Tierheim gibt vor Weihnachten keine Tiere ab

Luzernerin findet chinesische Schildkröte im Vierwaldstättersee

Die Luzernerin Zippora Marti fand gemeinsam mit ihrem Freund eine Chinesische Dreikielschildkröte im Vierwaldstättersee.

(Bild: zvg)

Jüngst fand eine Luzernerin eine Schildkröte im Vierwaldstättersee. Es ist kein Einzelfall, tatsächlich werden hierzulande mehr dieser Reptilien gefunden als vermisst. Dass Tiere dennoch immer wieder auch als Weihnachtsgeschenk weitergegeben werden, erstaunt Tierschützer. Ein Luzerner Heim gibt aus diesem Grund vor Weihnachten gar keine Tiere mehr ab.

Nein, in Schweizer Gewässern gibt es keine Chinesischen Dreikielschildkröten. Eigentlich. Dennoch erblickte die Luzernerin Zippora Marti vor einigen Wochen eine solche am Ufer des Vierwaldstättersees. Das kleine Reptil versuchte erfolglos, an Land zu kommen. «Während mein Freund das Tier aus dem Wasser zog, informierte ich mich übers Internet über Schildkröten in unseren Seen», erzählt Marti. «Das Resultat: Da gibt es keine!»

Denn ausser einigen europäischen Sumpfschildkröten, die in der Schweiz wieder angesiedelt wurden, gibt es hierzulande keine freilebenden Schildkröten. Das gefundene Tier wurde vermutlich ausgesetzt. «Ist das nicht traurig?», fragt Marti. Nach zahlreichen Telefonaten mit Tierschutz, Tierarzt und Spezialisten entschied sich das Paar, das Reptil auf den Namen Lui zu taufen und ihr ein neues Zuhause zu geben.

Mehr Schildkröten gefunden als vermisst

Es ist indes nicht das erste Mal, dass Schildkröten in fremde Gewässer platziert werden. Bereits im Luzerner Gütschweiher wurden Nordamerikanische Buchstaben-Schmuckschildkröten ausgesetzt (zentralplus berichtete). Aber auch Katzen werden gedankenlos ausgesetzt, Fische das Klo runtergespült. Ob überfordert, zu teuer oder schlichtweg keine Lust mehr: Die Gründe bleiben oftmals schleierhaft, die Aktionen grausam und kaltherzig.

Alleine für den Kanton Luzern erhielt die Schweizerische Tiermeldezentrale (STMZ) im laufenden Jahr rund 1000, gesamtschweizerisch über 24’000 Meldungen vermisster und aufgefundener Tiere. Bei rund einem Drittel handle es sich um gefundene Lebewesen. Wie viele davon ausgesetzt oder bloss weggelaufen sind, kann Bernadette Christen, Geschäftsführerin der STMZ nicht beziffern. Zum Fall des gefundenen Reptils von Zippora Marti sagt sie jedoch: «Wir erhalten bei Schildkröten mehr Fund- als Vermisstmeldungen.»

Die ausgesetzte Schildkröte heisst nun «Lui», hat ein eigenes Aquarium und hat bei Zippora Marti ein neues Zuhause gefunden.

Die ausgesetzte Schildkröte heisst nun «Lui», hat ein eigenes Aquarium und hat bei Zippora Marti ein neues Zuhause gefunden.

(Bild: ida)

Tier vor die Tür stellen – um Kosten zu sparen

Gerade auch für Katzenbesitzer sei es einfach, das Tier loszuwerden, sobald es unerwünscht sei, erklärt Petra Roos, Betriebsleiterin des Tierheims an der Ron in Root. 170 Katzen, 140 Kleintiere und 62 Hunde: Das ist die Bilanz der Tiere, die das Tierheim im laufenden Jahr aufgenommen hat. Auch bei der STMZ steht die Katze an der Spitze: Mehr als 85 Prozent aller vermissten und gefundenen Tiere, die der STMZ gemeldet wurden, sind Katzen.

«Es ist praktisch unmöglich, den Besitzer eines ausgesetzten Tiers ausfindig zu machen», sagt Roos. Und jedes Tier, das nicht gechippt ist, kann relativ simpel ausgesetzt werden – ohne dass der Besitzer mit Konsequenzen rechnen muss. Kann dieser dennoch ausfindig gemacht werden, droht eine saftige Busse. Denn gemäss dem Schweizerischen Tierschutzgesetz ist das Aussetzen eines Tieres Tierquälerei. Handelt der Täter vorsätzlich, kann er mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen bestraft werden.

Einige würden gar versuchen zu vertuschen, dass ihr Tier ihnen zur Last gefallen sei, sagt Roos. Sie vermutet, dass – wenn auch nur sehr wenige – Besitzer ihre eigene Katze ins Tierheim gebracht hätten, unter dem Vorwand, dass sie das Tier gefunden hätten. Denn ein Verzichtstier kostet, nicht aber ein Findeltier. «Auffällig ist es, wenn jemand besonders viel über das gefundene Tier weiss», so Roos.

Chip-Pflicht nicht nur für den Hund?

Ganz anders sehen die Zahlen bei den aufgenommen Hunden des Tierheims aus. Zwölf der 13 gefundenen Hunde seien entlaufen. Dank dem Chip konnten diese an ihre früheren Besitzer zurückgegeben werden. Diese Diskrepanz zwischen Hund und Katze sei offensichtlich, so Roos. Deswegen stellt sie eine klare Forderung: «Nicht nur für Hunde, sondern auch für Katzen soll eine Chippflicht gelten.» Künftig soll dadurch unter anderem verhindert werden, dass Vierbeiner gedankenlos ausgesetzt werden.

«Eine Chippflicht würde die Anzahl ausgesetzter Tiere deutlich verringern.»

Bernadette Christen, Geschäftsführerin Schweizerische Tiermeldezentrale

Bernadette Christen von der Schweizerischen Tiermeldezentrale ist diesbezüglich zurückhaltender. «Dass es eine Pflicht braucht, möchte ich so nicht sagen. Eine Chippflicht würde die Anzahl ausgesetzter Tiere jedoch deutlich verringern.» Sie selbst habe es schon erlebt, dass zwischen zwei Menschen ein Streit wegen einer Katze entfacht sei: «Beide behaupteten, es sei ihre Katze», so Christen. Auch in solchen Fällen würde ein Chip Klarheit schaffen.

Keine Tiervermittlung vor Heiligabend

Der finanzielle Aspekt, ein Tier eher auszusetzen, statt es ins Tierheim zu bringen, ist jedoch nur die eine Seite. «Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen, fällt oftmals nicht leicht», sagt Petra Roos. Es sei Aufgabe eines jeden, sich vor und nicht erst nach dem Kauf eines Tieres über Aufwand und Kosten zu informieren.

«Ein Tier gehört nicht unter den Weihnachtsbaum.»

Petra Roos, Betriebsleiterin Tierheim an der Ron

Um zu vermeiden, dass ein Tier als Spontankauf oder Impulsivgeschenk zu Weihnachten verschenkt wird, verzichtet das Tierheim an der Ron bereits ab einer Woche vor Heiligabend, Tiere zu vermitteln. Denn: «Ein Tier gehört nicht unter den Weihnachtsbaum», stellt Roos klar. Ein Tier ist keine Ware, lässt sich so einfach nicht umtauschen. Ein Tier braucht Zeit und Liebe und es braucht Verantwortung.

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