Der Krienser Fasnachts-«Grende»-Macher Toni Meier

«Die Luzerner Fasnacht gleicht mehr einem Leichenzug …»

Hätte er seinen Beruf mit 65 Jahren aufgegeben, hätte er ihn niemals geliebt, so Toni Meier. Seit 50 Jahren schnitzt und hobelt er in seiner Werkstatt.

 

(Bild: ida)

Toni Meier aus Kriens schnitzt seit 50 Jahren Fasnachts-«Grende». Ein klobiges Stück Lindenholz verwandelt er in eine federleichte Maske. S’Bärnerwyb, de Purema und weitere Charaktere werden in seiner Werkstatt zum Leben erweckt – auch wenn sich der Holzbildhauer heutzutage mit der Luzerner Fasnacht schwertut.

Hobelspäne fliegen durch die Luft. Atmet man tief ein, nimmt man den Geruch von Lindenholz wahr. Dutzende Werkzeuge liegen herum. Aus einem Radio dringen die Klänge klassischer Jazz-Musik. Fasnachts-«Grende», die an der Wand hängen, starren einen an. Einige blicken zufrieden drein, andere machen einen grimmigen Eindruck. Aber auch Engels-, gottesähnliche und historische Figuren stehen da.

Wir befinden uns in der Werkstatt des Holzbildhauers Toni Meier. Der 77-jährige Krienser steht an seiner Hobelbank und schnitzt einen «Grend». Mit Säge, Hammer, «Klöpfel», Schnitzeisen und Co. haucht er einem Stück Lindenholz Leben ein. Feinste Gesichtslinien und Falten werden eingeritzt – schaut man einem «Grend» in die Augen, hat man das Gefühl, dass man das Antlitz eines lebenden «Etwas» betrachtet.

Holzbildhauerei hält ihn am Leben

Seit 1969 – seit 50 Jahren – schnitzt Toni Meier in seinem Atelier in Kriens und hat seine Passion zum Beruf gemacht. Aufgewachsen ist er in Horw und lebt heute mit seiner Frau in Kriens. Drei Söhne und eine Tochter hat er – mit seinem jüngsten Sohn verbringt er seine Zeit gerne schnitzend in seiner Werkstatt.

Wird er niemals müde? «Nein», so Meier überzeugt. «Die Holzbildhauerei ist das, was mich am Leben hält. Wenn ich mit der Holzbildhauerei aufhöre, dann ist für mich auch das Leben fertig.» Und während seine Lippen diese Worte formen, werden seine Augen mit einem Glanz erfüllt. Dass die Holzbildhauerei seine grosse Passion ist und ihn mit einer unglaublichen Kraft erfüllt, wird schnell klar. Hätte er mit 65 Jahren seinen Beruf an den Nagel gehängt, hätte er ihn niemals geliebt, sagt Meier.

Mit einer unglaublichen Leidenschaft übt er sein tägliches Handwerk aus. S’Bärnerwyb, s’Wöschwyb, de Purema und andere Charaktertypen entstehen in seiner Werkstatt.

Wie sich die eigenen Emotionen ins Holz schnitzen

Zur Zeit schnitzt Meier mindestens 100 Masken – rund 3’000 Fasnachts-«Grende» hat er in seinem ganzen Leben schon gestaltet – und der Plausch daran vergeht ihm nie. Meiers Arbeiten sind vielfältig: Neben dem Schnitzen von «Grenden» stellt er eine Bandbreite an Holzfiguren her und kopiert historische Figuren. Meier erzählt beispielsweise von einem Kreuz, welches in Brasilien gestohlen wurde und das er nachgebaut hat. Seine Kundschaft kommt aus der ganzen Welt: Brasilien, Argentinien, Indien, Kanada, Japan – selbst Theatermasken für New York hat er angefertigt.

«Wenn ich morgens zwäg bin, dann gibt’s einen zufriedenen ‹Grend›. Wenn ich nicht so zwäg bin, dann gibt’s einen grimmigen ‹Grend›.»

Toni Meier, Holzbildhauer

Seinen Stil beschreibt er selbst als «Meier-Stil». Jede seiner Masken ist ein Unikat: Ohne vorzuzeichnen und ohne Schablone schnitzt der Holzbildhauer direkt ins Holz. «Wenn ich morgens zwäg bin, dann gibt’s einen zufriedenen ‹Grend›. Wenn ich nicht so zwäg bin, dann gibt’s einen grimmigen ‹Grend›», erklärt Meier. So sei es auch besonders wichtig, eine Maske an einem Tag fertig zu machen. Besonders an den Charakterzügen des Gesichts dürfe man Tage später nichts mehr ändern.

Die Masken werden aus Lindenholz geschnitzt und mit einer Öllasur bemalt. Auf die Waage bringen sie durchschnittlich ein Gewicht von 200 bis 250 Gramm. «Wie eine zweite Haut», meint Meier. Die Masken kosten zwischen 350 und 500 Franken.

Die Unabhängigkeit und Freiheit fasziniere ihn in seinem Beruf besonders. Bei historischen Nachbildungen müsse er sich zwar an millimetergenaue Vorgaben halten – bei den Masken könne er sich austoben. Das Talent scheint in der Familie zu liegen: Bereits Meiers Grossvater war Kunstschreiner, aber auch Onkel und Cousins von ihm üben sich als Stein- oder Holzbildhauer.

«Vielleicht bin ich als kleiner Bube mit einer Maske im Gesicht auf die Welt gekommen.»

