Nach Verurteilung einer Frau aus Emmen

Muss die Sozialhilfebetrügerin nun 45’000 Franken zurückzahlen?

Eine 39-Jährige soll die Gemeinde Emmen «arglistig getäuscht» und insgesamt um mehr als 45’000 Franken geschädigt haben.

(Bild: Montage ida)

Kürzlich verurteilte das Luzerner Kriminalgericht eine Sozialhilfebezügerin aus Emmen. Die 39-Jährige soll über 45’000 Franken Sozialhilfe ertrogen haben. Es stellt sich die Frage, wie sich die Gemeinden in solchen Fällen das Geld zurückholen. Muss die Frau nun mit einer gekürzten Sozialhilfe rechnen?

Die Sozialhilfe steht immer wieder in der Kritik oder sorgt für anderweitige Schlagzeilen. Jüngst zeigte der Fall einer 39-Jährigen, die sich vor dem Luzerner Kriminalgericht verantworten musste, dass die Grenzen zwischen dem, was als rechtmässiger oder unrechtmässiger Sozialhilfe bezogen wird, nicht immer einfach zu ziehen ist.

Die 39-Jährige soll dem Sozialamt der Gemeinde Emmen verschwiegen haben, dass ihr Partner nach wie vor in demselben Haushalt wohnte und ihr Geld dafür bezahlte. Bis zuletzt bestritt sie dies jedoch. Das Luzerner Kriminalgericht verurteilte sie dennoch wegen mehrfachen Betruges zu einer Geldstrafe (zentralplus berichtete). Doch: Welches Nachspiel hat ein solcher Sozialhilfemissbrauch für die betroffenen Personen?

Bei Missbrauch: Geld zurückzahlen

«Die Gemeinde Emmen fordert ungerechtfertigt bezogene wirtschaftliche Sozialhilfe konsequent zurück», stellt André Gassmann, Leiter Kommunikation und Marketing der Gemeinde, klar. Man halte sich an die gesetzlichen Grundlagen sowie an die Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos).

Die öffentliche Sozialhilfe ist grundsätzlich Sache der Kantone. Das Sozialhilfegesetz des Kantons Luzern besagt, dass Sozialhilfebezüger, die missbräuchlich Sozialhilfe erworben haben, diese auch zurückzahlen müssen. «Das Gesetz räumt aber ein, dass auf eine Rückerstattung in Härtefällen und auf Gesuch hin ganz oder teilweise verzichtet werden kann», so Gassmann weiter. Ob das im Fall der 39-Jährigen zutrifft, will er nicht sagen: «Zum erwähnten speziellen Fall nehmen wir aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Stellung.»

«In rund 50 Prozent kann kein Missbrauch nachgewiesen werden.»

André Gassmann, Leiter Kommunikation Gemeinde Emmen

Wie jedoch aus dem Urteil hervorgeht, forderte die Gemeinde eine Genugtuung über 45’000 Franken – konkret den Betrag, den die Verurteilte zu viel an wirtschaftlicher Sozialhilfe bezogen hat. Das Gericht trat jedoch auf diese Zivilforderung nicht ein, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Forderung handelt, welche nicht in einem Strafverfahren geltend gemacht werden kann.

Jährlich rund 30 Missbräuche in Emmen

Die Gemeinde Emmen gilt als Pionierin der Sozialinspektoren. 2005 führte die Gemeinde eine solche Stelle ein – als erste Gemeinde der Schweiz. Heute bearbeiten zwei Sozialhilfeinspektoren, die beide zuvor als Polizisten tätig waren, pro Jahr zirka 60 Fälle für die Gemeinde Emmen. «In rund 50 Prozent kann kein Missbrauch nachgewiesen werden», sagt Gassmann. Demzufolge gibt es in Emmen rund 30 Sozialhilfemissbräuche jährlich. Sobald ein begründeter Missbrauchsverdacht besteht, würden Sozialhilfeinspektoren mit einer Abklärung beauftragt werden.

Die kürzlich verurteilte 39-Jährige wurde aber nicht von Sozialinspektoren observiert. Bis zuletzt waren sich Verteidigung und Staatsanwaltschaft uneinig darüber, ob der Ex-Partner damals noch bei ihr lebte und ihr Geld bezahlte – oder nicht. Die Gemeinde schöpfte erst Verdacht, als sie ein Schreiben des Mannes erhielten. Wäre die Sozialhilfebezügerin observiert worden, bestünde Klarheit, kritisierte die Verteidigung vor Gericht.

