Live Tantra-Massage in Emmenbrücke

«Der Orgasmus ist nicht das Ziel – auch wenn er in vielen Fällen eintrifft»

Dauert bis zu drei Stunden: die Tantra-Massage.

(Bild: ida)

Anlässlich des «Tag der Frau», gewährte ein Tantra-Institut in Emmenbrücke intime Einblicke in eine Massage. Wie eine solche aussieht, um was es da geht – und weshalb der Orgasmus nicht vordefiniertes Ziel sein darf.

Sie fassen sich an den Händen, schauen sich tief in die Augen. Sie schliesst ihre Augen, gemeinsam atmen sie mehrmals tief ein und wieder aus. Er kniet sich vor sie hin und sagt: «Ich verehre das göttlich Weibliche in dir.» Er beugt sich nieder, so sehr, dass er mit seinem Mund zuerst den einen und dann den anderen Fuss küssen kann. Langsam steht er auf, streift mit dem Tuch, mit dem er bis zuvor noch seinen Körper bedeckt hielt, über ihre Haut. Behutsam öffnet er den Knopf ihres Tuches, bis sie nackt vor uns steht.

Es riecht nach Massageöl, in der Mitte des Raumes liegt eine Matte, über der eine orange, samtene Decke liegt. Zwei grosse, weisse Federn liegen bereit. Aber auch eine Perlenkette und ein Pinsel.

Nun bittet er sie, sich auf die Matte zu setzen. Er folgt, umschliesst ihren Körper von hinten. Gemeinsam wippen sie wie Bambus im Wind zu den Klängen mystischer Musik hin und her. Spätestens jetzt dürften die beiden vergessen haben, dass rund um sie zwei Dutzend schaulustiger Damen sitzen. Denn der sprichwörtliche Höhepunkt des Infoabends, der im Tantra-Institut «WomMan» und «Yotama» anlässlich des «Tag der Frau» in Emmenbrücke vorgezeigt wurde, war eine Tantra-Massage. Durch den Abend führten Jacqueline Hefti, Geschäftsführerin von «WomMan» und Keylam Blackburn, Geschäftsführer von «Yotama», der gemeinsam mit Susanna die Massage präsentierte.

Von der Yoni und dem Lingam

«Auch wenn von einer Ganzkörpermassage die Rede ist, wird oftmals nur bis zum Bauchnabel massiert, ein grosser Bogen gemacht – und dann ab dem Oberschenkel abwärts», sagt Keylam. «Der Intimbereich wird zumeist ausgelassen.» Anders bei der Tantra-Massage, bei der die Geschlechtsteile miteinbezogen werden: Bei der Frau ist das ihre Yoni, beim Mann sein Lingam. «Bei einer Tantra-Massage wird der Energiefluss durch den gesamten Körper aktiviert und harmonisiert», erklärt Keylam.

«Jedes Mal, wenn ich eine Tantra-Massage gebe, ist das für mich eine Art zweistündige Meditation, um selbst in Ruhe zu kommen.»

Keylam Blackburn, Tantra-Masseur

Obwohl die Yoni massiert wird und dadurch sexuelle Triebe und Energien angestossen werden, gehe es nicht um Sex. «Der Orgasmus ist nicht das Ziel einer Tantra-Massage», so Keylam. «Auch wenn er in sehr vielen Fällen eintrifft.» Sobald man in eine Tantra-Massage gehe mit dem Ziel, zum Orgasmus zu kommen, führe das zu einer bestimmten Erwartungshaltung. Und der Körper verkrampfe sich – das pure Gegenteil des gewünschten Effekts trifft ein.

Ein Reisebegleiter

Hat es denn nicht etwas Unterwürfiges, als Tantra-Masseur, der die Rolle des Gebenden einnimmt, für das Wohlempfinden derjenigen zu sorgen, die die Massage in Anspruch nehmen? Keylam verneint. «Jedes Mal, wenn ich eine Tantra-Massage gebe, ist das für mich eine Art zweistündige Meditation, um selbst in Ruhe zu kommen», so seine Worte. «Als Tantra-Masseur betrachte ich mich als Begleiter, der eine Frau bei ihrer Entdeckungsreise begleitet», so die Worte Keylams.

Plakate wurden abgerissen

Frauen kämen zu ihm, um ihre weiblichen Energien, ihre Sexualität auf anderen Ebenen zu erfahren, sich «da unten» besser kennenzulernen. Und dies sei wichtig, so Keylam: «Oftmals wird eine Frau noch immer nicht als sexuell selbstbestimmtes Wesen definiert. Sondern als ein Sexobjekt.» Gerade jetzt, wo man sich in der dritten sexuellen Revolution befände – #MeToo ist nur ein Teil davon – sei es wichtig, weiterzukämpfen.

Er erzählt eine Geschichte aus seinem Alltag. Kürzlich sass er bei seinem Coiffeur, erzählte davon, dass er nebenberuflicher Tantra-Masseur sei und einen Infoabend für Frauen veranstalte, in der es um die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen gehe. «Jetzt reicht's dann aber auch mal», habe dieser gesagt.

«Facebook und Google haben sich beispielsweise geweigert, für unseren Info-Abend Werbung zu schalten», sagt Keylam. «Einige Plakate der Veranstaltung wurden abgerissen.» Das sage genug. «Unsere Gesellschaft steht noch lange nicht da, wo wir sein sollten.»

Trotz Beziehung zum Tantra – Fremdgehen?

