Piusbrüder: Umstrittene Traditionalisten

Menzinger bezichtigen den Papst der Gottlosigkeit

Davide Pagliarini, neuer Generaloberer der Priesterbruderschaft St. Pius X. in Menzingen.

(Bild: zvg)

Die Priesterbruderschaft St. Pius X. sorgte in der Vergangenheit wegen Holocaust-Leugnern oder Schwulen-Anfeindungen immer wieder für Schlagzeilen. Doch seit einem halben Jahr hat sie einen neuen Anführer: Davide Pagliarani, ein freundlich lächelnder Italiener aus Rimini, residiert im Generalhaus in Menzingen. Grund genug, um vor Ort zu ergründen, wie die Piusbrüder neuerdings ticken.

«Kommen Sie herein, die Kapelle ist zum Gebet jederzeit offen», sagt ein gepflegter Mann mit Stirnglatze, der in einer schwarzen Soutane steckt. Wir stehen beim Schloss Schwandegg in Menzingen, dem Generalhaus der Priesterbruderschaft St. Pius X., weltweites Hauptquartier der Lefebvristen. 

Von der Fassade des Patriziersitzes grüsst Peter Kolin, vor der Kapelle steht eine Marienfigur und halbversunken im Schnee ein Denkmal für Papst Pius X., das heiliggesprochene Vorbild der Anti-Modernisten.

Ausgesuchte Höflichkeit

Freundlichkeit und ausgesuchte Höflichkeit seitens der Piusbrüder wird uns auf der Recherche noch öfter begegnen. Sie passt so gar nicht zum Bild, das wir uns bei einer Internetrecherche von der Vereinigung gemacht haben. Nicht zur Äusserung vom Gründer der Gemeinschaft, dem verstorbenen Erzbischof Marcel Lefebvre, der gegen «Juden, Kommunisten und Freimaurer» als Feinde der katholischen Kirche hetzte.

Nicht zum notorischen Holocaustleugner, Bischof Richard Williamson, der die Protokolle der Weisen von Zion für eine authentische Quelle hält und erst 2012 aus der Gemeinschaft geworfen wurde.

Gegen Luther, Kommunisten, Schwule

Und auch nicht zum Walliser Bernard Fellay, welche die Geschicke der Bruderschaft über zwei Jahrzehnte leitete. Der von Lefebvre zum Bischof geweihte Mann gilt als freundlich und mässigendes Element der Gemeinschaft. Er spuckte aber dennoch wiederholt antisemitische Töne. Vergangenes Jahr nutzte er überdies das 500-jährige Reformationsjubiläum dazu, den «Aufstand Luthers» mit der kommunistischen Oktoberrevolution von 1917 in Verbindung zu bringen – und zu verdammen.

Zusammen mit Meldungen über Militanz gegenüber Homosexuellen oder über die Ablehnung der Gleichberechtigung von Frauen waren wir auf einen finsteren, mittelalterlichen Haufen gefasst.

Schwarze Priester auf weisser Loipe

Foltergerät ist in der Schwandegg freilich keines zu entdecken. Die Elisabethenkapelle könnte innen wieder mal einen neuen Anstrich vertragen, wirkt sonst wie ein eher nüchterner Arbeits- und Gebetsraum. Vor jedem Sitzplatz sind eine Vielzahl von Gebetsbüchern aufgetürmt – alle in Lateinisch. Beim Eingang liegt die Jugendzeitschrift der Organisation auf – sie heisst «Der Kreuzfahrer».

Kapelle St. Elisabeth beim Schloss Menzngen: Hier wird gebetet.

Kapelle St. Elisabeth beim Schloss Schwandegg in Menzingen: Hier wird viel gebetet.

(Bild: mam)

Neben der Kapelle führen Skispuren zur Langlaufloipe. So ist Fellay bisher vielen Menzingern begegnet: Nicht durch seine Tiraden gegen die Ökumene oder den Protestantismus, sondern in seiner schwarzen Robe auf zwei Brettern. Die in Soutanen langlaufenden Piusbrüder gehören zum vertrauten Anblick im Klosterdorf.

Vertrauter Anblick

Ansonsten werden sie beim Einkaufen gesichtet, leihen auf der Gemeindeverwaltung das Generalabonnement aus, reden bei der Wasserbaugenossenschaft mit und nehmen auch an Gemeindeversammlungen teil. Gelobt werden ihre guten Manieren, auch wenn man sich ihrer «verschärften Glaubenspraxis» bewusst ist. Sie sind Teil des Dorfbildes, aber nicht unbedingt Teil der Dorfgemeinschaft, wie wir noch erfahren werden.

Dennoch gibt es auch eine Art örtliche Gemeinde, denn neben dem Hauptquartier unterhält die Piusbrüderschaft noch ein Priorat – eine kleine Priestergemeinschaft mit Entourage. Ultrakonservative aus der ganzen Umgebung, aber auch von örtlichen Bauernhöfen kommen zur Messe, die auf Latein in tridentinischem Ritus abgehalten wird.

«Werk der römisch-katholischen Kirche»

Ansonsten ist die Priesterbruderschaft mittlerweile aufgestellt wie ein katholischer Orden. Neben der Kleriker-Vereinigung gibt es Laienbrüder. Frauen dienen als Oblatinnen. Selbst bezeichnet sich die Piusbruderschaft als «Werk der römisch-katholischen Kirche». Das steht auch auf der Infotafel vor dem Schloss Schwandegg.

«Werk der römisch-katholischen Kirche» Infotafel in Menzingen.

«Werk der römisch-katholischen Kirche» Infotafel in Menzingen.

