Zuger Projekt soll Ü50ern bei Stellensuche helfen

Wenn der arbeitslose Finanzchef um Rat bittet

Mentor Mathias Dick (rechts) spricht mit Patrick Huber, seinem Mentee.

(Bild: lef)

Für Menschen über 50 gestaltet sich die Stellensuche schwierig. Auch, wenn sie hochqualifiziert sind. zentralplus sprach mit einem 54-jährigen Betroffenen. Er kennt zwar kein Universalrezept, wie man aus der Arbeitslosigkeit herauskommt. Dennoch weiss er heute, worauf es in der schweren Phase ankommt.

Mitten in seiner erfolgreichen Karriere ist diese abrupt zu Ende. Patrick Huber* verliert mit 54 Jahren seine Kaderposition als Finanzchef in einem Industrieunternehmen. Sein Profil passte nicht mehr zum Unternehmen. Gegenüber zentralplus erzählen Huber und sein Mentor, wie anspruchsvoll die Arbeitsuche für über 50-Jährige sein kann – trotz guter Ausbildung.

«Ich war überzeugt, dass ich aufgrund meiner Fähigkeiten wieder eine gute Anstellung finde, aber mein Alter machte mich schon nervös», gibt Huber zu. «Mit 54 Jahren und ohne Arbeit fühlte ich mich unwohl.»

Die Gesellschaft würde solche Menschen oft als Verlierer abstempeln, meint er. Einige seiner Bekannten hätten angefangen, sich komisch zu verhalten. «Es gab Freunde, die haben sich gar nicht mehr getraut, mich anzurufen und nachzufragen, wie es mir geht», erzählt Huber.

«Jeder Kontakt ist ein Geschenk.»

Patrick Huber, ehemaliger Ü50-Arbeitsloser

Es sei aber wichtig, sein Umfeld weiterhin zu pflegen. «Jeder Kontakt ist ein Geschenk», sagt der 54-Jährige. Einerseits für den sozialen Rückhalt, andererseits auch, um das Netzwerk zu erhalten und auszubauen, welches einem bei der Stellensuche helfen könne, findet er.

Beim RAV fehlte die Erfahrung

Offiziell wurde Patrick Huber am 1. Juni 2018 arbeitslos. Bereits vorgängig machte er sich auf die Suche

Mentoring 50 plus

Das Pilotprojekt «Mentoring 50 plus» entspringt der Kampagne «Alter hat Potenzial» des Kantons Zug und wird vom RAV sowie vom Verein für Arbeitsmarktmassnahmen (VAM) betreut. Ziel des Mentorings ist, Arbeitslose, die älter als 50 Jahre alt sind, durch freiwillige Mentoren auf der Stellensuche zu begleiten. In den Beratungsgesprächen erhalten die Betroffenen mentale Unterstützung, aber auch den Zugang zum Netzwerk des Mentors.

nach einer neuen Stelle. Für ihn war klar: «Ich stecke in einer kritischen Phase, also muss ich alles Mögliche tun, um das zu ändern ­– die volle Bandbreite.»

Bei der Regionalen Arbeitsvermittlung (RAV) merkt er schnell, dass man Mühe hat, gut ausgebildeten Arbeitslosen zu helfen. «Der RAV-Mitarbeiter war freundlich, aber es fehlt dort schlichtweg an Erfahrung, wie man mit qualifizierten Stellensuchenden umgeht», sagt Huber.

Über einen Zeitungsartikel wurde seine Frau auf das Projekt «Mentoring 50 Plus» aufmerksam (siehe Box). Wenig später traf er Marlise Regli. Sie leitet das Pilotprojekt im Kanton Zug und sie war es auch, die Huber mit seinem Mentor Mathias Dick zusammenbrachte.

Das Entscheidende: Die Augen offenhalten

Ein guter Schritt, wie Huber heute befindet. Der Mentor habe ihm Inputs für die Bewerbung geben und ihn psychisch unterstützen können. «Es gibt kein Rezept oder klaren Weg, um wieder eine Anstellung zu finden», meint Huber. Das Entscheidende sei, dass man die Augen offenhabe: «Es kann überall den entscheidenden Auslöser geben. Bei Freunden, bei Bekannten oder durch Kontakte zu Mitarbeitern bei anderen Arbeitgebern.»

«Ein Mentor ist nicht einfach ein Stellenvermittler.»

Patrick Huber

Huber rät allen Stellensuchenden: «Man darf keine Zeit verlieren und muss sofort mit der Arbeitssuche beginnen. So bleibt man im Rhythmus. Das ist essenziell.» Für das Mentoring sei es ausserdem wichtig, dass der Betroffene eine inhaltliche Hilfestellung erhalte. «Ein Mentor ist nicht einfach ein Stellenvermittler. Er sollte helfen, die Arbeitsuche zu strukturieren, Tipps zu geben und den Betroffenen zu motivieren», findet Huber.

Die Chemie muss stimmen

«Weiter spielen die Chemie zwischen Mentor und dem Betroffenen eine wichtige Rolle. Ausserdem müssen beide offen miteinander reden können.» Er lächelt und schaut zu Mathias Dick: «Bei uns hat dies auf Anhieb funktioniert.»

Mathias Dick engagiert sich ehrenamtlich als Mentor beim RAV in Zürich und in Zug. Der 55-Jährige hat schon über 60 Arbeitslose betreut. Er weiss aus eigener Erfahrung, was es heisst, über 50 und arbeitslos zu sein.

«Weil ich selbst schon in dieser heiklen Phase war, verstehe ich die Ängste der Betroffenen.»

Mathias Dick, Mentor für Arbeitslose über 50

Vor einigen Jahren wurde ihm in einem 15-minütigem Gespräch gekündigt. «Weil ich selbst schon in dieser heiklen Phase war, verstehe ich die Ängste der Betroffenen», sagt er. Über zwei Jahre lang fand er keine Arbeit. Er wurde ausgesteuert, erhielt kein Arbeitslosengeld mehr.

Die Gutausgebildeten haben es schwerer

Dick könne sich noch gut daran erinnern, als er das erste Mal zum RAV ging. «Jemandem wie Ihnen können wir nicht helfen», hat man ihm gesagt. «Es kann doch nicht sein, dass gut ausgebildeten Menschen, die aus dem System fallen, bei der Wiedereingliederung nicht unterstützt werden», habe er darauf geantwortet.

Mathias Dick nahm an einem Mentoring-Pilotprojekt des RAV in Zürich teil und wurde schliesslich selber zum Mentor. Kurz nachdem er ausgesteuert war, gründete er eine eigene Beratungsfirma.

Auch Patrick Huber hatte Erfolg. Nach dem dreimonatigen Mentoring konnte er wenig später einen neuen Arbeitsvertrag unterschreiben und ist nun wieder Finanzleiter in einem Schweizer Industrieunternehmen.

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