Raubtier löst in Menzingen keine Unruhe aus

Trotz Wolfsichtung keinen SMS-Alarm verschickt

Vor Kurzem wurde im Gebiet Menzingen ein Wolf gesichtet.

(Bild: Fotolia/ Montage: wia)

Am Samstag wurde in Menzingen zum zweiten Mal in diesem Jahr ein Wolf gesehen. Doch obwohl die Behörden noch am Samstag eine Videoaufnahme des Grossraubtiers erhalten haben, wurde kein SMS-Alarm verschickt. Dennoch machen sich Anwohner kaum Sorgen um ihre Sicherheit.

«Man geht nun mit etwas mehr Respekt dort durch», sagt Irène Betschart. Sie wohnt seit über elf Jahren mit ihrer Familie im Gebiet Chnollen in Menzingen – also in jenem Gebiet, wo am Samstagmorgen eine Spaziergängerin einen Wolf gesichtet hat (zentralplus berichtete).

Betschart weiss genau, durch welches Waldstück das Raubtier getrottet ist. «Ich bin dort schon oft mit meinen Kindern durchspaziert», sagt sie. Die Stelle sei einen bis eineinhalb Kilometer von ihrem Haus entfernt. Angst einjagen lässt sie sich jedoch nicht. «Ich habe zahlreiche Whatsapp-Nachrichten bekommen im Stile von ‹Hast du’s gelesen? Jetzt musst du aber aufpassen›.» Davon hält Betschart wenig.

Der Scherz mit dem Tierpark

«In unserer Umgebung gibt es mehrere Landwirte mit Schafen. So viel ich mitbekommen habe, wurde aber noch nie ein Tier von einem Wolf gerissen.» Mit den Füchsen sei es nicht viel anders.

Die hätten es teilweise auf junge Katzen und Hühner abgesehen. «Auf der Hühnerweide benötigen wir einen elektrischen Zaun, damit uns der Fuchs keine Hühner holen kann», erzählt Betschart.

«Solange es sich nur um einen einzelnen Wolf handelt, ist die Gefahr nicht so gross.»

Irène Betschart, Anwohnerin Chnollen Menzingen

Sie nimmt die Sache mit Humor. In ihrem Umfeld frotzelt man, dass der Wolf bestimmt aus dem nahen Tierpark Langenberg in Langnau am Albis gekommen sei. Trotzdem gibt sie zu, dass sie bestimmt erschrecken würde, sollte plötzlich ein Wolf vor ihr stehen.

Wolf würde verjagt werden

Die Betscharts besitzen Mutterkühe und Legehennen. Sorgen um ihre Tiere macht Irène Betschart sich noch keine. «Solange es sich nur um einen einzelnen Wolf handelt, ist die Gefahr nicht so gross. Sobald es aber mehrere wären, ist auch die Gefahr grösser und da könnte es auch sein, dass sie unsere Kälber reissen könnten. Vor allem im Offenfrontstall und im Sommer auf der Weide ist die Gefahr grösser, als in einem geschlossenem Stall.»

Seit vergangenem Jahr gibt es im Kanton Zug einen SMS-Wolfsalarm (zentralplus berichtete). Dabei muss man sich als betroffener Halter von Kleinwiederkäuern anmelden, um im Fall der Fälle eine Nachricht zu bekommen. Laut Albin Schmidhauser, Leiter des kantonalen Amts für Wald und Wild, sind es rund 35 bis 40 Personen, die auf diesen Dienst setzen.

Ist dieses Tier im Menzinger Chnollen tatsächlich ein Wolf?

Ist dieses Tier im Menzinger Chnollen tatsächlich ein Wolf?

(Bild: Screenshot Blick)

Die Betscharts gehören nicht dazu. «Für den Moment glaube ich nicht, dass wir dies brauchen. Sollte aber mal etwas passieren, beispielsweise ein Tier in der Umgebung gerissen werden, würden wir den SMS-Alarm wohl in Anspruch nehmen», so Irène Betschart.

