Geschäft läuft nicht an allen Ständen wie erhofft

Luzerner Weihnachtsmarkt: Der Neid auf die Glühweinstände wächst

Luzerner Weihnachtsmarkt auf dem Franziskanerplatz.

Verschiedene Stände laden aktuell auf dem Luzerner Franziskanerplatz zum weihnachtlichen Einkauf. Neben den lukrativen Glühwein- und Essensständen bangen andere Stände um Einnahmen.

Spätestens mit dem Einzug des Weihnachtsmarktes auf dem Luzerner Franziskanerplatz ist die Weihnachtsstimmung in der Stadt Luzern angekommen. Denn nicht nur die Altstadt und Seebrücke erstrahlen im Weihnachtsgewand, auch der Franziskanerplatz kleidet sich mit bunten Ständen. Verschiedene Angebote laden zu gemütlichem Bummeln, Shoppen und Glühweintrinken.

Besonders der Glühwein scheint ein Dauerbrenner. Sätze wie «Gömmer e Glüehwii go hole?» hört man immer wieder, hält man sich einige Minuten auf dem Franziskanerplatz auf. Und tatsächlich gönnen sich viele, auch unter der Woche, einen Glühwein oder Punsch. Weit gehen muss man dafür nicht, fünf Stände bieten das beliebte Heissgetränk an.

Und das kommt nicht von ungefähr: Die Glühwein- oder Punschstände gehören zu den umsatz- und renditestärksten Produkten an den Weihnachtsmärkten. Dessen sind sich Organisatoren und Standbetreiber längst bewusst und sahnen oft zünftige Beträge von den Glühweinständen ab.

Zürcher Konzept noch nicht auf dem «Lozärner Wiehnachtsmärt»

Beispielhaft hier: der Zürcher «Christkindlimarkt» am Hauptbahnhof. Dort dürfen inzwischen nur doch die Organisatoren selbst alkoholhaltige Heissgetränke verkaufen. Auch bei anderen Standorten von Weihnachtsmärkten in Zürich monopolisiert der Organisator, konkret die Eventfirma CP9, zunehmend und macht damit ordentlich Geld.

Am Luzerner Weihnachtsmarkt auf dem Franziskanerplatz sieht die Lage etwas anders aus. Hier ist nicht wie beim Beispiel Zürich ein Unternehmen, sondern eine Interessengemeinschaft Organisatorin des Marktes. Die IG Luzerner Herbstmesse und Märkte (LHMM) organisiert seit 2006 den Weihnachtsmarkt auf dem Franziskanerplatz, betreibt selber jedoch keine Stände.

Die IG ist eine Non-Profit-Institution. Gemäss ihren Kernaufgaben setzt sie sich seit 1972 für die Interessen des Marktgewerbes ein. «Die Standmieter bezahlen abhängig der Grösse ein Platzgeld plus Nebenkosten. Abgaben vom Gewinn müssen keine geleistet werden», sagt Aerny Bucher, Präsident der IG LHMM auf Anfrage. Die Standmieter bezahlen bei seinem Markt für einen Drei-Meter-Stand rund 2’000 Franken. Für einen grossen Stand sind die Gebühren rund doppelt so hoch.

Weihnachtsmarkt wird mit der Herbstmesse finanziert

Essens- und Getränkestände zahlen dabei mehr als sonstige Stände. Helmuth Achermann des Vorstandes IG LHMM betreibt selbst einen Stand: «Für unseren Waffeln- und Glühweinstand zahlen wir ungefähr 8’000 Franken Miete. Darin enthalten sind Nebenkosten wie Wasser und Sanitäranlagen», sagt Achermann. Das sei verhältnismässig günstig, meint er. In Zürich zahle man für einen kleinen Seifenstand bereits 7’000 Franken Miete und muss zusätzlich Teile des Umsatzes an die Organisatoren abgeben.

