1’000 Quadratmeter in der Stadt Luzern werden frei

Zwischennutzung an Industriestrasse: Hühner oder Oldtimer?

Lluvia Mosquera (links) und Nora Haupt stellen das Konzept der Zwischennutzung vor.

(Bild: pze)

Bis die Überbauung an der Industriestrasse Realität wird, wird es mindestens 2021. Bis dahin liegt auf dem Areal eine 1’000 Quadratmeter grosse Fläche frei. Diese soll nun zwischengenutzt werden. Ideen und Engagement gibt’s zuhauf – und mahnende Worte eines Kantonsrats. 

«So wie wir heute da sind, bringen wir die Sache ins Rollen», sagte Nora Haupt am Samstagnachmittag den versammelten Gästen des ersten sogenannten «Brachentreffens» der Kooperation Industriestrasse. Mit «der Sache» meint die Mitarbeiterin eine ganz neue Zwischennutzung für die Stadt Luzern: und zwar im Innenhof des Areals an der Industrie- und Unterlachenstrasse.

Dort, wo voraussichtlich 2021 eine gemeinnützige Überbauung entsteht, liegt heute eine Fläche von rund 700 Quadratmetern brach. Diese soll belebt werden. Doch damit nicht genug: Ein hilfsbereiter Mieter hat angekündigt, ein angrenzendes Areal ebenfalls freizugeben. Damit wüchse die nutzbare Fläche in den nächsten Monaten auf 1’000 Quadratmeter an, «wenn alles wunschgemäss klappt». Dafür sass das «Forum» am Samstag erstmals zusammen – gut 30 Personen diskutierten darüber, wie sich diese Zwischennutzung künftig präsentieren wird.

«Branchenakteure» sind gesucht

Die Kooperation Industriestrasse ist ein Zusammenschluss aus fünf gemeinnützigen Baugenossenschaften (siehe Box). Die fünf Mitglieder realisieren je Teile der Überbauung Industriestrasse. Bei der Zwischennutzung setzen sie auf Partizipation: Es werden «Brachenakteure» gesucht, Leute, die Ideen haben, welche Projekte auf der freien Fläche umgesetzt werden könnten, tönt es bei der Kooperation.

Die Kooperation Industriestrasse

Die Baugenossenschaft Kooperation Industriestrasse Luzern setzt sich aus folgenden Genossenschaften zusammen: Allgemeine Baugenossenschaft Luzern (ABL), Baugenossenschaft Wohnwerk Luzern, Liberale Baugenossenschaft Tribschen-Sternmatt Luzern, Gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft Industriestrasse GWI und WOGENO Luzern Genossenschaft.

Die Kooperation Industriestrasse hat von der Stadt Luzern das rund 9’000 Quadratmeter grosse Areal im Baurecht erworben (zentralplus berichtete). Seit letztem Jahr läuft der Architekturwettbewerb (zentralplus berichtete).

Die Zwischennutzung soll bis kurz vor Baubeginn der Überbauung mit rund 160 bis 200 gemeinnützigen Wohnungen bestehen. Wenn die Baubewilligung vorliegt, muss die Zwischennutzung innert 90 Tagen geräumt werden. «Doch bei so grossen Projekten wie der Industriestrasse weiss man nie, ob es in den nächsten drei Jahren nicht noch zu Verzögerungen kommt», sagt Nora Haupt von der Kooperation. Deshalb könnte sich die Dauer der Zwischennutzung durchaus ausdehnen.

«Koordinationsgruppe» wird eingesetzt

Haupt leitet das Projekt seitens der Kooperation, unterstützt wird sie von Lluvia Mosquera. Die beiden präsentierten am ersten Brachentreffen das Konzept und stellten klar: «Obwohl die Kooperation das Baurecht auf dem Land hat, soll sich die Zwischennutzung selber verwalten.» Die Genossenschaften halten sich im Hintergrund.

«Wir müssen aufpassen, dass die Zwischennutzung nicht zum ‹Konsumtempel› verkommt.»

Hasan Candan, SP-Kantonsrat

Einzelne dieser Akteure bilden eine «Koordinationsgruppe», die Schnittstelle zwischen den Genossenschaften und den Akteuren. Diese Koordinationsgruppe steht in der Verantwortung: Finanzierung, Gestaltung, Sicherheit und Versicherung – die Zwischennutzer müssen sich um alles selber kümmern. «Das klingt alles erst mal erschreckend», sagt Nora Haupt, «dafür ist man frei, zu machen, was man will.» Innerhalb der gesetzlichen Vorgaben, versteht sich.

«Forum» trifft sich regelmässig

Die Genossenschaften stellen den Zwischennutzern die Fläche mietfrei zur Verfügung. Die Akteure können das Areal dank einem speziellen Vertrag also kostenfrei nutzen – nur für Strom und Wasser müssen sie selber aufkommen.

