Wie die bis zu 400 Zuger Drogenabhängigen leben

Die unauffällige Zuger Drogenszene

Drogensüchtige könnten zukünftig eine IV-Rente erhalten. (Bild: Sergey Tryapitsyn)

300 bis 400 Drogenabhängige gab es in Zug vor 25 Jahren. Und heute? Wer durch die Stadt schlendert, trifft kaum mehr auf Randständige. Das kürzlich in Oberägeri ausgehobene Crystal-Meth-Labor zeigt jedoch, dass die Drogenszene existiert – wenn auch weniger augenfällig als in früheren Jahren.

Jede Stadt, und mag sie noch so reich sein, hat ihre Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben. So auch Zug. Doch in der 30’000-Einwohner-Stadt ist davon kaum etwas sichtbar. Auch am Bahnhof, in vielen Städten ein Magnet für Randständige, deutet mit Ausnahme von einigen Personen auf dem Perron kaum etwas darauf hin.

Doch war dem schon immer so? Jeder kennt wohl die Bilder vom Zürcher Platzspitz aus den 80er- und von Anfang der 90er-Jahre. Bereits ein paar Wochen nach der Schliessung der weltweit berühmt gewordenen offenen Drogenszene im Februar 1992 reichte Hans Christen (FDP) beim Zuger GGR eine Interpellation ein betreffend Auswirkung der Platzspitz-Schliessung auf die Stadt Zug.

«Übersichtliche Situation in der Kleinstadt Zug»

Fürsorgepräsident Othmar Romer antwortete damals, die anfänglichen Befürchtungen, die Drogensituation in Zug könnte sich mit der Schliessung verschärfen, seien auch rund einen Monat danach nicht eingetroffen. Gemäss Polizeiaussagen sei allerdings die Beschaffungskriminalität, vor allem in Form von Ladendiebstählen, angestiegen. Das bedeute jedoch nicht, dass allein Drogenabhängige dafür verantwortlich seien.

Das städtische Sozialamt habe mit elf drogenabhängigen Personen regelmässigen Kontakt. Allerdings müsse davon ausgegangen werden, dass eine grössere Anzahl Personen Drogen konsumiere, die dem Amt nicht bekannt sei und in der Gesellschaft nicht auffalle. Romer sprach von «einer übersichtlichen Situation in der Kleinstadt Zug».

Bisschen Breaking Bad in der Provinz gefällig?

Bisschen Breaking Bad in der Provinz gefällig?

(Bild: Zuger Polizei)

Er führte weiter aus, dem Fürsorgeamt und der Zuger Stadtpolizei sei bekannt, dass sich auch Zuger Drogenabhängige auf dem Platzspitz aufgehalten hätten. Die Anzahl sei ihnen zwar nicht bekannt, doch sei der Platzspitz sicherlich wichtigster Drogenbeschaffungsort für Zuger Drogenabhängige gewesen.

Annemarie Csomor hingegen spricht von vier Zugern, die auf dem Platzspitz gelebt hätten – plus Dunkelziffer. Urs Rebmann, damals zuständiger Arzt für Methadonanträge im Kanton Zug, schätzte die Zahl der Drogenabhängigen auf 300 bis 400. Davon 120 bis 130 in der Stadt Zug, wie Romer ergänzte.

Heute halb so viele Drogenabhängige wie vor 25 Jahren

Eine (offene) Drogenszene existierte also bereits Anfang der 90er nicht in Zug – und tut es auch heute nicht. «Nein, eine eigentliche Szene gibt es im Kanton Zug nicht», sagt Judith Aklin, Kommunikationsverantwortliche der Zuger Polizei. Betäubungsmittel würden indes selbstverständlich auch im Raum Zug konsumiert.

«Das ausgehobene Crystal-Meth-Labor in Oberägeri stellt im Kanton Zug bisher eine Ausnahme dar.»

Judith Aklin, Kommunikationsverantwortliche Zuger Polizei

Trotzdem ist die Situation nicht mit damals vergleichbar. Dies belegen nur schon die Zahlen der Zuger Gesundheitsdirektion: Im Vergleich zu den 300 bis 400 Drogenabhängigen vor 25 Jahren seien es heute rund 150. Dabei eingerechnet sind jedoch nur Personen, die harte Drogen konsumieren und einen problematischen Konsum aufweisen. Nicht enthalten sind Konsumenten von Cannabis, Partydrogen und Kokain, die sozial integriert und nicht auffällig sind. Diesbezüglich gebe es für den Kanton Zug keine spezifischen Zahlen.

Marihuana thront einsam an der Spitze

Auch, was die Art der konsumierten Drogen anbelangt, haben sich die Trends geändert. Schon seit geraumer Zeit sei Marihuana die meistkonsumierte Droge, so Aklin. Oliver Weber ist Betriebsleiter der «Hegebe Zopa», einer ambulanten Suchthilfe-Institution im Kanton. Er sagt zur Entwicklung der konsumierten Drogen in den vergangenen zwei Jahrzehnten: «Der Drogenkonsum hat sich im Laufe der Zeit verändert. Sicher werden heute mehr synthetische Drogen konsumiert. Konjunktur haben aufputschende Substanzen wie Kokain, Ecstasy, Speed und weniger bekannte Stimulanzien.»