Toni Meier

Meier selbst kämpfte hart darum, sich ein Leben als Holzbildhauer aufzubauen, seine Leidenschaft zum Beruf machen zu können. In jungen Jahren sei er jahrelang als Bar-Pianist aufgetreten, um sich sein Atelier nach und nach finanzieren zu können. «Mein Leben wäre fast ein Buch wert», so Meier. Ein Funkeln überzieht seine Augen, während er verschmitzt lächelt.

Toni Meier in seinem Atelier in der Klösterlistrasse in Kriens.

Toni Meier in seinem Atelier in der Klösterlistrasse in Kriens.

(Bild: ida)

Die Fasnacht in Luzern: Von Leichenzügen und Science-Fiction-Verschnitten

Doch auch wenn Meier rund die Hälfte des Jahres mit dem Schnitzen von Fasnachtsmasken beschäftigt ist, sei er selbst kein Fasnächtler mehr. Vielleicht eben gerade darum: «Wissen Sie, wenn Sie das ganze Jahr über Fasnachts-‹Grende› sehen, dann mögen Sie einfach nicht mehr», sagt Meier. «Sonst müsste ich noch Angst haben, dass ich schlussendlich gleich aussehe.»

Jedoch sei er als kleiner Junge – der an der Grenze zu Kriens aufgewachsen ist – mit der Fasnacht gross geworden. In jungen Jahren sei er zur fünften Jahreszeit jeweils durch die Gassen geschlendert. «Vielleicht bin ich als kleiner Bube mit einer Maske im Gesicht auf die Welt gekommen», meint Meier. Und wiederum überzieht sein Gesicht ein verschmitztes, spitzbübisches Lächeln.

«Die Fasnacht hier gleicht mehr einem Leichenzug – es lebt einfach nicht.»

Toni Meier

Seither hat sich seiner Meinung nach die Fasnacht verändert – und dies nicht zum Guten. Meier lässt sich nur schwer für die Fasnacht vor Ort begeistern. «Die Fasnacht hier gleicht mehr einem Leichenzug – es lebt einfach nicht», meint er. Die Fasnacht in Kriens gleiche einem «Chöngeli-Umzug» und Luzern sei ein Science-Fiction-Verschnitt. «Das heute hat nichts mehr mit Fasnacht zu tun», sagt Meier ein wenig reumütig.

«Ganze Dörfer verschandelt»

Wie es sein sollte, zeigt er mit einem Buch. Er vertieft sich darin und erklärt angeregt, dass er für die Fasnacht im deutschen Weingarten bei Ravensburg 67 Masken angefertigt habe: «Das ist wahnsinnig, was dort abgeht.» Jedes Jahr werde da Motto-bezogen die Fasnacht zelebriert – und nicht ganze Dörfer verschandelt, wie es heute oftmals der Fall sei. All die «Grende» und «Gwändli» würden aufwändig kreiert. Und mit Würde getragen – «es lebt einfach», so Meier.

Toni Meier präsentiert sein Anker-Tattoo auf seinem linken Unterarm. Dieses hat er sich im Alter von 14 Jahren selbst gestochen.

Toni Meier präsentiert sein Anker-Tattoo auf seinem linken Unterarm. Dieses hat er sich im Alter von 14 Jahren selbst gestochen.

(Bild: ida)

Toni Meier erklärt, dass das aktuelle Weltgeschehen sein Auftragsbuch durchaus beeinflusse. Geschähen viele Krisen und Skandale, Dinge, die Menschen aus dem Leben rüttelten, werde er jeweils mit Aufträgen überhäuft. Wie beispielsweise bei 9/11, den Terroranschlägen auf das World Trade Center 2001, oder dieses Jahr durch die Angst, dass die Welt unter Donald Trump zu einem unsicheren Ort werden könne. Oder zu Zeiten, wo Terroranschläge an der Tagesordnung stehen. «Vielleicht denken die Menschen dann jeweils, dass sie das letzte Mal in ihrem Leben an die Fasnacht gehen können», meint Meier und lacht.

Meier blüht für seine Arbeit förmlich auf. Es sei das Wichtigste, im Leben das zu tun, wofür man brenne, meint Meier – und widmet sich zufrieden wieder seiner Hobelbank.

Weitere Einblicke ins Atelier und die «Grende» von Toni Meier erhalten Sie in der Bildergalerie.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 05.02.2018, 08:09 Uhr

    Meiner Meinung nach ist der Titel auch sehr reisserisch. Es mag wohl ein einzelner Aspekt sein, jedoch wäre die Hervorhebung des Hauptaspekts viel glaubwürdiger, vor allem wenn man Herr Meier kennt.
    Wie wäre es mit «Ein Herz für Masken» oder «Holz mit Seele»?

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  • Profilfoto von toni.meier
    toni.meier, 04.02.2018, 10:01 Uhr

    Frau Dahinden, einen herzlichen Dank für den reisserischen Titel, der aus einer Diskussion mit Ihnen abgeleitet wurde. Ich werde den eventuellen Shitstorm gerne an Sie weiterleiten.
    Gruss Toni Meier

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    • Profilfoto von Jonas Wydler
      Jonas Wydler, 04.02.2018, 14:10 Uhr

      Guten Tag Herr Meier,
      wir finden den Titel nicht reisserisch. Er gibt einen Aspekt des Artikels wieder. Und wir sind überzeugt, dass nach Lektüre des Artikels niemand an einen Shitstorm denkt.
      Ihnen einen schönen Sonntag, beste Grüsse

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