Zu Besuch in der Villa auf der Luzerner Lido-Wiese

Wie aus der Muggenburg das Haus der Schützen wurde

Das Haus der Schützen auf der Lidowiese, im Hintergrund das Verkehrshaus der Schweiz.

(Bild: giw)

Als vor 100 Jahren noch die Mückenschwärme auf der heutigen Lido-Wiese um die Wette tanzten, baute ein Luzerner eine prunkvolle Villa auf dem ehemaligen Sumpfland. Heute bildet das stolze Anwesen das finanzielle Rückgrat der Schweizer Schützen.

Kaum ein Gebäude mit Seeanstoss am Luzerner Seebecken ist derart exklusiv gelegen wie die Villa auf der Lido-Wiese vor dem Verkehrshaus der Schweiz. Eigentlich ein unerhörter Standort. «Ein Haus an dieser Stelle zu bauen, wäre heute aufgrund des Gewässerschutzes gar nicht mehr möglich», sagt alt Regierungsrat Ulrich Fässler. Er ist Stiftungspräsident des «Haus der Schützen», der Eigentümerin des Anwesens.

Doch der exklusive Standort ist nicht nur ein Segen, wie der Spitznamen des Anwesens verrät. Denn Baumeister Otto Graber errichtete die «Muggenburg» im Jahr 1918 auf damals noch unerschlossenem Seeuferland, umgeben von sumpfigen Riedgrasflächen. Während der Sommermonate tanzten dort Schwärme von Mücken – das dürfte entspannten Sonnenbädern auf der grosszügigen Terrasse abträglich gewesen sein. Mit dem Bau der Lidostrasse und der Installation von Sickerröhren verschwanden die blutsaugenden Plagegeister, doch die Bezeichnung blieb.

Ein machtvoller Verband

Heute ist neben einer Anwaltskanzlei, zwei Mietparteien und anderen KMUs der Schweizer Schiesssportverband im Gebäude eingemietet, dem das Haus durch die Stiftung indirekt gehört. «Es ist eine wertvolle finanzielle Reserve für den Verband».

Der Verband mit seinen 130’000 Mitgliedern konzentriert sich heute laut Fässler zunehmend auf die Betreuung des Breiten- und Spitzensports, ist aber aufgrund eines Leistungsnachweises für die Durchführung des obligatorischen Schiessens weiterhin mit dem VBS und der Landesverteidigung verbunden.

Der SSV bringt sich jedoch weiterhin bei der Waffengesetzgebung ein und bekämpft erfolgreich Verschärfungen. Jüngstes Beispiel: Die EU hat im Frühling das Waffenrecht verschärft, die Schweiz hätte als Schengen-Mitglied nachziehen müssen. Die Waffenlobby hat sich vehement dagegen ausgesprochen und mit dem Referendum gedroht. Die Kritik der Schützen wurde darum vom Bundesrat weitgehend aufgenommen.

Stiftungspräsident Ulrich Fässler auf der Terrasse des Haus der Schützen.

Stiftungspräsident Ulrich Fässler auf der Terrasse des Haus der Schützen.

(Bild: giw)

Ein Schützenfan legt den Grundstein

Zu verdanken haben die Schweizer Schützen ihre wertvolle Bleibe Franz Stirnimann, der das Haus mit seinen rund 30 Zimmern 1943 erwarb. Stirnimann war ein Industrieller und ein begeisterter Schütze. Er plante, das Gebäude nach seinem Tod an die Stadt Luzern zu vermachen. Doch die Stadt verlor die Gunst des Hausherren, als diese plante, einen Uferweg vor der Villa zu errichten. «Dass das Haus aufgrund eines öffentlichen Uferweges seinen direkten Seeanstoss verlieren würde, machte Stirnimann wütend», erklärt Fässler.

Deshalb entschied sich Stirnimann, das Haus den Schweizer Schützen zu vermachen. Allzu böse war er dem Stadtrat aber offenbar nicht – die Stiftung hatte der Stadt Luzern damals das Recht eingeräumt, die prunkvollen Räume des Gebäudes für den Empfang von Gästen zu nutzen. Trotz der Schenkung blieb das Gebäude nach dem Tod von Stirnimann 1961 lange nicht direkt nur durch die Schützenverbände genutzt. Erst 1975 zog das Zentralsekretariat der Schweizerische Schützenvereins SSV in das Haus am See.

Das Gebäude wurde im Innern komplett erneuert und mit einem Lift ausgestattet.

Das Gebäude wurde im Innern komplett erneuert und mit einem Lift ausgestattet.

(Bild: giw)

Der Kampf gegen den See

Die Immobilie sorgt für ein stetiges Einkommen – ist laut Fässler im Unterhalt jedoch relativ anspruchsvoll und teuer. Denn der See ist zugleich Segen als auch Fluch. Immer wieder wurde das Gebäude aufgrund von Hochwasser beschädigt. Einst schwappte der Vierwaldstättersee über die Ufer und überflutete gar das Verkehrshaus. Dort wurde das Wasser herausgepumpt und landete schliesslich wieder beim Haus der Schützen.

Erst mit einer umfassenden Sicherung der Immobilie im Jahr 1999 konnte dem Problem nachhaltig der Riegel geschoben werden. Das Haus wurde im Innern totalsaniert und ein Lift eingebaut. Zuvor beherbergte das Haus der Schützen eine umfassende Trophäensammlung des Luzerner Schützenweltmeisters Walter Lienhard. Sie bildete das edle Interieur vor dem Umbau. Die 2’000 Einzelstücke sind inzwischen im Schützenmuseum in Bern zu bestaunen. Heute steht das opulente Äussere des Anwesens im Kontrast zur nüchternen Bürolandschaft im Innern.

Der Ausblick auf das Luzerner Seebecken und den Pilatus ist auch bei Nebel beeindruckend.

Der Ausblick auf das Luzerner Seebecken und den Pilatus ist auch bei Nebel beeindruckend.

(Bild: giw)

Verkauf ausgeschlossen

Der Umbau, der bereits 1989 angedacht war, ging nicht ohne Probleme vonstatten. Fässler übernahm das Stiftungspräsidium kurz nach Fertigstellung der Totalsanierung und traf auf Probleme. Wohl auch deshalb kostete das Projekt letztlich statt 4 Millionen rund 5.7 Millionen Franken. Die Baufirmen haben zuweilen gepfuscht, die Stiftung musste gar im italienischen La Spezia prozessieren, weil Handwerkerarbeiten nicht richtig erbracht wurden. «Das war ein Krieg an allen Fronten».

Doch nun herrscht Ruhe, der See ist gebändigt. Haben bereits reiche Privatpersonen oder Hoteliers einen neugierigen Blick auf das Objekt gewagt? Fässler winkt ab. Der Verkauf der Liegenschaft komme für die Stiftung respektive den Verband nicht in Frage.

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