100 Jahre LSC – der Präsident blickt zurück

«Wer Fussball spielte, konnte in Sursee keine Hostien empfangen»

Der Luzerner Sportclub wird 1924 Innerschweizer Fussballmeister. Unter den Spielern sind Namen wie Hippolyt Kempf (Grossvater des Olympiasiegers von 1988) oder Jules Gut (späterer LSC-Präsident und Leichtathlet) zu finden.

(Bild: zvg)

Früher war Fussball in Luzern verpönt. Dennoch entwickelten sich Sportvereine, die auf das Spiel mit den runden Leder setzten. Einst bot dabei gar der Luzerner Sportclub LSC dem FCL Paroli, wie ein Blick in die bewegte Geschichte zeigt. Die Zeiten sind vorbei. Heute setzt der 100 Jahre alte Traditionsverein auf den Nachwuchssport.

Der Luzerner Sportclub (LSC) feiert 2018 sein 100-jähriges Bestehen. Der LSC ist heute mit rund 700 Mitgliedern einer der grössten Sportvereine der Stadt Luzern und unter seinem Dach vereinen sich die Breitensportabteilungen Fussball, Boccia, Leichtathletik und Landhockey. Der polysportive Gedanke der Organisation wird immer seltener umgesetzt und ausgelebt, erklärt Bruno Affentranger, Präsident der Abteilung Landhockey des LSC.

Doch das war nicht immer so, wie ein Blick in die Anfangsjahre zeigt. Tatsächlich war es damals nicht unüblich, dass sich ein Sportler in verschiedensten Disziplinen messen konnte. Ob Langlauf, Fussball, Sprint oder Landhockey, manche machten einfach alles. Das dokumentiert die bewegte Geschichte des Vereins.

Das Gründungsjahr ist dabei kein Zufall, wie Affentranger erklärt. Er hat sich immer wieder mit der Sportgeschichte in der Region beschäftigt. Nach vier langen, blutigen Kriegsjahren auf den Schlachtfeldern an Ost- und Westfront sei es in Europa und auch in der Schweiz zu einem Gesinnungswandel gekommen.

Robert und Walter Strebi waren Ur-Gesteine und Gründungsväter des Luzerner SC.

Robert und Walter Strebi waren Ur-Gesteine und Gründungsväter des Luzerner SC.

(Bild: zvg)

Fussball als geächteter Sport

Im Nachgang zum Weltenbrand kam man von der streng nationalen Denke weg und dürstete nach einem gesamteuropäischen Kontext. «Sport hat den Geist des fairen Wettbewerbs und verbindet Menschen unabhängig von Nationalität oder Gesinnung», sagt Affentranger. Dieser olympische Gedanke war für die Jungen ein Sehnsuchtsort, diese Mentalität war spürbar und machte Sporttreiben populär.

«Fussball war in unseren Breitengraden sozial geächtet zu jener Zeit», sagt Affentranger. Sowohl das katholische Umfeld als auch die fehlende Arbeiterschaft in Luzern machten den Fussballbetrieb zur Jahrhundertwende schwierig. «Wer Fussball spielte, konnte beispielsweise in Sursee keine Hostien empfangen», sagt Affentranger. Neben Turnen gab es keinen Platz für die Kicker.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs beschliesst die Schweizer Armee jedoch, Fussball als Sportart zu akzeptieren. Er sollte offiziell der militärischen Ertüchtigung dienen. «Das war ein Art Dammbruch, der dazu führte, dass Fussball auch in der konservativen Luzerner Mittelschicht akzeptiert wurde.» Im letzten Kriegsjahr entstehen die beiden Vorgängervereine des LCS, der Fussballclub Young Fellows und die Leichtathletikgruppe Sparta. «Das waren junge Luzerner, die ersten Treffen gestalteten sich sehr chaotisch», wie Affentranger aus dem Archiv erfahren hat.

Schweizer B-Landhockeymeister 1948 mit den Brüdern Hans Erni (1.v.l. stehend) und Paul Erni (2.v.l. stehend).

Schweizer B-Landhockeymeister 1948 mit den Brüdern Hans Erni (1.v.l. stehend) und Paul Erni (2.v.l. stehend).

(Bild: zvg)

Titel aberkannt: Ausgerechnet der FCL erbt

Ein junger Lehrer namens Robert Strebi schreibt 1920 ein Reglement, der jüngere Bruder Walter wird der erste Olympionike des LSC, und es entsteht ein gemeinsamer Verein. Strebi und seine Familie kamen später zu Wohlstand und Ansehen in Luzern. Er gründete unter anderem die Vorgängerorganisation des «Lucerne Festival», verantwortete den Bau des Schulhauses Tribschen und die Gründung des Konservatoriums. Strebi war auch Schwager von Hans Erni. Der Maler und sein Bruder spielten selber für den LSC Landhockey in der damaligen zweithöchsten Landesliga.

Jubiläumsprogramm des LSC

Samstag, 9. Juni: Ab 12 Uhr bis 16 Uhr auf der Allmend, Leichtathletikanlage, polysportive Spiele für den Nachwuchs, ab 6 bis 18 Jahren. Offene Veranstaltung, wer mit einem LSC-Mitglied kommt, kann mitmachen und kriegt eine Verpflegung. Sportsachen mitnehmen. Abends feiert der LSC mit seinen Mitgliedern an der 100-Jahre-Gala im «Schweizerhof»

Samstag, 23. Juni: Hockey-Plausch-Turnier auf dem Utenberg, offen für alle. Beginn um 10 Uhr.