Das Spritzen von Heroin dagegen sei unter den Konsumenten rückläufig. Heroin werde aber geraucht oder gesnifft. Die Zahl der Konsumenten dürfte insgesamt nicht weniger geworden sein. Sozial seien sie jedoch unauffälliger, so Weber.

Dieses Bild widerspiegelt sich auch in Bezug auf die durch die Zuger Polizei sichergestellten Drogen im vergangenen Jahr: Mit fünf Kilogramm war Marihuana Spitzenreiter, gefolgt von Heroin (950 Gramm), Kokain (200 Gramm) und Ecstasy (530 Tabletten).

«Aussergewöhnlich waren die 30 Kilogramm Heroin, die wir im Sommer 2013 beschlagnahmen konnten. Auch das ausgehobene Crystal-Meth-Labor in Oberägeri stellt im Kanton Zug bisher eine Ausnahme dar», sagt Aklin (zentralplus berichtete). Es zeige aber, dass Betäubungsmitteldelikte oft auch in privaten Räumlichkeiten und an Orten begangen würden, an denen man es nicht unbedingt vermuten würde.

30 Kilo Heroin: Die Zuger Polizei hat im August in Cham die grösste je im Kanton Zug ermittelte Menge an Drogen sichergestellt.

30 Kilo Heroin: Die Zuger Polizei hat im August 2013 in Cham die grösste je im Kanton Zug ermittelte Menge an Drogen sichergestellt.

(Bild: zvg)

Hotspots wandern kaum

Wenn es um Brennpunkte geht, scheint trotz Bevölkerungswachstum Stagnation angesagt zu sein: «In den vergangenen Jahren ergab sich keine grundlegende Veränderung der sogenannten Hotspots, wo sich Randständige, aber auch Drogenkonsumenten beziehungsweise -dealer aufhalten. Hotspots zeichnen sich meistens durch gute geografische oder gute Infrastrukturen aus, welche eine Vielzahl an Personen anziehen», sagt Judith Aklin.

«Unser Angebot wird gut genutzt, jedoch werden wir auch nicht überrannt.»

Martin Keller, Leiter Gastschiff Yellow

Dies könnten beispielsweise Bahnhöfe, Treffpunkte oder Park- und Seeanlagen sein. Deswegen änderten sich diese in der Regel kaum. Es könne aber sein, dass sie wegen der Jahreszeiten unterschiedlich frequentiert würden. Um welche Hotspots es sich konkret handelt, darüber hält man sich nicht nur bei der Zuger Polizei bedeckt, sondern auch bei der Zuger Gassenarbeit. Man fürchte mögliche Repressionen gegen die betroffenen Personen.

Oliver Weber teilt die Meinung einer Stagnation nicht vollumfänglich: «Sicher gibt es immer neue Treffpunkte, ohne dass sich eine auffällige ‹Szene› etabliert. Bahnhöfe sind immer beliebt; speziell im Sommer auch andere Plätze.»

Laut Podium-41-Gründer Marco Kunz seien früher Spunten wie der Widder oder die Platzmühle Orte gewesen, wo sich Randständige getroffen hätten, auch wenn sie sich nicht als solche gesehen hätten. Später gab es eine Verschiebung in Richtung Podium 41, das damals noch Chaos hiess (zentralplus berichtete).

Das Podium 41 ist Zielscheibe des überparteilichen Komitees «Nein zur offenen Drogenszene im Podium 41».

Das Podium 41 ist Zielscheibe des überparteilichen Komitees «Nein zur offenen Drogenszene im Podium 41».

(Bild: mbe.)

Konstanz auf dem Gastschiff Yellow

Auf dem Gastschiff Yellow, der GGZ@Work-Mittagsbeiz, erhalten Inhaber einer Bezugskarte Mittagsmenüs für fünf Franken. Das Team der Mittagsbeiz steht Gästen zudem für Erstauskünfte und -beratung bei der Bewältigung von Alltagsproblemen zur Verfügung. Die Zahl der Personen, die dieses Angebot nutzen, sei in den letzten Jahren relativ konstant geblieben, lässt Yellow-Leiter Martin Keller verlauten.

«Unser Angebot ist gut austariert. Es wird gut genutzt, jedoch werden wir auch nicht überrannt», so Keller, der seit 13 Jahren für die GGZ arbeitet. Die Nachfrage habe in dieser Zeit keine grossen Ausschläge erlebt. «Wir hatten jedoch eine Zeit lang sehr viele Asylbewerber bei uns, was nicht unserer primären Zielgruppe entspricht.»

Keller ist der Meinung, dass Suchtmittelkonsumenten eher in Ruhe gelassen werden von der Polizei. «Wenn aber beispielsweise am Bahnhof eine offene Drogenszene entstehen sollte, würde bestimmt reagiert werden.» Diese Aussage wird unterstützt durch Aklin: «Wir richten unseren Fokus primär auf den Handel von Drogen.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Andy
    Andy, 08.08.2019, 23:39 Uhr

    Aber die haben doch auch ein Heroin Programm . Soviel ich weiss.

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