Trotz Millionenbeitrag vom Kanton Luzern

Praktika für junge Flüchtlinge: Die Aussichten sind düster

(Bild: Symbolbild: Frank Nader/SAH Zentralschweiz)

Bis im Spätsommer will der Kanton Luzern 150 Praktikumsplätze für jugendliche Flüchtlinge finden. Doch die Kampagne verläuft trotz Millionensegen zäh. Selbst Projektbeteiligte zweifeln daran, die Ziele zu erreichen. Dafür gibt es Gründe.

«150 Praktika = 300 Chancen». So lautet der Slogan eines Projektes, das der Kanton Luzern zusammen mit dem Luzerner Gewerbeverband sowie der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz (IHZ) lanciert hat. Die Botschaft der Kampagne ist eindeutig: Die Betriebe sollen ebenso profitieren können wie die jugendlichen Flüchtlinge.

Ziel der Kampagne ist eine möglichst rasche Integration jugendlicher Flüchtlinge in die hiesige Berufswelt. Denn Integration und Selbstständigkeit würden nur über die Teilnahme am wirtschaftlichen Leben gelingen, so der Tenor bei Kanton und Wirtschaft. Doch die Herausforderung scheint grösser zu sein, als man sich dies beim Kanton und den Wirtschaftsverbänden erhofft hatte.

Brückenangebot als Vorbereitung

Die Jugendlichen, die ein Praktikum suchen, haben während zwölf Monaten das so genannte «Integrationsbrückenangebot» des Kantons absolviert. Im Rahmen des Programmes erlernen die jungen Flüchtlinge das notwendige Niveau in der deutschen Sprache sowie Kenntnisse in anderen schulischen Fächern, um ergänzend zum Unterricht in Betrieben Praktika absolvieren zu können. Bis August sollen es 150 Jugendliche sein.

Praktika werden in allen Branchen gesucht. Vorgesehen ist, dass die jungen Flüchtlinge neben dem schulischen Alltag des Brückenangebotes zwei bis drei Tage pro Woche in einem Betrieb arbeiten. Die Praktika sollen je nach Fall sechs oder zwölf Monate dauern.

«Es ist eine Herkulesaufgabe»

Insgesamt 150 Praktikumsplätze müssen bis im Spätsommer gefunden werden. «Das ist natürlich eine Herkulesaufgabe», sagt folglich Felix Howald, Direktor der  Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz (IHZ).

Er zeigt sich denn auch eher zurückhaltend, was das Erreichen des Ziels betrifft. Es werde wohl ziemlich schwierig werden, in dieser kurzen Zeit tatsächlich für alle einen Praktikumsplatz zu finden, sagt er. Zudem sei die Herausforderung für alle neu. «Man kann nicht auf frühere Erfahrungen und gute Beispiele zurückgreifen», schildert Howald das Problem. 

Die IHZ sowie die anderen kantonalen Wirtschaftsverbände seien jedoch bemüht, das Integrationsprojekt an ihrer Basis bekannt zu machen und auf dessen Chancen für die Betriebe hinzuweisen, um die Unternehmungen zu einem Mitmachen zu motivieren, erklärt Felix Howald.

An verschiedenen Veranstaltungen, im hauseigenen Magazin sowie auf der Website stelle man die Kampagne vor. «Viele der jungen Flüchtlinge werden in der Schweiz bleiben. Dabei gibt es zwei Optionen: Integration über den Arbeitsmarkt – oder Sozialhilfe.» Eine erfolgreiche Integration sei folglich enorm wichtig und unumgänglich, begründet der IHZ-Direktor das Interesse der Wirtschaft für das Projekt.

«Die Niveauunterschiede zwischen Sekschülern und den jungen Flüchtlingen sind oft gewaltig.»

Felix Howald, Direktor Zentralschweizer Industrie- und Handelskammer

«Wir können uns nicht abschotten», so Howald. «Die Bereitschaft der Unternehmer ist eindeutig da.» Man habe erkannt, dass auch die Wirtschaft, ebenso wie die anderen Bereiche der Gesellschaft, ihren Teil zur Meisterung dieser grossen Herausforderung leisten muss.

Die Botschaft sei bei den Unternehmern also angekommen, betont Howald. Die Politik ihrerseits hat bereits einen grossen Beitrag geleistet. Bis 2020 stellt der Kanton Luzern rund 12,5 Millionen Franken für das Brückenangebot zur Verfügung.

Bisher nur wenig Erfolg

Die Bilanz liest sich bis jetzt allerdings bescheiden. Bislang haben sich nur ein paar wenige Betriebe gemeldet. Doch weshalb hat die Kampagne nur wenig Wirkung gezeigt? «Der Betreuungsaufwand für die Betriebe ist teilweise immens», begründet IHZ-Direktor Howald unter anderem den eher harzigen Verlauf.

Dies habe mitunter auch mit den sprachlichen und fachlichen Fähigkeiten der Migranten zu tun. «Die Niveauunterschiede zwischen Sekschülern und den jungen Flüchtlingen sind oft gewaltig und die Herausforderungen für die Unternehmen entsprechend hoch», sagt Howald.

Einstieg in Berufswelt generell schwierig

«Es ist heute oft schon schwierig, einheimische Jugendliche in den Arbeitsprozess zu integrieren.» Denn die Anforderungen an die Schulabgänger würden heute mitunter aufgrund der zunehmenden Digitalisierung stetig zunehmen. «Die Integration jugendlicher Flüchtlinge stellt nun noch eine zusätzliche Schwierigkeitsstufe dar», sagt Felix Howald.

