Welche Folgen eine Tempolimite für Busse hätte

VBL-Direktor fühlt sich von Tempo-30-Gegnern instrumentalisiert

Weiss noch nicht, welche Auswirkungen eine Temporeduktion wirklich hätte:  VBL-Direktor Norbert Schmassmann.

(Bild: Bildmontage bic)

Die geplante Einführung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsachsen in der Stadt spaltet die Gemüter. Die Gegner befürchten nicht nur Einschränkungen für die Autofahrer, sondern auch für den öV. Ob dies zutreffen würde, lässt sich aber bezweifeln. Denn vor allem der öV könnte letztlich sogar flüssiger werden.

Soll auch auf einigen Hauptverkehrsachsen in der Stadt Luzern bald Tempo 30 gelten? Ja, wenn es nach dem Stadtrat geht. Auf verschiedenen Hauptverkehrsachsen plant er eine Temporeduktion. So zum Beispiel auf der Zürich-, der Basel-, oder der Haldenstrasse (zentralplus berichtete). 

Bestärkt wird der Stadrat in seinem Anliegen durch ein Bundesgerichtsentscheid, welcher Tempo 30 auf solchen Strassenabschnitten als zulässig beurteilt. Und auch der Regierungsrat hat sich bereit erklärt, zumindest über entsprechende Massnahmen zu diskutieren (zentralplus berichtete).

Verschlechterung des öV befürchtet

Doch dagegen regt sich Widerstand. Es wird vor Kapazitätsreduktionen und einer Verschlechterung des Verkehrsflusses gewarnt. Und auch für den öffentlichen Verkehr befürchten die Gegner Einschränkungen.

«Der öffentliche Verkehr wird massiv länger unterwegs sein. Gleichzeitig schafft man neue zusätzliche Busspuren, sofern machbar, um die verlorene Zeit wieder gutzumachen, auch dies natürlich zu Lasten des motorisierten Individualverkehrs», moniert der städtische SVP-Präsident Dieter Haller.

Dass in der teils wenig schmeichelhaften Kritik am Regierungsrat auch mit negativen Auswirkungen auf den öV argumentiert wird, bereitet VBL-Direktor Norbert Schmassmann offensichtlich Mühe. «Wir werden von einzelnen Gruppierungen für deren Anliegen oft instrumentalisiert, bevor überhaupt klar ist, was Tempo 30 für den öV bedeuten würde», sagt er.

VBL: Umfassende Abklärungen nötig

Für Schmassmann ist aber klar, dass sich die VBL so oder so mit den Auswirkungen von zusätzlichen Abschnitten mit Tempo 30 werden befassen müssen. Zurzeit übt er sich noch in Zurückhaltung.

«Ich möchte mich nicht zu unqualifizierten Aussagen hinreissen lassen, bevor unsere Fachleute die Situation im Detail analysiert haben», sagt Schmassmann, der auch für die CVP im Kantonsrat sitzt. Lange Linien seien von einer Temporeduktion aber generell stärker betroffen als kurze.

Für die genauen Abklärungen würden sich die VBL nun rund ein Jahr Zeit nehmen, so Schmassmann. «Wir werden eine ‹tour d’horizon› machen, um zu analysieren, was mit Tempo 30 allenfalls besser und was schlechter für den öV werden könnte und welche Massnahmen es in diesem neuen Kontext bräuchte, um einen optimalen Betrieb zu gewährleisten.» In einem Bericht, der noch erstellt werden muss, soll die Lage detailliert analysiert werden.

Temporeduktion nicht a priori negativ

Dennoch lässt sich festhalten, dass die Einführung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsachsen nicht zwangsläufig zum Problem für den öV werden muss, wie die SVP suggeriert. «Unseren Fahrplänen liegen angenommene Geschwindigkeiten auf den einzelnen Streckenabschnitten zugrunde», erklärt Daniel Walker, Leiter Markt bei den VBL.

Wie schnell letztlich gefahren wird, sei daher nicht so entscheidend, da dies bei der Planung entsprechend berücksichtigt werde, erklärt Walker. Oder anders gesagt. Die VBL gehen bei der Gestaltung der Fahrpläne nicht von freier Fahrt und somit von der erlaubten Maximalgeschwindigkeit aus. Sie berechnen die kürzeste Fahrzeit, die aufgrund der Verkehrssituation zu verschiedenen Tageszeiten realistisch ist.

