Luzerner Taxifahrer erzählen von kuriosen Fahrten

Die Prostituierte mit dem intimen Geheimfach

Mehr als Helden der Nacht: Luzerner Taxifahrer.

(Bild: ida)

Wer in Luzern nach Helden der Nacht sucht, kommt an ihnen nicht vorbei: Taxifahrer. Immer wieder treffen sie auf geheimnisvolle und unvergessliche Gestalten. Ein Taxifahrer lernte, dass Prostituierte ihr Geld an einem besonders intimen Ort aufbewahren. Ein anderer verhalf einem Mann gar zur Flucht.

Eine Prostituierte, die eine 200er-Note aus einem schleierhaften Ort ihres Körpers hervorzaubert, ein verwirrter Mann, der auf der Flucht ist. Inder, die von der «geilsten Autofahrt» ihres Lebens schwärmen und ein Junge im Rollstuhl, der mit seiner humorvollen Art das Herz eines anderen berührte.

Taxifahrer befördern längst nicht nur Menschen von einem Ort zum anderen. Sie treffen auf unterschiedlichste Personen und knüpfen interessante Bekanntschaften.

zentralplus hat drei langjährige Taxifahrer in einer ruhigen Minute am Luzerner Bahnhofsplatz getroffen und ihren lustigsten und schönsten Geschichten zugehört.

Der Ausgebrochene aus dem Betagtenzentrum

Rey Herbert (64) nahm vom Luzerner Bahnhof einmal einen gepflegten, unscheinbaren und älteren Herrn auf – und half ihm bei seiner Flucht.

«Der Mann schien ein wenig verwahrlost zu sein. Denn er wusste nicht, wo er hinfahren wollte. Als der Mann einstieg, konnte er nicht einmal die ungefähre Fahrtrichtung angeben.

Die Polizei sagte: ‹Ach so, der Herr Hungerbühler ist mal wieder vom Betagtenzentrum Eichhof ausgebrochen.›

Rey Herbert, Luzerner Taxifahrer

Ziellos fuhren wir herum, bis ich die Polizei anrief. Ich wusste nicht, wie ich dem älteren Mann weiterhelfen konnte. Die Polizei sagte: ‹Ach so, der Herr Hungerbühler* ist mal wieder vom Betagtenzentrum Eichhof ausgebrochen.› Der Fahrgast litt an starker Demenz – was ich auf den ersten Blick nicht gedacht hätte.

Dieses Erlebnis bringt mich zugleich zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken. Dieses Erlebnis ist mir eingefahren, das werde ich wohl nie vergessen.»

Woher die Prostituierte wohl ihr Nötchen zauberte …

Sejfudin Causevic muss nicht lange überlegen, welcher Fahrgast ihm besonders in Erinnerung geblieben ist.

«Auf der Baselstrasse winkte mich eine Dame in einem weissen Kleid und hohen Stöckelschuhen zu sich. Sie war Mitte 50 und arbeitete im horizontalen Gewerbe. Sie wollte vom Kreuzstutz bis zum Grenzweg fahren – nicht einmal 200 Meter. Die Frau erzählte, dass ihre Füsse schmerzten und bereits der nächste Termin mit einem Freier nahte. Ich erkundigte mich bei ihr, ob sie einen guten Abend gehabt habe. Sie bejahte, denn sie hatte gerade ein besonders gutes Geschäft hinter sich.

Ich nahm während der ganzen Fahrt einen komischen Geruch wahr – leicht nach Fisch. Wie, wenn sich jemand untenrum nicht gewaschen hat.

Sejfudin Causevic, Luzerner Taxifahrer

Ich nahm während der ganzen Fahrt einen komischen und penetranten Geruch wahr – leicht nach Fisch. Wie, wenn sich jemand untenrum nicht gewaschen hat. Die Prostituierte bezahlte mit einer 200er-Note, gab grosszügig Trinkgeld und stieg aus.

Sie muss das Geld wohl in ihrem Höschen aufbewahrt haben. Als ich kurz an der Note roch, bestätigte sich dieser Eindruck. Leider.