Dabei müssen sich die Akteure selber organisieren. «Die Koordinationsgruppe wird die Entscheidungen treffen», erklärt Haupt. Besprochen würden diese aber im sogenannten «Forum». Dazu gehören alle – Akteure wie Koordinatoren. Man trifft sich regelmässig zum Austausch. «Zu Beginn vielleicht monatlich oder zweimal im Monat», sagt Haupt, «später, wenn es angelaufen ist, vielleicht nur noch halbjährlich, ausser wenn es dringende Punkte zu besprechen gibt.»

So sieht die Brache aus.

So sieht die Brache aus.

(Bild: zvg)

Haupt sagt weiter, sie sei bemüht, bei der Stadt eine Art Baubewilligung für die Zwischennutzung zu erhalten. «Da sind wir noch im Gespräch.» Dadurch würden auch Projekte möglich wie beispielsweise ein Zelt oder andere kleinere Bauten. Dies würde zu mehr gestalterischer Freiheit seitens der Akteure führen. 

Von Hühnerstall bis Oldtimer-Wohnwagen 

«Ideen und Projekte gibt es bereits viele», sagt Haupt. Viele wollten einen Garten gestalten, sei es mit einem Brunnen, sei es mit Gemeinschaftsgärtnern oder sogar mit einem Labyrinth. Natürlich hätten auch mehrere Gastronomen Interesse gezeigt, mitzuwirken.

Die gelb markierte Fläche soll zwischengenutzt werden. Rot ist die Gesamtfläche des Areals.

Die gelb markierte Fläche soll zwischengenutzt werden. Rot ist die Gesamtfläche des Areals.

(Bild: pze)

So weit, so normal. Doch gibt es auch durchaus ausgefallenere Ideen: Jemand möchte eine «Hühnerstallgenossenschaft» bilden und im Kollektiv Hühner halten. Kerzenfabriken und Bierbrauereien wurden vorgeschlagen oder Pop-Up-Ateliers in Oldtimer-Wohnwagen, die jeweils für einen Monat auf der Brache stehen und dann wieder verschwinden. Ein Kunstprojekt denkt sogar über den Zeithorizont hinaus: Das Projekt «Kunst baut mit» möchte sich mit der Architektur der Überbauung beschäftigen und den Neubau künstlerisch begleiten.

Know-how und kritische Worte

Unter den Gästen waren auch bekanntere Gesichter zu sehen. Dominic Chenaux, Betriebsleiter des Neubads, hat mit der Hallenbad-Zwischennutzung bereits viel Erfahrung gesammelt. Er präsentierte den Akteuren zwar kein eigenes Projekt, doch das Neubad biete bei Fragen gerne sein Know-how und seine Hilfe an, sagte er zu den Anwesenden.

Das Interesse an der Zwischennutzung in der Industriestrasse ist gross.

Das Interesse an der Zwischennutzung in der Industriestrasse ist gross.

(Bild: pze)

SP-Kantonsrat und Biologe Hasan Candan war ebenfalls vor Ort. Auch er stellte seine Hilfe in Aussicht. Er meinte, man müsse unbedingt die Natur miteinbinden, beispielsweise mit der Ansiedlung von Wildbienen. Aber Candan warf auch einen kritischen Blick auf die geäusserten Ideen. «Wir müssen aufpassen, dass die Zwischennutzung nicht zum ‹Konsumtempel› verkommt», so Candan. Die Brache müsste für alle nutzbar sein – eine Begegnungszone ohne Konsumzwang.

Gesammelte Erfahrungen für Zukunft wichtig

Bei den Akteuren war die Stimmung nach der Sitzung positiv erwartend. Drei Jahre Zeit, etwas zu gestalten, haben sie ab jetzt. Da blieb noch die Frage zu klären: Wie geht es danach weiter? «Gehen die gesammelten Erfahrungen nach der Auflösung der Zwischennutzung verloren?», fragte einer der Gäste. Nora Haupt verneinte und entgegnete: «Die Kooperation erhofft sich, dass die gemachten Erfahrungen auch in der späteren Überbauung in irgendeiner Form wieder eingebracht und fruchtbar werden können.» So wären beispielsweise «Aussenraumgruppen» möglich, welche die Umgebung mitgestalten. «Da ist die Kooperation offen», so Haupt.

Nun steht man am Anfang, die Uhr der Zwischennutzung tickt. So schnell wie möglich will man an die Arbeit, die ersten Projekte angehen. Wie der genaue Zeitplan aussieht, weiss man noch nicht. Doch ins Rollen gebracht wurde die Sache allemal.

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