Wenn ein begründeter Missbrauchsverdacht besteht, wird ein Sozialinspektor beauftragt, entsprechende Abklärung zu machen. Zuerst werden alle auftragsrelevanten Unterlagen gesichtet. Anhand von Datenbanken, die ihnen zur Verfügung stehen, werden möglichst viele Informationen über die betroffene Person gesammelt. Ob die betroffene Person observiert wird, hänge vom eigentlichen Fall ab und werde durch die Inspektoren definiert, so Gassmann.

Mit Strafanzeigen muss jedoch gerechnet werden. «In Missbrauchsfällen, bei denen ein arglistiges ‹böswilliges› Verhalten oder wiederholte Missbräuche der betroffenen Personen feststellbar sind, muss eine Strafanzeige geprüft werden», sagt Gassmann. Auch im Fall der verurteilen 39-Jährigen hat die Gemeinde Anzeige erstattet, wie aus dem Urteil hervorgeht.

Sanktionen: Grundbedarf darf bis zu 30 Prozent gekürzt werden

Die Verurteilte sagte vor Gericht aus, dass sie immer noch Sozialhilfe beziehe. Diese steht ihr auch nach wie vor zu. Denn wer verurteilt wurde – auch wegen Sozialhilfemissbrauchs – hat weiterhin das Recht auf Sozialhilfe, sofern die Person bedürftig ist.

Dennoch muss die Verurteilte wohl mit Sanktionen rechnen. Denn die gesetzlich verankerte Mitwirkungspflicht fordert, dass Bezüger bei der wirtschaftlichen Sozialhilfe vollständig und wahrheitsgetreu über ihre Verhältnisse Auskunft geben und Änderungen umgehend und unaufgefordert melden.

Halten sich Sozialhilfebezüger nicht an diese Pflicht, darf deren Grundbedarf gekürzt werden – um 5 bis 30 Prozent. In der Schweiz ist der Grundbedarf auf 986 Franken festgesetzt. So viel erhält eine erwachsene Person monatlich für ihren Lebensunterhalt. Bei einer Kürzung von 30 Prozent wäre der Grundbedarf nur noch 690 Franken.

Darüber hinaus dürfen auch Zulagen für Leistungen gestutzt oder gestrichen werden. Nach spätestens zwölf Monaten muss diese Kürzung jedoch «unter Berücksichtigung des Ausmasses» überprüft werden. Bei Kürzungen von 20 Prozent und mehr erfolgt diese bereits nach sechs Monaten. Im gesamten Kanton kürzten Sozialdienste im Schnitt in 7 Prozent der Fälle den Grundbedarf.

Bei Job Sozialhilfe zurückzahlen?

Unrechtmässig bezogene Sozialhilfe muss zurückbezahlt werden – rechtmässig bezogene Sozialhilfe unter Umständen auch. Gemäss Gesetz ist das Geld der Einwohnergemeinde soweit zurückzuerstatten, «wie sich die finanzielle Lage der hilfsbedürftigsten Person gebessert hat und ihr die Rückerstattung zumutbar ist».

 «In regelmässigen Abständen verlangen wir von ehemaligen Klienten einen Einkommens- und Vermögensnachweis.»

André Gassmann

«Die Gemeinde Emmen teilt den Sozialhilfeempfängern bei der Ablösung aus der Sozialhilfe mit, wie hoch der bezogene Sozialhilfebetrag ist», sagt André Gassmann. «Und sie macht sie darauf aufmerksam, dass eine Rückzahlung grundsätzlich vorgenommen werden muss.»

Wer es schafft, aus der Sozialhilfe zu kommen, steht jedoch gezwungenermassen nach wie vor in Kontakt mit den zuständigen Personen. «In regelmässigen Abständen verlangt die Gemeinde Emmen von den ehemaligen Klienten einen Einkommens- und Vermögensnachweis, um dadurch feststellen zu können, ob sich die finanzielle Situation so weit gebessert hat, dass eine Rückerstattung verlangt werden kann», so Gassmann.

Prämienverbilligung als Wegweiser

Weder die Skos noch das Luzerner Handbuch für die Sozialhilfe würden jedoch Stellung zur Definition der Betrags- beziehungsweise der Einkommensgrenze nehmen. Die Gemeinde Emmen orientiert sich in dieser Frage an der Prämienverbilligung: «Bezieht eine Person Prämienverbilligung, dann erachten wir das bestehende Einkommen als ungenügend, um auf einer Rückerstattung der geleisteten wirtschaftlichen Sozialhilfe bestehen zu können», sagt Gassmann.

Tatsache ist jedoch, dass eine Rückerstattung nur bei den wenigsten Fällen realisierbar ist. In Emmen sei dies jährlich bei bis zu maximal drei Personen der Fall. «Kann eine Rückzahlung realisiert werden, dann handelt es sich im Normalfall um Klienten, die aufgrund einer Erbschaft zu Mitteln gekommen sind», so Gassmann.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon