Töngi beklagt Bahnkomfort aus letztem Jahrtausend

Luzerner Nationalrat läuft mit SBB-Kritik beim Bundesrat auf

Auch Grüne lieben Komfort: Michael Töngi freut sich auf die neuen Doppelstöcker, die ab 9. Dezember nach Zürich fahren.

(Bild: zvg / Montage hae)

Luzerner Bahnfahrer sind sauer: Sie bezahlen Tausende von Franken für ihre Generalabos – und müssen derzeit immer wieder in alten Waggons aus dem letzten Jahrtausend nach Zürich fahren. Selbst der Grüne Nationalrat Michael Töngi beklagte sich beim Bundesrat, erhielt aber eine Abfuhr.

Meist geschieht es an Wochenenden: Die Bahnverantwortlichen lassen alte Züge von Luzern nach Zürich fahren: ohne Klimaanlage und kaum Komfort, es sind Waggons mit uralten Toiletten und oft durchgesessenen Polstern.

In solchen mussten viele Pendler auch in den letzten Monaten immer mal wieder von Luzern nach Zürich fahren. Einer davon ist der Grüne Nationalrat Michael Töngi, passionierter Velofahrer und vor allem ÖVler. «Diesen Herbst fuhr ich mehrmals in einer S-Bahn die Interregio-Direktlinie von Luzern nach Zürich. Es hatte weniger Platz, viele Reisende mussten stehen.»

«Ich habe erlebt, dass es kein einziges funktionierendes WC im Zug hatte.»

Michael Töngi, Grünen-Nationalrat

Töngi, ausserdem Mitglied der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen, ist sauer: «Zum Teil sind diese Ersatzzüge nicht klimatisiert, sie sind ohne Veloabteile und haben zu wenige WCs für den Fernverkehr. Ich habe erlebt, dass es kein einziges funktionierendes WC im Zug hatte.»

Nicht nur Nationalrat, sondern auch begeisterter SBB-Fahrer: Michael Töngi vor dem Bahnhof Luzern.

Nicht nur Nationalrat, sondern auch begeisterter SBB-Fahrer: Michael Töngi vor dem Bahnhof Luzern.

(Bild: Jutta Vogel)

Kurzerhand reichte der seit bald einem Jahr tätige Luzerner Nationalrat eine Anfrage an den Bundesrat ein. Töngi erhielt vom zuständigen eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK Antwort. Darin heisst es, der Bundesrat fühle sich als «Vertreter des Eigners» der SBB, aber greife nicht in operative Fragen ein, wie eben der Einsatz von Ersatzzügen einer sei.

«Probleme werden von der SBB immer wieder schöngeredet.»

Karin Blättler, Präsidentin Pro Bahn Zentralschweiz

Von diesem Komfort-Missstand hat Karin Blättler, Präsidentin Pro Bahn Zentralschweiz, noch nichts gehört. «Aber ich finde das nicht gut, wenn das so ist», sagt die Chefin der Luzerner Interessenvertretung der Kundinnen und Kunden im öffentlichen Verkehr. Es werden laut Blättler von der SBB immer wieder «Probleme schöngeredet». Apropos Schönreden: Tatsächlich wendet sich der Bundesrat im Schreiben an Töngi: «Die SBB setzt auf Fernverkehrslinien grundsätzlich passendes Rollmaterial ein.»

Wenig Komfort: Die alten S-Bahnen sind oft ohne funktionierendes WC.

Wenig Komfort: Die alten S-Bahnen sind oft ohne funktionierendes WC.

(Bild: Screenshot SRF)

Leicht säuerlich reagierte auch die SBB-Medienstelle in Bern auf einen Fragenkatalog: «Wer die Bahn nutzt, weiss, dass dann und wann ersatzweise ein Ersatzzug zum Einsatz kommt», schreibt Mediensprecher Daniele Pallecchi. Der bundesrätlichen Antwort habe die SBB nichts hinzuzufügen.

Ab 9. Dezember neue Doppelstockzüge

Immerhin wird von der SBB darauf verwiesen, dass ab dem Fahrplanwechsel am 9. Dezember der neue Fernverkehrs-Doppelstockzüge «FV-Dosto» in Betrieb genommen werden. Endlich, könnte man sagen. Denn eigentlich hätten die ersten Kompositionen bereits 2013 geliefert werden sollen. Aufgrund von technischen Mängeln kam es jedoch immer wieder zu Verzögerungen.

Auf der Bahn-Website heisst es über den neuen «FV-Dosto»-Zug: «Er sorgt mit bis zu 1300 Sitzplätzen für mehr Kapazität auf stark frequentierten Linien. Der Zug verfügt über eine helle und grosszügige Innenausstattung, Steckdosen an jedem Sitzplatz in der 1. und 2. Klasse, rollstuhlgängige Abteile und Toiletten, WCs mit Wickeltischen sowie Kinderwagen- und Veloplätze über den Zug verteilt. Die Intercity-Ausführung verfügt zudem über einen Familien- und Speisewagen.»

«In Fernverkehrszügen soll es nicht normal werden, dass Leute stehen müssen.»

Michael Töngi

Nicht zufrieden ist Grünen-Nationalrat Töngi, der sagt, dieser Einsatz von minderwertigem S-Bahn-Rollmaterial sei an den Wochenenden schon fast Normalität gewesen. Ist das nicht Jammern auf sehr hohem Niveau? Michael Töngi dazu: «In Fernverkehrszügen soll es nicht normal werden, dass Leute stehen müssen oder keine Fahrräder transportiert werden können, weil schlicht alles überfüllt ist. Das darf nicht Standard werden.»

Könnte wohl bald auf seinen knatschroten Traktor umsteigen: der Krienser Michael Töngi.

Könnte wohl bald auf seinen knatschroten Traktor umsteigen: der Krienser Michael Töngi.

(Bild: hae)

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Markus
    Markus, 10.11.2019, 10:46 Uhr

    Die Idee vom ÖV ist gut, die Umsetzung mit der SBB an der Spitze eine Katastrophe. Die Preise sind für viele unbezahlbar. ÖV sollte erschwinglich sein und günstiger als das Auto. Wenn man es sich trotzdem leistet, mit der SBB zu Reisen, sollte ein minimum an Komfort vorhanden sein. Zugemüllte Wagen, alle Toiletten geschlossen etc sind Standard. Klima defekt oder nicht vorhandem usw. Die SBB hat einen Auftrag vom Bund, den öffentlichen Transport sicher zu stellen. Einige Linien fahren manchmal einfach nicht… Personalmangel ist die Begründung seitens der SBB. Unglaublich… Wer so arbeitet und begründet sollte vom Bund an die Pflicht erinnert werden. Es gibt weitere EVU in der Schweiz die wesentlich gewissenhafter Arbeiten und weitere Strecken bedienen möchten. Ich persönlich fahre grundsätzlich nicht mehr mit der SBB. Habe zu viele negative Erfahrungen gemacht, auch mit ausgefallenen Zügen.

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