Luzernerin schneidert nachhaltige Damenunterwäsche

«Ich möchte nicht länger in langweiligen Biobaumwollhöschen rumlaufen»

«Irgendwann habe ich realisiert, dass ich aufhören möchte, bloss darüber nachzudenken – und endlich selber anpacken möchte», sagt Zippora Marti.

Seit exakt 331 Tagen trägt sie dasselbe Kleid. Sie lebt Minimalismus und einen nachhaltigen Lebensstil vor. Jetzt gründet die Luzernerin Zippora Marti ihr eigenes Damenunterwäschelabel. Denn sie hat biedere Biobaumwollhöschen satt.

«Gerade gestern habe ich gedacht, wie schön das Kleid doch ist und mich gefragt, weshalb ich mit dem Projekt aufhöre», sagt Zippora Marti. Seit dem 1. Januar trägt sie jeden Tag das gleiche Kleid (zentralplus berichtete). Ein paar Gebrauchsspuren habe es schon abbekommen. «Und die Farbe ist ein wenig verblasst», sagt sie, während sie mit ihrer Hand übers Kleid streift. «Aber ich finde schön, dass es sich verändert hat. Und nun seine eigene Geschichte erzählt.»

Die gebürtige Bernerin sitzt auf ihrem Sofa in ihrem Zuhause in der Stadt Luzern. Da wo sie lebt, schneidert sie zugleich. Gerade hat sie ihr Label für Damenunterwäsche «thoose – thoughts of september» gegründet: Bralettes, Slips und Bodys, die lokal produziert werden und aus nachhaltigen Materialien bestehen. Denn das liegt der 25-Jährigen besonders am Herzen.

«Noch vor drei Monaten hätte ich niemals gedacht, dass ich Lingerie kreieren werde», sagt Marti, während sie ein wenig Zucker in ihren Schwarztee mit Sojamilch gibt.

Keine Biobaumwollhöschen mehr

Zippora Marti möchte nicht mehr länger Kompromisse eingehen. Das Angebot nachhaltiger und hübscher Damenunterwäsche sei quasi inexistent. Und das möchte sie ändern: «Ich möchte nicht länger in langweiligen Biobaumwollhöschen rumlaufen, nur weil die einzige schöne Alternative nicht nachhaltig, geschweige denn lokal ist.»

Um richtig durchstarten zu können, hat Marti ihren Job in der Entwicklung eines Sportbrands an den Nagel gehängt. Vergangene Woche hat sie ein Crowdfunding-Projekt gestartet – unter anderem, um sich eine bessere Nähmaschine finanzieren zu können. Denn bis jetzt näht sie auf derjenigen, die sie von ihrer Grossmutter Ruth geerbt hat. Das Ziel: 15’000 Franken in 90 Tagen.

«Noch während ich mich vor dem Spiegel drehte und betrachtete, realisierte ich, dass ich – so wie ich bin – schön bin. Schöne Unterwäsche half mir dabei.»

Wie Marti erzählt, sei es noch nicht allzu lange her, dass sie einen feinen Stoff über ihren Körper gestreift und die Spitze zurechtgezupft habe. «Noch während ich mich vor dem Spiegel drehte und betrachtete, realisierte ich, dass ich – so wie ich bin – schön bin. Und schöne Unterwäsche hat mir dabei geholfen, mich in meinem Körper wohl zu fühlen.» Zippora Marti möchte einen starken Kontrast gegen das permanente Streben nach Perfektion setzen. Trotz – oder gerade wegen – Rissen, Dellen und Narben, die wohl jeder an seinem Körper hat, sei man schön.

So heisst die neue Lingeriekollektion denn auch «we are our heroes» – zu Deutsch: «Wir sind unsere eigene Heldinnen.» Und jedes Stück hat seinen eigenen Namen. Benannt «nach den Heldinnen unserer Kindheit», wie Marti sagt. So finden sich Jane aus «Tarzan und Jane» wieder, Emilia von «Plötzlich Prinzessin» und Amie, aus «Amy und die Wildgänse», die Gänsejunge aufzieht und mit ihrem Vater einen Flug gen Süden unternimmt. Allesamt starke Frauen, die dazu inspirieren, sich selbst treu zu bleiben und das eigene Leben zu leben.

Der allerallererste Tag Zippora Martis in ihrem 365-Tage-Kleid:

Wäsche, die gezeigt werden darf

«Das Label ‹thoose› ist einfach passiert», sagt Zippora Marti. Die gelernte Schnitttechnikerin näht schon lange. Doch dass ein erster Schnitt und Prototyp auf Anhieb passt, sei schon besonders. Und genau das sei ihr beim Schneidern und Nähen ihres ersten Bodys passiert: «Da wusste ich, dass es das ist, was mir liegt.»

«Ich finde es schade, dass Frauen in Unterwäsche oft als Sexobjekt abgestempelt werden.»

Die aktuelle Kollektion besteht aus fünf Bodys und zwei Sets aus Bralettes und Slips. Die Stücke sind zeitlos und klassisch – aber auch verspielt mit Spitze. Marti sei es wichtig, dass es Unterwäsche ist, die auch gezeigt werden könne. Beispielsweise könne man den Body oder den Bralette so tragen, dass vorne im Ausschnitt etwas davon hervorblitze. Oder ein Rückenausschnitt die Spitze der Unterwäsche präsentiert.

Jede Frau soll für sich entscheiden, ob, wie viel und wem sie was zeigen möchte. «Jane» zum Beispiel: Darunter getragen, gebe dieser Body warm, als Oberteil getragen, verhülle er seriös und sei doch sexy. Denn die 25-Jährige betont: «Ich finde es schade, dass Frauen in Unterwäsche oft als Sexobjekt abgestempelt werden.»

Im Atelier von Zippora Marti.

Im Atelier von Zippora Marti.

(Bild: ida)

Mehr als nur ein Wort

Marti hat viel über ein besseres Leben, eine nachhaltigere Lebensweise nachgedacht und darüber gelesen und geschrieben. «Irgendwann habe ich realisiert, dass ich aufhören möchte, bloss darüber nachzudenken – und endlich selber anpacken möchte.» Marti ist es wichtig, unseren Planeten und seine Schönheit für kommende Generationen zu erhalten.

Dass Ressourcen verschwendet, die Luft verpestet und die Gesellschaft spontane Bedürfnisse kurzfristig befriedigt, ohne darauf zu achten, wer die Kosten dafür trägt, geht ihr gegen den Strich. Sie sieht sich nicht als Vorbild, doch sie freut sich, wenn sie mit ihrem Lebensstil andere inspirieren und zum Nachdenken anregen könne.

Für Zippora Marti ist der Begriff der Nachhaltigkeit mehr als nur ein Begriff – und schon gar kein Trend. «Dieses Wort sollte es meiner Meinung nach auch gar nicht geben», sagt sie. «Eigentlich sollte es doch total normal und selbstverständlich sein.»

Einblicke in die Stücke von «thoose – sustainable lingerie» erhalten Sie in der Bildergalerie:

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