Betrüger-Ehepaar vor Luzerner Kriminalgericht

Von der Mittäterin zum Vergewaltigungsopfer?

Wer wird schuldig gesprochen? Ein Ehepaar, das massiv Steuern hinterzogen hat, schiebt sich gegenseitig den schwarzen Peter zu.

 

(Bild: Symbolbild: Fotolia)

Vier Jahre lang hinterzog ein Luzerner Ehepaar im eigenen Schlachtbetrieb rund 300’000 Franken Steuern. Das unzimperliche Gewerbe übertrug sich offenbar auf das Privatleben. Vor Gericht kam es zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen den Beschuldigten, der in Vergewaltigungsvorwürfen gipfelte.

Massive Steuerhinterziehung und Veruntreuung der Geschäftsführung: Ein Luzerner Ehepaar verfälschte die Buchhaltung seines Schlachtbetriebes um knapp 300’000 Franken. Der 47-jährige Mann, der als alleiniger Geschäftsführer für den Betrieb verantwortlich war, musste sich bereits am Dienstag vor Gericht verantworten. Am Mittwoch musste die 48-jährige Angeklagte, die gemeinsam mit ihrer Schwester die Buchhaltung geführt hatte, vor dem Luzerner Kriminalgericht antraben. 

Zwischen 2007 und 2011 habe die Angeklagte – auf Anweisung ihres Ehemanns – Geschäftskunden dazu veranlasst, Zahlungen auf das Privat- anstelle des Geschäftskontos des Ehepaares zu überweisen. Ein Betrag in Höhe von knapp 300’000 Franken wurde dadurch nicht in der Buchhaltung erfasst.

Die Beschuldigte habe somit die Geschäftsbuchhaltung massiv verfälscht. Mit ihrem Ehemann habe sie mehrmals Steuern hinterzogen und Urkunden verfälscht, so der Vorwurf.

Das Ehepaar trennte sich 2011 und befindet sich noch immer im Scheidungsverfahren. Gegenseitig schieben sich die beiden den schwarzen Peter zu: Die Angeklagte schiebt ihrem Mann die Schuld in die Schuhe, während ihr Mann sich als «hilfloses Oper» ausgibt und seine Frau als alleinige Übeltäterin in den Fokus rücken lässt. Die Angeklagte erzählt erst im weiteren Verlauf des Verfahrens, was sich hinter den Kulissen abgespielt haben soll.

«Raus aus diesem Horror»

Der Fall kam an die Oberfläche, weil die Angeklagte selbst ihren Ehemann Ende 2011 anzeigte und auszog. Dies, nachdem sie neun Jahre lang in Angst und Schrecken gelebt habe. Dass damit auch ein Strafverfahren gegen die Angeklagte ins Rollen gebracht werden könne, wusste sie. «Ich bin ein ehrlicher Mensch und hatte ein schlechtes Gewissen», begründete die Angeklagte vor dem Luzerner Kriminalgericht die Anzeige. Jahrelang habe sie sich den Machenschaften ihres Mannes ausgeliefert gefühlt und sich nicht getraut, sich zu wehren.

«Ich habe Angst vor ihm. Ich habe einen Mann geheiratet, den ich nicht gekannt habe.»

Die Angeklagte

«Es ist viel passiert», erklärt sie mit gebrochener Stimme, während die ersten Tränen kullern. Stockend fährt sie fort: «Er ist ein unberechenbarer Mensch. Er ist aggressiv. Ich hatte Angst vor ihm. Er hat mich mehrmals bedroht.» Sie habe erst Jahre später den Schlussstrich ziehen können und sich für die Scheidung stark gemacht. «Nun bin ich weg von diesem Horror.» Die Angeklagte gibt nur wenig über sich Preis – dennoch kämpft sie spürbar mit den Umständen.

Vergewaltigungsvorwürfe

Die Angeklagte erzählt, dass sie von ihrem Mann gestalkt, mehrfach bedroht wurde und mehrfach die Gewalt ihres Mannes am eigenen Leib zu spüren bekommen habe. Dieser Delikte wurde er auch schuldig gesprochen und das Willisauer Bezirksgericht erteilte ihm ein Kontaktverbot.

Auch von Vergewaltigung spricht sie. «Ich habe einen Mann geheiratet, den ich nicht gekannt habe», so die Angeklagte. Nach dem Kennenlernen sei sie nur wenige Wochen später schwanger geworden. Drei Kinder sind aus der Ehe entstanden.