Auch der Luzerner Gewerbeverband sieht hier die grössten Herausforderungen, wie Präsident und FDP-Kantonsrat Gaudenz Zemp gegenüber dem «Regionaljournal Zentralschweiz» sagte: «Es ist eine ganz neue Aufgabe, die es zu lösen gilt», so Zemp.

Die Jugendlichen, die zwei bis drei Tage in einen Betrieb kämen, stammten aus anderen Kulturen, könnten sich knapp auf Deutsch verständigen und wüssten gar noch nicht, welchen Beruf sie allenfalls erlernen möchten. Man sei bei den Unternehmen offensichtlich noch nicht beim Punkt angelangt, wo man ein solches Praktikum als plausibel erachte, so Zemp gegenüber SRF.

Das ganze SRF-Interview mit Gaudenz Zemp hören Sie hier:

Dass die Praktika für beide Seiten eine Herausforderung darstellen, bestätigt auch Simon Schütz. Schütz ist Betriebsleiter der Biokäserei Burgrain in Alberswil. Der Betrieb ist einer von 40 Unternehmen, die momentan ein Praktikum am Laufen haben.

«Am Anfang benötigte unser Praktikant aus Syrien mehr Zeit zur Einarbeitung. Es mussten klare Regeln erstellt und die schweizerische Pünktlichkeit und Genauigkeit immer wieder erwähnt und kontrolliert werden», blickt Simon Schütz zurück. Letzlich habe man aber nur positive Erfahrungen gemacht und das eigene Verständnis für Flüchtlinge und deren Situation stark vergrössert, so Schütz› Fazit.

Kanton zuversichtlich

Ähnlich tönt es beim Kanton. «Die Berufswahl für alle Jugendlichen, ob Schweizer oder Flüchtling, ist grundsätzlich eine Herausforderung», sagt Christof Spöring, Leiter der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung.

Den Betrieben macht er aber Mut. Vor Beginn eines Praktikums sollten die Betriebe die Person zum Schnuppern einladen. So findet ein erstes Kennenlernen statt und beide Seiten könnten danach besser einschätzen, ob sie zusammenpassten, erklärt Christof Spöring.

Auch zentralplus bot einem Flüchtling ein Praktikum. Über dessen Erfahrungen lesen Sie hier.

«Früher haben wir für die Vermittlung eine Telefonliste mit Unternehmen hervorgeholt und einzelne Betriebe direkt kontaktiert.»

Christof Spöring, Leiter Dienststelle Berufs- und Weiterbildung

Beim Kanton zeigt man sich momentan einigermassen zuversichtlich, bis August die 150 zusätzlichen Praktikumsstellen vermitteln zu können. «Wir haben 10 Tage nach unserer Kommunikationsoffensive mittlerweile 13 Betriebe, die sich gemeldet haben», so Christof Spöring. Ein Tropfen auf den heissen Stein?

Nachdem es zu Beginn etwas harzte, komme das Projekt nun besser in Fahrt, zeigt sich Spöring erfreut. Die nächsten 30 Praktika starten im Februar. Ob die Vermittlung allerdings tatsächlich zustande kommt, steht auf einem anderen Blatt.

IHZ-Direktor Felix Howald (links) und Christof Spöring, Leiter Dienststelle Berufs- und Weiterbildung beim Kanton.

IHZ-Direktor Felix Howald (links) und Christof Spöring, Leiter Dienststelle Berufs- und Weiterbildung beim Kanton.

(Bild: zvg)

Noch lange nicht am Ziel

Trotz der Fortschritte ist sich auch der Kanton bewusst, dass man noch lange nicht am Ziel ist. Denn die grosse Zahl der zu vermittelnden Jugendlichen stelle den Kanton vor nie da gewesene Herausforderungen, sagt Christof Spöring. Deshalb sei man darauf angewiesen, dass sich die Betriebe vermehrt selber beim Kanton melden, so seine Aufforderung an die Wirtschaft.

«Es ist logisch, dass eine erfolgreiche Integration auch die Wirtschaft etwas kostet.»

Christof Spöring, Leiter Dienststelle Berufs- und Weiterbildung

Spöring macht die Schwierigkeiten an einem Beispiel fest: «Früher haben wir für die Vermittlung eine Telefonliste mit Unternehmen hervorgeholt und einzelne Betriebe direkt kontaktiert.» Da es nur einzelne Flüchtlinge waren, sei dieses Verfahren recht erfolgreich gewesen, so Spöring.

In diesem Zuge konnten auch die Lehrpersonen des Brückenangebotes gleich selber die Initiative ergreifen und Betriebe kontaktieren, wenn sie den Eindruck hatten, dass ein Jugendlicher bereit für ein Praktikum sei. «Das erste Zwischenergebnis für das 2. Semester des Schuljahres 18/19 ist zwar erfreulich, doch gilt es auf Sommer 2018 einen grossen Effort zu leisten», sagt Spöring.

Integration ist nicht gratis

«Die zu vermittelnden jungen Flüchtlinge sind top motiviert. Sie wollen etwas leisten», so Christof Spöring. Das Potenzial sei eindeutig vorhanden. Es brauche jezt aber einen Ruck in den Betrieben, damit das Projekt erfolgreich gestaltet werden könne.

Auch wenn er die Bedenken der Wirtschaft verstehe, macht Spöring dennoch eines deutlich: «Eine erfolgreiche Integration ist nicht gratis, aber eine Aufgabe unserer Gesellschaft.» Wenn die jugendlichen Flüchtlinge keine Berufsausbildung erhielten, würden sie in der Sozialhilfe landen, was längerfristig Mehrkosten generiere.

«Es ist logisch, dass die erfolgreiche Integration auch die Wirtschaft etwas kostet», so Christof Spöring. Er erwarte aber, dass die Unternehmer noch mehr bereit sind, sich zu beteiligen und entsprechend zu investieren.

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