(Bild: mam)

«Nein, die gehören nicht zu uns», dementiert Hansruedi Huber, der Sprecher des Bistums Basel. Das Bistum unterhalte keine Kontakte mit der Gemeinschaft, untersage ihr auch die Benützung seiner Sakralräume, sprich Kirchen. 

Franziskus verliert die Geduld

Der Vatikan verlange von der Piusbrüderschaft die ausdrückliche Anerkennung des Zweiten Vatikanischen Konzils, besonders seiner Anstösse zu Religionsfreiheit, Ökumene und Liturgie. «Für den Dialog mit der schismatisch orientierten Gemeinschaft ist deshalb seit Januar nur noch die vatikanische Glaubenskongregation zuständig», sagt Huber. Dadurch mache Papst Franziskus klar, dass er nicht zu einer Annäherung an die Piusbrüder zu Sonderkonditionen bereit ist.

Ähnliches wiederholt auch der Menzinger Gemeindeleiter Christof Arnold. Die Pfarrei habe «keine Berührungspunkte» mit den Piusbrüdern. Ihre Bischöfe und Priester hätten keine kirchliche Anerkennung.

Unterschiede unüberbrückbar

Die Lage ist vertrackt: Die Piusbrüder, die sich für die einzig rechtgläubigen Katholiken halten, können nicht gut ausserhalb der Kirche stehen, welche sie so glühend repräsentieren möchten. Und die katholische Kirche tut sich schwer damit, die Brüder endgültig rauszuwerfen, da sie seit der Reformation traumatisiert ist und Teilungen vermeiden möchte – ausserdem auch seit dem Konzil den Anspruch hat, spirituelle Heimat für alle möglichen Christen zu sein.

Das mag auch den versöhnlichen Ton zwischen Rom und den Piusbrüdern in den letzten Jahren erklären – man versuchte, sich anzunähern. Das Klima verbesserte sich bis 2017. Als 2018 mit dem Italiener Pagliarini (48) auch noch ein Mann zum neuen Generaloberen gewählt wurde, der das Priesterseminar der Bruderschaft in Argentinien geleitet hatte, spekulierten manche auf eine Verständigung mit dem argentinischen Papst Franziskus und auf eine kanonische Anerkennung der Priesterbruderschaft.

Dies ist freilich Geschichte. Nachdem der aus dem Ferienort Rimini stammende Generalobere Pagliarini im Herbst eine Reise nach Rom unternommen hatte, stellte er fest, dass dies ein Missverständnis darstelle und die dogmatischen Unterschiede unüberbrückbar seien.

Dicke Post aus Menzingen

Seither herrscht wieder Eiszeit. Der Papst hob die Spezialkommission auf, die sich zuvor jahrzehntelang nur mit den Piusbrüdern beschäftigt hatte, und wies die Sache der Glaubenskongegration zu. Und die Brüder gaben ihre verbale Zurückhaltung auf. Als Franziskus im Februar mit dem Grossiman von Kairo in einer Moschee ein Dokument der Brüderlichkeit aller Menschen für Weltfrieden und Zusammenleben unterzeichnete, bekam man im Schloss Schwandegg die Krise.

Schloss Schwandegg: Vor 100 Jahren Kuranstalt, jetzt Hauptquartier der Piusbrüderschaft.

Schloss Schwandegg: Vor 100 Jahren Kuranstalt, jetzt Hauptquartier der Piusbrüderschaft.

(Bild: mam)

Pagliarini und seine beiden Assistenten schalteten in den Angriffsmodus: Dieses Dokument sei «eine Gottlosigkeit», urteilte er in einem Communiqué. Es verachte «die Weisheit Gottes, in Jesus Christus Mensch geworden und für uns am Kreuz gestorben» wenn man sage, dass «der Pluralismus und die Vielfalt der Religionen» «ein weiser göttlicher Wille» sei.

«Das bezeichnet man als Häresie»

Vielmehr sei es ein Dogma, «dass die katholische Religion die einzig wahre Religion ist». Und was dem Dogma entgegensteht, «bezeichnet man als Häresie», so Pagliarini. Gott könne sich nicht selbst widersprechen.

«Häretiker» und «Schismatiker» – das sind die Schimpfwörter, mit denen sich die Piusbrüder und die Katholiken gegenseitig beharken. Wobei die Piusbrüder zwar nicht als reguläre römisch-katholische Priester gelten, aber dennoch anerkanntermassen römisch-katholische Laien sind – genauso wie der Menzinger Gemeindeleiter Christof Arnold und 50 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons Zug. Denn Papst Benedikt XVI. hatte bekanntlich ihre Exkommunikation aufgehoben und sie in den Schoss der Kirche zurückgeführt.

Piusbrüder wollen auf den katholischen Friedhof

Als Katholiken haben sie das Recht, in geweihter Erde zu ruhen – und jene im Generalhaus der Bruderschaft haben offenbar den Wunsch, dies dereinst neben der Menzinger Pfarrkirche zu tun. Es bestehen Bemühungen, eine Gruft auf dem Menzinger Friedhof zu erwerben – was die «Neo-Protestanten», wie die katholischen Modernisten von den Piusbrüdern gern genannt werden, überhaupt nicht freut.

Wir fragen bei Christof Arnold schriftlich nach, ob es neben den fehlenden Berührungspunkten nicht wenigstens persönliche Kontakte zu den Schwarzröcken gäbe – wo man sich doch künftig den Friedhof teile. Arnold antwortet nicht. Manchmal sagt das Schweigen mehr als 1’000 Worte.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von lulu
    lulu, 31.03.2019, 09:47 Uhr

    Wenn man in katholischen Kreisen von «Menzingern» spricht, meint man die franziskanische Frauengemeinschaft der «Menzinger Schwestern». Sie sind ganz anders, sehr aufgeschlossen ….

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