Austauschprojekt der Kantonsschule Alpenquai

«Es war so, als ob wir Stars aus Hollywood wären»

Florina Jakob, Schülerin der Kantonsschule Alpenquai, beim Besuch der Schule Edava Javahar in Varkala (Südindien).

(Bild: Benno Bühlmann)

Bunt, laut und herzlich: So haben Jugendliche ihre Zeit in Trivandrum erlebt. Schüler der Kantonsschule Alpenquai schnupperten im Rahmen eines Austauschprojekts südindische Luft und lernten eine neue Kultur kennen. Die soziale Kluft, das Pflichtbewusstsein, aber auch die Herzlichkeit der indischen Bevölkerung habe die Luzerner sehr geprägt – wovon sie für die Zukunft gerne etwas mitnehmen möchten. 

Zürich – Abu Dhabi – Trivandrum: Dies stand auf den Flugtickets von 19 Schülern der Kantonsschule Alpenquai. Im Rahmen des interkulturellen Austauschprojekts «Swiss-Indian Classroom» besuchten diese vom 1. bis 11. Januar die Christ-Nagar-Schule in Südindien. Tropisches Klima, das Treiben einer lärmenden Grossstadt und die Gastfreundschaft Indiens prägten die Erfahrungen der Jugendlichen. 

Trivandrum – der Reiz des Exotischen

Die Wahl sei nicht kopflos auf das exotische Trivandrum gefallen, erklärt Benno Bühlmann, Fachlehrer für Religionskunde und Ethik an der Kantonsschule Alpenquai, der die Schüler bei diesem Projekt gemeinsam mit Tommi Mendel und Tamar Krieger begleitet hat. Religiös sei die Hauptstadt Keralas interessant, da sie von einem religiösen Pluralismus geprägt sei: Die Mehrheit, rund 55 Prozent, gehören dem hinduistischen Glauben an, aber auch Muslime und Christen sind vorzufinden. Auch gesellschaftliche Thematiken könne man anhand der Stadt gut aufgreifen, so die Genderproblematik, die Diskrepanzen zwischen Arm und Reich oder die Schwierigkeit mit dem Abfall.

Bereits zum zweiten Mal führte die Kantonsschule Alpenquai das Projekt durch, das letzte Mal vor zwei Jahren (zentralplus berichtete). Ermöglicht wurde das Projekt durch die Stiftung Mercator Schweiz, die Schulpartnerschaften mit Indien fördert, um jungen Menschen persönliche Begegnungen und Einblicke in andere Lebensweisen zu gewähren. Im Oktober statteten die indischen Schüler einen Besuch in der Leuchtenstadt Luzern ab. Nun waren Schüler des Ergänzungsfachs Religionskunde und Ethik an der Reihe. Untergebracht wurden sie in Gastfamilien. Das Programm war eng gestaffelt. Tempel und Moscheen wurden besucht, aber auch ein Rehabilitationszentrum für Elefanten.

Auch die 16-jährige Mena Niederer und der 18-jährige Sandro Florian durften die völlig fremde Welt und Kultur Indiens erleben. Wie haben sie Indien und die zwischenmenschlichen Kontakte erlebt? 

 

Die Schüler der Kantonsschule Alpenquai in Kanyakumari – dem meistsüdlich gelegenen Platz Indiens. Ganz links im Bild: Tommi Mendel, Koordinator des Austauschprojekts.

Die Schüler der Kantonsschule Alpenquai in Kanyakumari – dem meistsüdlich gelegenen Platz Indiens. Ganz links im Bild: Tommi Mendel, Koordinator des Austauschprojekts.

Bewegter und herzlicher Empfang in Südindien

Auf dem Innenhof der Christ-Nagar-Schule in Trivandrum wurden die 19 Schüler der Kantonsschule Alpenquai von rund 2’000 Schülern begrüsst. Diese seien auf vier verschiedenen Etagen gestanden. Sie sangen die Nationalhymne, überreichten den Schweizern Blumenkränze und eine Rose. Die 16-jährige Mena Niederer erzählt, dass alle einem die Hand reichen und Fotos machen wollten. Sogar Wünsche nach Autogrammen seien geäussert worden.