Der Alarm bleibt aus

Laut Albin Schmidhauser wurde am Samstag kein SMS-Alarm verschickt. Ist die zuständige Stelle am Wochenende etwa nicht besetzt? «Doch, ein Alarm kann jederzeit rausgehen, sofern es sich um einen Riss von Nutztieren handelt, der mit grosser Wahrscheinlichkeit einem Grossraubtier zugeschrieben werden kann», antwortet Schmidhauser. Der Alarm werde ausgelöst, wenn unmittelbar Gefahr droht. Gefahr drohe unmittelbar, wenn ein Grossraubtier Nutztiere gerissen hat und dabei das Tier vielleicht auch gelernt habe, wie es beispielsweise einen Elektrozaun überwinden kann.

Das Amt für Wald und Wild habe das Video der mutmasslichen Wolfssichtung am Samstagnachmittag erhalten. Dieses sei am Montagmorgen an die Fachstelle Raubtierökologie und Wildtiermanagement zur fachlichen Beurteilung weitergeleitet worden.

Tenor: Es ist unklar, ob es sich beim Tier im Video tatsächlich um einen Wolf handelt. Also kein Alarm. Das Video kommt in die Kategorie drei. Schmidhauser erklärt: «In die Kategorie drei kommen sämtliche nicht überprüfte Riss-, Spuren- und Kotfunde. Sowie alle nicht überprüfbaren Hinweise wie Lautäusserungen und Sichtbeobachtungen. Wir bekommen ab und zu Bilder und Videos zugesandt.»

«Habt Freude an dieser speziellen Begegnung.»

Albin Schmidhauser, Leiter Amt für Wald und Wild Kanton Zug

Diese seien nicht sonderlich hilfreich, denn anhand solcher Aufnahmen sei selten feststellbar, ob es sich tatsächlich um einen Wolf handelt. Man bräuchte schon die Koordinaten und den genauen Zeitpunkt, um vor Ort Spuren oder Kot sicherstellen zu können. Weiterer Grund für den fehlenden Alarm: In dieser Jahreszeit sind nicht mehr viele Weidetiere im Freien und die Halter von Kleinwiederkäuern wüssten ihre Tiere vor Grossraubtieren zu schützen.

Die Täter waren Füchse

Schon hilfreicher sind Nachweise aus der Kategorie zwei. Diese betrifft Sichtungen und Aufnahmen durch Experten – sowie durch einen Biologen im Mai dieses Jahres im Gebiet Bostadel in Menzingen (zentralplus berichtete). Dies ist bis heute die einzige gesicherte Aufnahme eines Wolfs im Kanton Zug. Diese erstmalige Sichtung eines Wolfs löste den Wolfsalarm aus.

Dieses Foto konnte der Biologe Beat von Wyl vom Wolf machen.

Dieses Foto konnte der Biologe Beat von Wyl vom Wolf machen.

(Bild: zVg)

Die erste Kategorie betrifft gesicherte Nachweise des Wolfes wie ein totes Tier oder Kot. Doch auch bei Wolfskot mache laut Schmidhauser ein Alarm keinen Sinn. Denn die genetische Analyse dazu dauert rund drei Wochen.

«Bei einem Riss würde es anders aussehen – sofern dieser einem Wolf zugeschrieben werden kann», so Schmidhauser. Freilich sei dies im Kanton Zug bislang noch nicht vorgekommen, obwohl einmal ein Verdacht bestand. Doch es stellte sich heraus, dass Füchse die Täter waren.

Lieber Spuren als Bilder

Der Nachweis eines Wolfes ist auch schwierig, da beispielsweise Speichel, der für eine genetische Analyse benötigt wird, vom Regen leicht verwischt wird. Im Schnee bestünde die Möglichkeit, die Spuren zu untersuchen, falls die exakte Stelle gemeldet wird. Doch auch hier muss es schnell gehen, um die sogenannten Trittsiegel, also die Pfotenabdrücke, auszugiessen.

Schmidhauser ist sich bewusst, dass zahlreiche Aufnahmen von möglichen Wölfen im Kanton Zug kursieren. Er sieht dies eher kritisch: «Dies kann auch eine kontraproduktive Wirkung haben, wenn dadurch Ängste geschürt werden.» Generell rät er Leuten, die auf einen Wolf treffen: «Habt Freude an dieser speziellen Begegnung. Bleibt stehen und lasst das Tier weiterziehen.»

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