Sollte Tempo 30 auf einzelnen Teilstücken eingeführt werden und dies tatsächlich Folgen auf die Fahrzeiten haben, würden die Fahrpläne entsprechend angepasst, was aber nicht a priori heissen muss, dass der öV dadurch weniger effizient wird.

«Auf der Zürichstrasse wird heute in den Hauptverkehrszeiten mit einer Geschwindigkeit von 13 km/h geplant.»

Daniel Walker, Leiter Markt VBL

Problematisch seien hingegen generelle Einschränkungen des Verkehrsflusses. «Verschlechtern sich die Rahmenbedingungen grundsätzlich, müssen wir allenfalls mehr Fahrzeuge einsetzen, da dieBusse länger brauchen, um einmal komplett hin und zurück zu fahren», so Walker. Zusätzliche Abschnitte mit tieferen Geschwindigkeiten könnten solche «grundlegende Veränderungen» sein, ist man sich bei den VBL bewusst. Es sei allerdings noch zu früh, um genaue Aussagen zu machen.

Während Stosszeiten im Schneckentempo

Doch was bedeutet das konkret? Wären die Busse bei Tempo 30 wirklich langsamer unterwegs als heute? Zumindest während der Stosszeiten am Abend nicht. «Auf der Haldenstrasse und dem Schweizerhofquai verkehren wir zwischen 17 und 19 Uhr im Durchschnitt mit rund 7 km/h», sagt Walker. Das sei des öffentlichen Verkehrs nicht würdig, fällt er ein drastisches Urteil über die aktuelle Luzerner Verkehrssituation.

Interessant ist jedoch ein Blick auf die Zürichstrasse, auf der die Stadt Tempo 30 konkret prüft. «Auf der Zürichstrasse wird heute in den Hauptverkehrszeiten mit einer Geschwindigkeit von 13 Stundenkilometern geplant. Darin eingerechnet sind die Anfahrt und das Abbremsen der Busse.

Verkehrsingenieur: «Verkehr kann sogar flüssiger werden»

Aus genannten Gründen bezweifelt auch ein Experte, dass es für den öV zu grösseren Einschränkungen käme, sollte das Tempo auf städtischen Hauptverkehrsachsen gedrosselt werden. «Bisher hiess es fast in allen Städten, dass man die Fahrpläne nicht mehr einhalten könne, wenn das Tempo von 50 auf 30 gesenkt wird. Wirklich geschehen ist dann aber kaum etwas», sagt Patrick Eberling, Verkehrsingenieur und Dozent für Verkehrsinfrastruktur an der Hochschule Luzern in Horw. So sei es zum Beispiel in Aarau und Bern gewesen.

Vielmehr würde der öV am Ende des Tages allenfalls sogar flüssiger fahren als zuvor, weil weniger stark abgebremst und beschleunigt werden muss. Gut 17 Stundenkilometer werde in den Schweizer Innenstädten heute im Schnitt gefahren, so Eberling, der selber in Luzern wohnt.

«Der Zeitverlust ist minimal»

«Für eine Strecke von 300 Metern zwischen zwei Haltestellen braucht ein Bus bei 30 Stundenkilometern zirka 14 Sekunden länger als bei 50», rechnet Eberling vor. 300 Meter entsprechen in etwa der Distanz zwischen Bahnhof und Schwanenplatz über die Seebrücke. Dabei müsse aber unbedingt beachtet werden, dass es so oder so utopisch sei, dass ein Bus zwischen zwei Haltestellen überhaupt einmal mit 50 Stundenkilometer unterwegs ist, sagt Eberling.

Heisst, ein potenzieller Zeitverlust aufgrund tieferer Geschwindigkeiten dürfte in der Realität noch einiges geringer ausfallen, weil die Differenz nach einer Temporeduktion nicht wie im Beispiel 20 Stundenkilometer, sondern einiges weniger betragen würde. 

Auf die ganze Strecke würde sich die Fahrzeit einer Buslinie durch die Innenstadt um eine Minute bis 90 Sekunden verlängern, sagt Eberling. «Dieser Zeitverlust kann aufgeholt werden, wenn der Bus an der Endstation etwas weniger lang stehen bleibt.» Und im Notfall müssten halt die Fahrpläne etwas modifiziert werden.

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