Sejfudin Causevic

Doch der Geruch im Auto blieb – was meine Gedanken doch ein wenig angekurbelt hat. Denn die Dame hatte kein Portemonnaie, geschweige denn eine Tasche bei sich. Sie muss das Geld wohl in ihrem Höschen aufbewahrt haben. Als ich kurz an der Note roch, bestätigte sich dieser Eindruck. Leider. Zudem war die Note ein wenig labbrig und feucht. Wer weiss, welche Spuren sich auf der Note befunden haben …

Auch mit Betrunkenen ist das jeweils so eine Sache. Es gab einmal einen Typen, der torkelte jeden Schritt in eine andere Richtung. Das Ziel war, vom Bundesplatz zum Schwanenplatz zu kommen, denn er wollte für einen Abstecher ins ‹Down Town›. Nach zwanzig Metern pennte er ein, seinen Kopf schmiegte er an meine rechte Schulter. Ich weckte ihn, er entschuldigte sich. Bis zur Seebrücke murmelte er bestimmt 20 Mal: ‹’schuldigung!› Über die Seebrücke schlief er wieder ein, erwachte wieder und gab prompt sein ‹’schuldigung› von sich.

Als wir nach gefühlten hunderten Malen ‹’schuldigung› beim Schwanenplatz eintrafen, folgte die nächste Hürde. Bis der sternhagelvolle Fahrgast seine Beine und seinen Orientierungssinn wieder einigermassen beisammen hatte, und sich wiederum bei mir entschuldigte, weil er dachte, er hätte nicht bezahlt, verstrichen weitere Minuten. Eigentlich wäre es eine Fahrt von fünf Minuten – wir verbrachten eine geschlagene Viertelstunde miteinander. Ich treffe ihn übrigens immer wieder auf der Strasse an – torkelnd wohlbemerkt.»

Die Bollywood-Kulisse am Brünig und das Ringen mit einem Rollstuhl

Eines der eindrücklichsten Erlebnisse von Martin Imfeld (47) von «Martin’s Taxi» liegt schon ein paar Jährchen zurück.

«Ich war Mitte der 1990er-Jahre neu ins Taxigeschäft eingestiegen und hatte als Kunden einen Jungen, der im Rollstuhl sass. Ich war in dieser Situation ratlos gewesen – wusste weder, wie ich den Jungen noch den Rollstuhl ins Innere des Taxis hieven konnte.

Minutenlang habe ich mit dem Rollstuhl gerungen, um ihn zusammenzuklappen. Der Junge sass nur still da, schaute mir zu und schmunzelte verschmitzt. Er sagte zu mir, dass es doch verrückt sei, dass ein Taxifahrer nicht einmal wisse, wie man einen Rollstuhl zusammenlegt.

Ich wäre am liebsten im Boden versunken – der Junge nahm es jedoch sehr gelassen. Die humorvolle Art des handicapierten Jungen hat mich beeindruckt. Wie auch die tiefgründigen Gespräche mit dem Jungen, der mich – trotz meiner anfänglicher Not mit dem Rollstuhl – immer wieder als Fahrer verlangt hat.

Da dachte ich mir, dass ein Inder nie das Land verlässt, ohne einen Bollywood-Film mitzunehmen.

Martin Imfeld, Luzerner Taxifahrer

Ich war zudem als Limousinen-Chauffeur unterwegs. Einmal habe ich eine Gruppe Reisender aus Indien von Luzern nach Interlaken gefahren. Gute eineinhalb Stunden sassen wir aber im Stau am Brünig fest. Da dachte ich mir, dass ein Inder nie das Land verlässt, ohne einen Bollywood-Film mitzunehmen. Also habe ich die Gruppe spontan gefragt, ob jemand einen entsprechenden Film dabei hat.

Und in der Tat: Wenig später setzten wir uns zusammen und genossen die Bollywood-Kulisse inmitten des nervenraubenden Staus. Die indischen Gäste hatten sichtlich Freude, sprachen von einer ‹geilen Autofahrt› und drückten mir eine Zehn-Dollar-Note in die Hand. Normalerweise lassen Reisende aus Südasien nie Trinkgeld springen, denn in ihrem hierarchischen Kastensystem ist der Fahrer tiefer gestellt. Deshalb hat man in der Regel keinen Anspruch auf eine besondere Anerkennung. Umso mehr habe ich mich über den Zustupf gefreut.»

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