«Es war so, als ob wir irgendwelche Stars aus Hollywood wären», meint auch Sandro Florian. «Wir kamen gar nicht mehr vorwärts, da jeder uns die Hand geben wollte.» – «Ja genau. Nur kurz die Hand schütteln und nach dem Namen fragen. Dann waren sie glücklich und gingen wieder», stimmt Mena zu. «Kaum aus dem Bus gestiegen, wurde die Kamera für Fotos gezückt.» – «Ich hatte die ganze Zeit ein Grinsen im Gesicht, so überwältigt war ich», schildert Sandro seine Eindrücke.

Der Austausch zwischen indischen und schweizerischen Schülern.

Der Austausch zwischen indischen und schweizerischen Schülern.

(Bild: Benno Bühlmann)

Die Gastfreundschaft Indiens

Die Ankunft sei bewegend gewesen, meinen Mena und Sandro. «Wenn man das erste Mal in Indien ist, ist man von der Gastfreundschaft vor Ort ergriffen», sagt auch Benno Bühlmann.

«Am liebsten würde ich bei der Ankunft der indischen Schüler in Luzern noch einmal alles ganz anders machen», sagt Mena. Die Ankunft in Indien sei herzlich und eindrucksvoll gewesen. Das Willkommenheissen der indischen Austauschschüler in Luzern im vergangenen Oktober sei nur halb so gebührend gefeiert worden. «Wir haben von einem Blatt abgelesen und Venus von Bümpliz gesungen», meint Mena lachend. «Von der indischen Gastfreundschaft können wir uns wirklich eine Scheibe abschneiden.»

Facettenreiche Eindrücke Indiens

«Sehr bunt und laut» habe Mena Indien wahrgenommen. Aber auch die Offenheit der Inder sei ihr in Erinnerung geblieben. Sitze man in der Schweiz in einem Bus, kapsle man sich von der Aussenwelt ab. Kopfhörer werden in die Ohren gesteckt und man nerve sich nur, wenn man von jemandem angesprochen werde. In Indien sei man viel offener, jeder wechselt mit jedem ein paar Worte. «Ich vermisse das schon ein wenig in der Schweiz», meint Mena ein bisschen reumütig.

Im Allgemeinen sei es sehr dreckig gewesen: «Ich habe fast nirgends einen Abfallkübel gesehen», so Mena. Der Abfall werde überall auf der Strasse hingeworfen oder gar verbrennt, erzählt Sandro. Oder Käfer habe es überall gehabt. «Ich habe zwar nichts gegen Käfer, aber mein Bett muss ich nicht gerade freiwillig mit denen teilen», meint Mena lachend.

Typisch indische Küche: Curry, das auf Bananenblätter serviert wird, und von Hand verspiesen wird.

Typisch indische Küche: Curry, das auf Bananenblätter serviert wird, und von Hand verspiesen wird.

(Bild: Tommi Mendel)

Die Religion ist stark präsent, erzählt Mena weiter. «Es gibt da wirklich an jeder Ecke einen Priester und einen kleinen Hindu-Tempel.» Jeden Morgen und Abend werden entsprechende Rituale praktiziert. Doch nicht nur in der Strasse und in Tempeln treffe man auf Religion und Glaube. Auch bei ihrer Gastfamilie sei ein ganzes Zimmer der Religion gewidmet, wo zahlreiche Bilder und Figuren von Ganesha und anderen Göttern Platz fänden.

«Arm und Reich ist da sehr nahe beieinander.»

Sandro Florian, beteiligter Jugendlicher

Auch die soziale Kluft sei gewaltig gewesen. «Arm und Reich ist da sehr nahe beieinander», sagt Sandro. Bei Busfahrten erblickten die Schüler die schönsten Häuser neben einem verlotterten, kaputten Haus. Die Schüler an der Christ-Nagar-Schule tragen Schuluniformen, was die beiden positiv empfunden haben. «So siehst du nicht, wer arm und wer reich ist», meint Sandro. «Man konzentriert sich dann eher auf den Charakter und nicht auf den Status oder Reichtum eines Menschen.»