«Mit dem Weihnachtsmarkt laufen wir jedes Jahr in ein kleines Defizit»

Helmuth Achermann, Organisationskomitee «Lozärner Wiehnachtsmärt»

Das ist auf dem Luzerner Franziskanerplatz anders. Hier scheint es tatsächlich nicht ums reine Geschäft zu gehen. «Mit dem Weihnachtsmarkt laufen wir jedes Jahr sogar in ein kleines Defizit, das jedoch zunehmend kleiner wird. Dieses Defizit wird unter anderem durch die Tombola an der Luzerner Herbstmesse gegenfinanziert», sagt Achermann. Für Achermann kein Muss: «Uns ist es wichtig, dass weiterhin verschiedene Stände hier am Weihnachtsmarkt sehen können, die für uns vielleicht weniger lukrativ sind. Es soll ja hier kein Food-Festival entstehen.»

«Die Glühweinrezepte sind geheimer als der Appenzeller Käse.»

Helmuth Achermann

Welchen Umsatz er mit seinem Stand erziehlt, will er jedoch nicht preisgeben. Und auch was genau in dem dunkelroten Gebräu drinsteckt, will niemand verraten. «Glühwein ist das Weihnachtsprodukt schlechthin. Hier ist er an jedem Stand ein anderer, nicht wie an den Märkten, wo die Organisatoren die Glühweinstände betreiben wie in Zürich. Die jeweiligen Rezepte hier sind geheimer als der Appenzeller Käse», so Achermann.

Jonas Vitkevice verkauft bereits seit vier Jahren auf dem Luzerner Weihnachtsmarkt seinen Schmuck.

Jonas Vitkevice verkauft bereits seit vier Jahren auf dem Luzerner Weihnachtsmarkt seinen Schmuck.

(Bild: sah)

Funktioniert es auch ohne Glühwein?

Befindet man sich vor Ort am Franziskanerplatz, fragt man sich jedoch bei einigen Ständen, ob das Geschäft aufgeht. So zum Beispiel bei einem kleinen, unauffällig dekorierten Schmuckstand. Dahinter sitzt Jonas Vitkevice, er ist ursprünglich aus Litauen und steht bereits seit vier Jahren zur Weihnachtszeit zusammen mit seiner Frau hinter seinem Stand in Luzern.

Seine Geschäfte laufen dieses Jahr, wie auch in den vergangenen Jahren, nicht sehr gut. «Es kommen viele Touristen aus Italien hierher, aber die haben nicht viel Geld und kaufen wenig.» Schweizer kaufen eher wenig Schmuck, meint Vitkevice zusätzlich und fügt hinzu: «Die sind alle am Glühwein-Trinken.» Ob er nächstes Jahr gemeinsam mit seiner Frau wieder den Stand mieten wird, ist für ihn noch unklar. Dafür müssen für sie die Einnahmen stimmen.

«Das Geschäft läuft beschissen.»

Eva Imholz, Standmieterin

«Das Geschäft läuft beschissen», meint Eva Imholz etwas unverblümter. Sie verkauft an ihrem Stand Hüte, Socken, Portemonnaies und Gürtel. «In der ersten Woche machen wir jeweils am meisten Umsatz. Da kommen viele Touristen aus Frankreich und Italien. Etwas später dann sind es nur noch Schweizer oder englische Touristen. Die geben weniger Geld aus.» Aber selbst bei der angebrochenen ersten Woche sei bei diesem nassen und eher warmen Wetter nichts zu machen. «Die Umstände mit dem Wetter sind tödlich fürs Geschäft», meint Imholz.

Sie kritisiert neben dem Wetter vor allem die «Geldgeneratoren» in Form von Glühweinständen: «Die Glühweinstände sind riesige Gewinnmaschinen. Auf Glühwein ist eine 95-Prozent-Gewinnmarge, das findet man sonst nirgends», sagt die gebürtige Zürcherin. Sie ist auf die Einnahmen aus ihrem Weihnachtsstand angewiesen, sieht jedoch im Moment noch schwarz. Hier in Luzern sei es jedoch noch einigermassen fair, meint auch sie und referiert auf die Situation in Zürich.

Erica Gabriel verkauf seit mehreren Jahren Kerzen, Holzschnitte, Badeutensilien und Schlüsselanhänger am Weihnachtsmarkt auf dem Franziskanerplatz

Erica Gabriel verkauf seit mehreren Jahren Kerzen, Holzschnitte, Badeutensilien und Schlüsselanhänger am Weihnachtsmarkt auf dem Franziskanerplatz

(Bild: sah)

Auch Erica Gabriel, die gleich den ersten Stand Richtung Reuss bedient, meint einen klaren Trend in Richtung Glühwein-Trinken erkennen zu können. Doch bei ihr laufen die Geschäfte trotzdem nicht allzu schlecht: «Die Leute geben zwar gerne Geld aus, aber nicht mehr so viel wie auch schon.» An ihrem relativ grossen Stand gibt es viele Kleinigkeiten im Angebot. Von Kerzen über kleine Holzschnitte, Badeutensilien bis hin zu Schlüsselanhängern. «Die Vielfalt macht es aus. Wir haben hier viele verschiedene Dinge, deshalb ist immer etwas los.»

Ihr Geheimrezept ist simpel: «Was auffällt, wird gekauft. Der Blickfang ist entscheidend.» Deshalb verkaufen sich besonders die Baderosen und die grossen Badekugeln sehr gut. «Für einen ‹Fünfliber› kann man damit jemanden beschenken», so Gabriel. Tatsächlich finden sich während dem Gespräch einige Familien vor dem Stand ein, welche die farbigen Badekugeln bestaunen.

«Die Jahre 2015/2016 sind sensationell gelaufen, das letzte und dieses Jahr bisher mässig», so Gabriel. Was die Ursache dafür ist, könne sie nicht sagen, das Wetter sei aber mitentscheidend.

«Indie Mike» verkauft an dem Stand auf dem Luzerner Franziskanerplatz Tierfelle, Messer, Socken und Handschuhe

«Indie Mike» verkauft an dem Stand auf dem Luzerner Franziskanerplatz Tierfelle, Messer, Socken und Handschuhe

(Bild: sah)

Nicht viel weiter, inmitten von Wurst- und Glühweinständen ist der Blickfang auf eine etwas andere Art umgesetzt beziehungsweise personifiziert. Das Augenmerk kommt nicht umhin, auf den Stand mit vielen Tierfellen und Messern zu fallen.

Indie-Mike – «man weiss schon, von wem die Rede ist»

Hinter dem Stand befindet sich «Indie-Mike», wie sich der über 50-Jährige selber nennt. Seinen richtigen Namen will er nicht nennen. «Aber man weiss schon, von wem die Rede ist», meint er – und lässt mit seinem exzentrischen Aussehen auch keinen Zweifel daran. Mit seinem Hut und der Lederweste fügt er sich perfekt in die braungrauen Produkte seines Standes ein.

Indie-Mike verkauft neben Socken und Handschuhen vor allem auch Messer und verschiedene Tierfelle. Zwar ist er nicht der Besitzer der Ware, aber er hilft schon einige Jahre beim Auf- und Abbau und unterstützt auch beim Verkauf.

Bei ihm sei diese Saison nicht schlecht gestartet: «Bisher habe ich sogar ein paar teurere Felle verkaufen können.» Aber so richtig in Fahrt gekommen seien die Leute noch nicht: «Wenn es wenigstens schneien würde, wären die Leute auch in Weihnachtsstimmung. Aber bei diesen Temperaturen denken alle noch an Herbst.»

Was die Konkurrenz mit Glühwein für Gewinne erzielt, interessiere ihn wenig. Normalerweise sei er auf Mittelaltermärkten unterwegs, laut ihm sei dies ein deutlich härteres Pflaster als der Weihnachtsmarkt in Luzern.

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