaft für Kinderbetreuung mit seinem Zivildienst. Denn der aufgestellt wirkende Biscette hat eigentlich eine Ausbildung zum Metallbauer gemacht. «Erst während des Zivildiensts habe ich gemerkt, dass mir die Arbeit als Kinderbetreuer mehr Spass macht als die Arbeit auf dem Bau.»

So hat er sich nach dem Zivildienst nicht mehr lange für den Bau begeistern können und ist relativ schnell wieder im Strampolino gelandet. Hier arbeitet er mit wenigen Monate alten Babys und Kindergärtlern zusammen – und ist für sie verantwortlich.

Kinder sollen auch Männer als Bezugsperson erleben

Auch Strampolino-Gründerin Morena Inäbnit betont das richtige Verhältnis zwischen Nähe und Distanz zu den Kindern – unabhängig davon, ob es sich um eine Frau oder einem Mann handelt. «Wir halten es für wichtig, dass die Kinder sowohl Frauen als auch Männer als Bezugsperson erleben.»

Sie spricht ausserdem an, dass die Männer im Strampolino eine gewisse Vorbildrolle einnehmen. «Die Kinder erleben, dass Männer kochen oder eine Geschichte vorlesen können», so Inäbnit. So wolle sie unter anderem auch gegen Geschlechterstereotypen vorgehen.

Offene Räume ermöglichen Kontrolle

Zwar strebe sie keine Männerquote an, sei aber dennoch stolz, nicht ein reines Frauenteam zu haben. Und trotzdem sind einige Vorkehrungen getroffen, um Grenzüberschreitungen vorzubeugen.

So sind die bunt ausgestatteten Räumlichkeiten sehr offen gestaltet, oder mit einem eingebauten Fenster gebaut. «Die Fenster sind bewusst in einer Höhe angebracht, in der zwar das Personal, nicht aber die Kinder in die einzelnen Räume schauen können. Die Kinder sind so vor Ablenkung geschützt, gleichzeitig ist aber eine gewisse Kontrolle im Team gewährleistet», erklärt Inäbnit.

Ihr sei klar, dass (egal ob bei Männer oder Frauen) ein gewisses Restrisiko einer Grenzüberschreitung bestehen bleibt. «Mit einem offenen und bewussten Umgang mit dem Thema Nähe und einer klaren Haltung von allen Beteiligten im Betrieb werden Kinder jedoch wirkungsvoll geschützt.»

Hier spielen die ganz Kleinen. Drei Monate alt sind die Jüngsten, die beim «Strampolino» betreut werden.

Hier spielen die ganz Kleinen. Drei Monate alt sind die Jüngsten, die beim «Strampolino» betreut werden.

(Bild: sah)

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