Bei einer Tantra-Massage stehen sich zwei Menschen nackt gegenüber. Es wird intim – wenn auch nur einseitig, sprich, der Masseur den Intimbereich des Empfangenden berührt. Da stellt sich schnell die Frage, die auch einst ein Patrick gegenüber der «Blick»-Sexberaterin Caroline Fux äusserte: «Ich überlege mir, ob ich zu einer Tantra-Masseurin gehen soll. Das wäre ja kein Fremdgehen, oder?» Diese antwortete: «Du glaubst wohl selber nicht, dass das kein Fremdgehen ist, oder?»

«Es ist eine intime Dienstleistung, ohne Zweifel.»

Keylam Blackburn

Keylam hält entschieden dagegen: «Mit Fremdgehen hat eine Tantra-Massage nach meinem Empfinden nicht das Geringste zu tun.» Auch wenn er betont, dass jeder Fremdgehen individuell für sich definiere. Dennoch hat er Mühe, den richtigen Begriff für eine solche Massage zu finden. Ist es eine Behandlung oder eher eine Dienstleistung? «Es ist eine intime Dienstleistung, ohne Zweifel», so Keylam.

Er selbst sei auf Umwegen zum Tantra gekommen. Als 17-Jähriger habe er in England eine Videokassette «The Art of Sensual Massage» gekauft. «Ich war so fasziniert davon, wie sich ein Mann und eine Frau intim gegenübertreten können, ohne Sex dabei zu haben», so Keylam. Die Massage übte er an seiner damaligen Freundin. «Es muss gut gewesen sein. Denn wir sind noch heute zusammen.»

Traumas lösen

Die Tantra-Massage wurde zum Teil live, zum Teil anhand einer Plüsch-Yoni gezeigt. Bei der Yoni-Massage sei es wichtig, dass man sich dem Rhythmus der Frau anpasse. Schon in einem Vorgespräch werde geklärt, weshalb die Frau einen Masseur aufsuche, was sie wolle – und wo die Grenzen liegen.

«In der Vagina finden sich etwa nicht nur der G- sowie der A-Punkt, sondern beinahe das ganze Alphabet», so Keylam. Beim Massieren dieser Punkte gehe es jedoch nicht nur um die sexuelle Komponente. Sondern vielmehr um die gesamte Lebensgeschichte einer Frau, die sich quasi in ihrer Yoni widerspiegle: «Eine Yoni-Massage kann plötzlich unbewusste oder unterdrückte Gefühle lösen.» Der Masseur könne beispielsweise auf Punkte treffen, die für die Frau nicht nur lustvoll, sondern auch schmerzhaft sein können.

Beim Verharren auf diesen Stellen könnten sich Traumas lösen – sodass die Energie wiederum durch den gesamten Körper fliesse. «Auch wenn wir kein Heilversprechen geben oder geben dürfen, hat es doch eine sehr emotional heilende Komponente», so Keylam.

Viele Leute mögen eine falsche Vorstellung dessen haben, was eine Tantra-Massage ist. Wohl auch, weil der Begriff vom Rotlichtmilieu missbraucht werde, so Keylam. «Dabei geht es bei einer Tantra-Massage um ein Erlebnis von tiefster Verehrung und Respekt für das Weibliche.» Und egal, welche Frau vor ihm stehe: In jeder Frau sei dieses «göttlich Weibliche» enthalten.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Pius Wihler
    Pius Wihler, 24.03.2019, 14:36 Uhr

    Ein herzliches DANKE an die Reporterin Isabelle Dahinden, dass Sie es gewagt hat, an dieser öffentlichen Tantra-Massage teilzunehmen und davon zu schreiben.
    Ich erlebe gerade, wie gehemmt die Menschen sind, meinen Vortrag zu «Tantra, Berührungen, Sexualität» zu besuchen. In Schiers kamen nur zwei Frauen, in Landquart zehn Personen, in Chur 29, davon ca. sechs Männer und in Domat/Ems waren es acht Personen. Nun bin ich gespannt, wie viele es am nächsten Mittwoch, 27.03. in Sargans und tags darauf in Walenstadt sein werden.
    Teilweise werden die Plakate nicht ausgehängt oder wieder entfernt, weil diese drei Worte «Tantra, Berührungen, Sexualität» darauf stehen. Heidiland Tourismus lehnte die Aufnahme in den Veranstaltungskalender ab, da der Vortrag «keine Touristische Relevanz hätte»…
    Mit meinem Vortrag will ich die wunderbare Art der tantrischen Berührungen und die Unterschiede zur gewohnten Sexualität den Menschen näher bringen und er kann durchaus als Erwachsenenbildung bezeichnet werden.
    Auch ich erlebe mich wie in einer Meditation, wenn ich einer Frau beim Geben einer Tantramassage so nahe kommen darf und sie damit nicht nur am Körper sondern auch im Herzen berühren darf. Es ist eine grosse Ehre für mich als Mann, eine Frau in ihrer Weiblichkeit begleiten zu dürfen, damit sie SICH SELBST als Frau mehr spüren kann… mit «Fremdgehen» hat das wirklich nichts zu tun.
    Meine HP nenne ich SomaSpirit.ch weil ich mit meinen achtsamen Berührungen den Körper über das Fühlen (wieder) mit dem Geist, der Seele verbinden will… und dabei kann wirklich viel heilsames – im Sinne von wieder Ganz werden – geschehen…
    Übigens: Mein erstes Tantramassageseminar besuchte ich im Jahr 2008 bei Jacqueline von WomMan.

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