In der Mitte: Die 16-jährige Mena Niederer, ganz in gelb gehüllt, die gemeinsam mit 18 anderen Schülern Südindien besuchte.

In der Mitte: Die 16-jährige Mena Niederer, ganz in gelb gehüllt, die gemeinsam mit 18 anderen Schülern Südindien besuchte.

(Bild: Tommi Mendel)

Das Streben nach Perfektion

Die indischen Schüler seien sehr pflichtbewusst und erfolgsorientiert. «Bei uns haben alle dieselben Karten, die eine Matura haben», argumentiert Sandro. Einzelne Prüfungsergebnisse seien nicht entscheidend. Indische Schüler hingegen würden sich mehr anstrengen, um gute Prüfungsnoten erzielen zu können.

«In Indien musst du in allem perfekt sein. Egal ob beim Tanzen, beim Debattieren oder in der Schule.»

Mena Niederer

Laufend werden Weiterbildungen besucht, nach der Schule geht man nach Hause und lernt weiter. «Bei so vielen Leuten und dem ganzen Wettkampf muss man einfach rausstechen», so Sandro. «In Indien werden Kinder extrem gepusht», erzählt auch Mena. «In Indien musst du in allem perfekt sein. Egal ob beim Tanzen, beim Debattieren oder in der Schule. Dieser Gedanke wird allen eingetrichtert.»

«Die indischen Schüler schwänzten extra für uns die Schule. Sie sagten dem immer ‹Swiss Programm›.»

Sandro Florian

Als die Schweizer zu Besuch in Indien waren, kam es allerdings zu einem Ausnahmezustand. «Sie schwänzten extra die Schule, um auch nach dem Unterricht mehr Zeit mit uns verbringen zu können», so Sandro. «Sie sagten dem dann immer ‹Swiss Programm›.»

Die Selbstverständlichkeit kleiner Dinge im Alltag

Ziel des interkulturellen Projekts ist, durch den Austausch mit anderen Kulturen sich selbst kennenzulernen. Man soll dazu angeregt werden, eigene Sichtweisen und die eigene Kultur zu überdenken und zu hinterfragen, sagt Tommi Mendel, Fachlehrer Religionskunde und Ethik an der Kantonsschule Alpenquai und Koordinator des Austauschprojekts.

Zu Besuch in einer Rehabilationsklinik für Elefanten.

Zu Besuch in einer Rehabilationsklinik für Elefanten.

(Bild: Benno Bühlmann)

Die Idee hat offensichtlich gefruchtet. Sandro erzählt, dass ihn diese Erfahrung sehr bereichert habe. «Ich habe daraus viele Sachen fürs Leben gelernt. Deshalb habe ich auch das Ergänzungsfach Religion gewählt. Es hilft, andere Menschen besser verstehen und bestimmte Handlungen besser nachvollziehen zu können.» Es sei wichtig, meint Sandro, dass man neuen Kulturen ohne Vorurteile gegenübertritt und offen für Neues sei. «Auch schätze ich nun diejenigen Sachen im Alltag, die vorher selbstverständlich waren.» Er achte es nun mehr, seine Freizeit so gestalten zu dürfen, wie er es wolle.

«Ich möchte künftig freundlicher und herzlicher zu anderen sein. Einfach mal jemandem ein Lächeln schenken.»

Mena Niederer

Auch Mena denkt gerne an die Zeit zurück. Die indische Gastfreundschaft habe sie sehr geprägt: «Ich möchte künftig freundlicher und herzlicher zu anderen sein. Einfach mal jemandem ein Lächeln schenken.»

 

Links: Benno Bühlmann, Fachlehrer Religionskunde und Ethik und Betreuer des Austauschprojekts. Rechts: Sandro Florian. Mena Niederer musste ein wenig frühzeitig das Gespräch beenden. Grund: Eine anstehende Physik-Prüfung.

Links: Benno Bühlmann, Fachlehrer Religionskunde und Ethik und Betreuer des Austauschprojekts. Rechts: Sandro Florian. Mena Niederer musste ein wenig frühzeitig das Gespräch beenden. Grund: Eine anstehende Physik-Prüfung.

(Bild: ida)

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