Samstag, 15. September: Die LSC-Fussballer feiern auf der Hubelmatt (Allmend). Um 15 Uhr spielt LSC 1991 gegen den FC Innerschweiz Ü40, um 17 Uhr das LSC 2. Liga-Team gegen die Swiss Legends mit ehemaligen Nationalspielern wie Stephan Chapuisat, Andy Egli und anderen mehr.

Fussballtrainings fanden zu Beginn unter prekären Bedingungen statt, Torlatten mussten jedes Mal vor dem Training aus Feld getragen werden und waren oft unförmig. Dennoch spielte der LSC damals erfolgreich Fussball und wurde zweimal Meister in der Innerscheizer Regionalliga. Es wäre gar ein dritter Titel in Folge geworden, doch der Meisterpokal wurde dem Verein aberkannt, weil ein Tor zu klein war. Erben konnte der FC Luzern.

Tradition des LSC verschwinden

Doch weshalb fristet der LSC heute fussballtechnisch ein Mauerblümchen-Dasein während der FCL in der Topliga mitspielt? Das hat laut Affentranger unter anderem mit der früheren Gründung, aber auch mit besseren Fussballplätzen und der höheren Spezialisierung des FCL zu tun. Vonseiten des FCL gab es im Verlauf der Geschichte aber wiederholt den Versuch, mit dem LSC zu fusionieren.

Frauen-Power auf der Hubelmatt. Sieben Jahre nach der Gründung der Landhockey-Abteilung führt 1937 der Schweizerische Landhockeyverband sein bislang grösstes Hockeyturnier durch.

Frauen-Power auf der Hubelmatt. Sieben Jahre nach der Gründung der Landhockey-Abteilung führt 1937 der Schweizerische Landhockeyverband sein bislang grösstes Hockeyturnier durch.

(Bild: zvg)

Doch das lehnten die Mitglieder in den 20er-Jahren ab. Die Sportclübler wollten nie. «Es bestand dann lange Zeit eine Rivalität zwischen den beiden Vereinen auf der Allmend, wer welche Plätze bespielen darf.» Der FC Luzern sei bis in die 50er-Jahre nicht von grosser Bedeutung gewesen auf nationaler Ebene, erst später ging beim Fussball die Schere auf. «Es gab beim LSC einen Stolz, dass man nicht beim FCL ist.»

Schnelle Erfolge feierte man im Bereich der LSC-Leichtathletik. Der jüngere Bruder von Robert Strebi, Walter Strebi, nahm als Kurzstreckenläufer 1924 an den Olympischen Spielen teil. Immer wieder traten bis in die 30er-Jahre Läufer des Clubs an Länderkämpfen an und zeigten dabei herausragende Leistungen, sagt Affentranger. Viele Läufer spielten damals auch Fussball oder Hockey. Das Polysportive schwächte sich im Laufe der Zeit jedoch zunehmend ab. «Der Grad an Spezialisierung im Sport macht es auch im Breitensport schwierig, in verschiedenen Disziplinen mitzuhalten.»

Wenig Berührungspunkte zwischen den Sportarten

Der räumliche Zusammenhalt beim LSC erodiert ab 2009, als der Traditionsverein von der Allmend weg muss und die einzelnen Sportdisziplinen in alle Richtungen verteilten. Landhockey wird im Utenberg gespielt, der Fussball bleibt auf der Allmend, die Leichtathleten verlieren ihre feste Heimat, Boccia wird im Bocciadromo nahe dem Krienser Mattenhof gespielt.

Eine Clubzentrale besteht damit nicht mehr und auch eine gemeinsame Webseite ist nur schwer ausfindig zu machen. «Das interne Verständnis für den Gesamtverein geht klar zurück», sagt Affentranger. Die Tendenz sei nicht umzukehren. Eine Rückkehr zur Tradition strebe er nicht an, mit einem Sonderausgabe des Clubmagazins will er sie jedoch nochmals aufleben lassen.

Bruno Affentranger präsidiert den Sportclub Luzern seit acht Jahren.

Bruno Affentranger präsidiert den Sportclub Luzern seit acht Jahren.

(Bild: giw)

Im Verlauf der letzten Jahre ist Landhockey die grösste Vereinsabteilung geworden, während der Fussball einen Rückgang verzeichnet. Der LSC setzt dabei ganz auf den Nachwuchssport und erhält von der Stadt Luzern Zuspruch für die Jugendarbeit. Alleine die Landhockey-Jugend zählt 120 Mitglieder und ist laut Affentranger immer noch am Wachsen. Im Landhockey werden auch Sportschüler ausgebildet, entsprechend sind drei Profi-Trainer und weitere Helferinnen und Helfer engagiert.

Bruno Affentranger ist seit acht Jahren Präsident der Abteilung – und spielt seit über 37 Jahren Landhockey. Noch immer läuft er als einer der ältesten Spieler in der Nationalliga B auf und unterstützt gleichzeitig das Seniorenteam. Doch nicht nur das: Der 51-Jährige trainiert wöchentlich Fussball, macht Krafttraining und geht Joggen. Er verkörpert damit ein stückweit den historischen Geist des Vereins. Keine Beschwerden? «Meine Grenzen werden mir natürlich zunehmend aufgezeigt», gibt er unumwunden zu.

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