In diesen Schilderungen ist die Frau das Opfer und ihr Gatte der Täter. Dass die Angeklagte im Fall der Veruntreuung Mittäterin und somit mitschuldig ist, weiss sie. Ihr Mann habe ihr die Anweisungen gegeben, die Beträge auf ihr Privatkonto überweisen zu lassen. Sich ihm zu widersetzen, habe sie sich nicht getraut. «Er war der Chef, und ich musste folgen.» Sie besass kein eigenes Privatkonto, war stark abhängig von ihrem Mann. So musste sie bei jedem Einkauf ihren Mann nach Geld fragen.

Angeklagte mit hohem Lebensstandard

Für den Staatsanwalt sei es unglaubwürdig, jahrelang stillschweigend den Anforderungen des Ehemanns zu gehorchen und sich nicht zur Wehr zu setzen. Das fehlbare Verhalten habe sich die Frau zu eigen gemacht. Die Angeklagte sei nicht nur ein Werkzeug, das den Anweisungen des Ehemanns folgte, sondern sie habe gewusst, was sie tat – zu ihrem eigenen Nutzen.

«Weshalb sie keinen Schlussstrich zog? Weil sie es wollte – und selbst vom hohen Lebensstandard profitierte.»

Der Staatsanwalt

«Weshalb sie keinen Schlussstrich zog? Weil sie es wollte – und selbst vom hohen Lebensstandard profitierte», so der Staatsanwalt. Die Angeklagte profitierte von der Veruntreuung. Wie die Angeklagte selbst zugab, führten sie ein Leben auf einem hohen Standard. Gemeinsam mit ihrem Mann hatte sie zudem mehrmals Geld von ihrem gemeinsamen Konto abgehoben, die Erträge wurden im Casino in Luzern und Baden verprasst.

Der Staatsanwalt fordert eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten und eine Busse von 1000 Franken.

«Stellt mich als Frauenhasser hin»

Ein Privatkläger, der den Gatten der Angeklagten vertritt, fordert eine Freiheitsstrafe von 44 Monaten und eine Genugtuung in Höhe von 10’000 Franken. Die Frau sei eine «Alleintäterin». Das Weinen und die Stalk- sowie Vergewaltigungsvorwürfe seien Instrumente, um sich bei den Alimenten und dem Scheidungsverfahren, das noch aussteht, Vorteile zu erkämpfen.

Es seien «Frauen nach altem Beuteschema», die sich von ihrem Mann verhätscheln lassen würden. Dass sie alles auf ihren Mann schiebe und vor dem Kriminalgericht weine, sei ein «klassisches Verhalten von Frauen», das man schon aus dem Römischen Reich kenne. Der Ehemann der Angeklagten, der Geschäftsführer des Betriebes, sei nie im Büro gewesen und habe keinen Einblick in die Buchhaltung gehabt. Die Angeklagte und ihre Schwestern seien alleine für die Tatvorwürfe zu verurteilen. Auch wenn sich der Ehemann der Angeklagten vor Gericht zusätzlich für Brandstiftung verantworten muss. Er soll sein eigenes Büro unter Brand gesetzt haben, um Buchhaltungsunterlagen zu vernichten.

Fremdschämen aus Sicht des Verteidigers

Der Verteidiger der Angeklagten spricht von einem «Fremdschämen» auf die Rede des Privatklägers, dass die Angeklagte sich einer Taktik des Opfers häuslicher Gewalt bedienen würde. Die Beschuldigte sei in jedem Fall von der Strafe freizusprechen. Jahrelang habe sie unter häuslicher Gewalt gelitten, «bis das Fass übergelaufen ist». Das zeige das Urteil und das erteilte Kontaktverbot für den Ehegatten. Weiter sträube er sich bis heute gegen die Auszahlung der Unterhaltskosten, er zahle «keinen Franken freiwillig» – was für den Charakter des Ehemanns spreche.

«Der Ehemann der Angeklagten hat eine gewaltige Energie in sich, um seinen Willen durchsetzen zu können.»

Der Verteidiger

«Der Ehemann der Angeklagten neigt zu Gewalt, wenn er seinen Kopf nicht durchsetzen kann», so der Verteidiger. Die drei gemeinsamen Töchter habe er im Scheidungskampf instrumentalisiert. «Er hat eine gewaltige Energie in sich, um seinen Willen durchsetzen zu können.»

Geld als Statussymbol sei essenziell für den Ehegatten der Angeklagten. Durch sein übermässiges Trinkverhalten sei er des Öfteren erst am anderen Morgen nach Hause gekommen, wohin das Geld geflossen sei, überlasse er der Fantasie des Kriminalgerichts.

Urteil noch offen

Für welches Urteil sich das Luzerner Kriminalgericht entscheiden wird, ist noch offen. Der Verteidiger der Angeklagten plädiert auf ein Freisprechen, der Staatsanwalt findet eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten angemessen.

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