Info um Todesfall verbreitete sich wie ein Lauffeuer
Wenn Bildungsstätten zu einem Ort der Trauer mutieren. Nach dem plötzlichen Tod eines Lehrers vergangene Woche stand die Kantonsschule Beromünster vor dieser schwierigen Herausforderung. Man will sich Zeit lassen. Und trotzdem in einen geregelten Alltag übergehen.
Vergangene Woche wurde im Hallenbad der Kantonsschule Beromünster der Leichnam einer Person geborgen. Ein stellvertretender Lehrer ist – aus noch unerklärlichen Gründen – verunfallt. «Nach wie vor wissen wir nicht, was genau passiert ist», sagt Marco Stössel, Rektor der Kantonsschule Beromünster. «Wir sehen bis anhin nur die Konsequenzen dieses tragischen Ereignisses.»
Es ist nicht der erste Todesfall, der sich in einer Luzerner Bildungsstätte ereignet. Im Juni 2015 vollzog ein Lehrer des Landenberg-Schulhauses Suizid (zentralplus berichtete).
«Informieren, ohne zu dramatisieren»
«Es ist absolut entscheidend, die Schüler sachlich zu informieren und zugleich nicht zu dramatisieren», sagt Marco Stössel. Einerseits habe sich die Information unter den Schülern verbreitet, jedoch habe man jede Klasse informiert und über den Vorfall aufgeklärt. Klassenlehrer bieten als Bezugspersonen den Schülern Unterstützung, da diese einen intensiven Kontakt zueinander pflegen: «Die Verbundenheit und Vertrautheit von Schülern zu ihren Klassenlehrern sind essenziell.»
Dem schliesst sich auch Ruth Enz, Leiterin der schulischen Dienste der Stadt Luzern und Expertin für Kinder- und Jugendpsychologie, an: Es sei von grosser Bedeutung, Kinder und Jugendliche und ihr Bedürfnis nach Information ernst zu nehmen. «Es ist entscheidend, authentisch und möglichst altersgerecht über den Vorfall zu informieren.» So könne die individuelle Verarbeitung des Vorfalles seinen Lauf nehmen.
Zudem soll man Schüler im Auge behalten. Man muss beobachten, was der Tod eines Lehrers auslösen könne, so Enz. Klassenlehrer und Eltern werden mobilisiert, um bei Änderungen des Verhaltens von Kindern reagieren und Unterstützung anbieten zu können.
Beim Vorfall an der Kantonsschule Beromünster wurden zeitnah Briefe an Eltern verschickt, damit alle auf demselben Wissensstand sind, so Marco Stössel. Ein Care-Team war für die Betreuung der Schüler vor Ort anwesend. Spezifische Fachlehrpersonen aus dem Bereich Religion und Psychologie stehen für Gespräche mit Schülern bereit. Brauchen Schüler oder Lehrer zusätzliche Unterstützung, stehen auch weitere Fachpersonen auf Abruf bereit.
«In den Klassen kristallisieren sich Sinnfragen über Leben und Tod heraus. Diesen Fragen lassen wir Raum und Zeit.»
Marco Stössel, Rektor der Kantonsschule Beromünster
Miteinander zu sprechen und einander zu helfen, sei wichtig, um ein traumatisches Erlebnis bewältigen zu können, erklärt Stössel. Aber auch Zeit brauche es. Nicht nur Zeit für die Verarbeitung, sondern auch Zeit, sich mit der Thematik beschäftigen zu können: «In den Klassen kristallisieren sich Sinnfragen über Leben und Tod heraus. Diesen Fragen lassen wir Raum und Zeit, damit Schüler und Lehrer das Ereignis verarbeiten können.»
Ruth Enz erklärt, dass ein Todesfall im Umfeld von Kindern und Jugendlichen Gelegenheit bietet, das Thema Tod zu thematisieren. Es soll genutzt werden, da ein Tod viel auslösen könne und ein Thema sei, das zum Leben aller gehört.
Verarbeiten und verabschieden
Auch diese Woche habe man das Thema an der Kantonsschule Beromünster noch einmal aufgegriffen. In der grossen Pause am Montag veranstaltete man eine Trauerfeier gemeinsam mit Pater Oegerli, um den Verstorbenen gebührend verabschieden zu können. «In einem Kondolenzbuch können Schüler ihre Anteilnahme und Verbundenheit eintragen.»
«Die Schulstruktur gibt Sicherheit. Und trotzdem Raum, um Betroffenheit und Trauer zu zeigen.»
Ruth Enz, Expertin für Kinder- und Jugendpsychologie
Es sei wichtig, in angemessener Zeit zu einem normalen Schulalltag zurückfinden zu können, sagt Ruth Enz: «Die Schulstruktur gibt Sicherheit. Und trotzdem Raum, um Betroffenheit und Trauer zu zeigen.» Es helfe, sich an einem normalen Ablauf orientieren zu können. Dennoch sei es wichtig, der Verarbeitung Platz zu geben. «Die Betroffenheit und die Verarbeitung können von Person zu Person sehr unterschiedlich sein und hängen von ihrer Lebensgeschichte ab.»
«Die Verarbeitung kostet viel Energie.»
Marco Stössel
So sieht es auch der Rektor der Kantonsschule Beromünster: «Wir möchten wieder zu einem geregelten Alltag zurückkehren», so Stössel. «Dass wieder Französisch und Geschichte unterrichtet wird. Doch es ist wichtig, aufkommende Bilder aufzufangen und sich gegenseitig zu helfen. Die Verarbeitung kostet viel Energie.»
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