Monika Hirt mit 53 Jahren vor neuer Berufung

Die spätberufene Pfarrerin aus Zug

Monika Hirt im Zentrum Chilematt: Im Hintergrund stehen Krippenfiguren.

(Bild: lob)

Quereinsteiger finden sich mittlerweile in vielen Berufen – neuerdings ist ein Quereinstieg auch im Pfarrberuf möglich. Die Steinhauserin Monika Hirt ist die Erste, die den neuen Studiengang der Universitäten Basel und Zürich abgeschlossen hat. Wohlgemerkt mit 53 Jahren. Ein Entscheid, den ihre drei Kinder «nicht gerade cool» finden.

Wir treffen Monika Hirt an einem strahlenden, aber kalten Dezembertag beim Zentrum Chilematt in Steinhausen, wo sie seit über 20 Jahren wohnt. Gemeinsam mit Pfarrerinnen und Pfarrern aus der Gemeinde hat sie hier während des Studiums schon bei den ersten Gottesdiensten mitgeholfen. «15 Jahre sass ich ausserdem im Kirchenrat der Reformierten Kirche Kanton Zug, den ich auch präsidiert habe», erzählt Hirt. Im Amt sei auch ihr Entschluss gereift, sich dem Pfarrberuf zu widmen.

«Mehr Junge zu erreichen, wäre schön»

Klappt alles, wird Monika Hirt im nächsten Sommer zur Pfarrerin ordiniert. Und wird sich damit konfrontiert sehen, dass die «Branche» nicht gerade boomt – die Landeskirchen haben schon seit längerem mit Mitgliederschwund zu kämpfen. «Deshalb ist es auch mein Wunsch für die berufliche Zukunft, dass ich während meiner Zeit Anknüpfungspunkte zu Jugendlichen finden kann.»

«Man kann seinen Glauben auch weitergeben, ohne extrem fromm zu sein.»

Monika Hirt, angehende Pfarrerin

Anfangs war Hirt davon überzeugt, später im Amt vor allem Erwachsene und Senioren zu betreuen, da sie selbst ja schon etwas älter sei. «Die Arbeit mit den Konfirmanden macht mir aber riesig Spass.» Oftmals kämen ehemalige Konfirmanden zum Beispiel bei der Trauung auf ihren alten Pfarrer zurück und fänden so den Kontakt zur Gemeinde wieder. «Zwischen 20 und 30 wollte ich selber nicht viel von Kirche wissen», gesteht Hirt.  Wenn aber die Grundlage, der «Boden» gelegt sei, fänden mehr den Weg zurück – «und auch dazu möchte ich beitragen.»

Kein leichter Entscheid

Ursprünglich hat die Steinhauserin Germanistik und Philosophie studiert, war in diesen Fachbereichen aber nie stark tätig, wie sie erzählt. «Ich habe eher im sozialwissenschaftlichen Bereich gearbeitet, mich in der Regionalpolitik engagiert und wurde dann bald mal in der Kirchenrat gewählt.» Durch die enge Zusammenarbeit mit den kirchlichen Mitarbeitenden wuchs der Wunsch, im Glaubensbereich «in die Tiefe» zu gehen – und nicht nur auf der administrativen Seite zu stehen.

Adventszeit ist Kerzenzeit – auch in Steinhausen.

Adventszeit ist Kerzenzeit – auch in Steinhausen.

(Bild: lob)

Einen Schlüsselmoment, an dem sie wusste, dass sie nun Pfarrerin werden will, habe es nicht gegeben. «Es war ein langer Prozess, in dem ich mich auch gefragt habe, ob mein Glaube so viel ‹hergibt›, dass ich ihn vermitteln kann.» Und bejahte schliesslich: Im Endeffekt sei es ihrer Meinung heute so, dass Menschen ermutigt werden sollen, sich «selber denkend» mit dem Glauben auseinanderzusetzen. «Man kann ihn auch weitergeben, ohne extrem fromm zu sein», ist die angehende Pfarrerin überzeugt.

Am Schluss habe ich zwei Jahre mit mir gerungen, ob ich nochmals ein Studium anfangen soll. Ich habe es dann einfach mal probiert – und es hat mir sofort den Ärmel reingezogen», erzählt die 53-Jährige begeistert.

Kinder fanden es erst «uncool»

Wie reagierte das Umfeld auf die berufliche Neuorientierung? «Meine drei Kinder konnten sich mich – zumindest anfangs – in dieser Rolle nur schwer vorstellen», sagt Hirt. Ausserdem seien alle im Teenie-Alter gewesen, als sie das Studium begann. «Cool fanden sie es deshalb nicht gerade», fügt sie lachend an.

«Bei Seelsorge-Gesprächen reicht es oft, zunächst nur ein offenes Ohr zu haben.»

Ihr Ehemann habe selber nicht viel mit der Kirche am Hut, habe sie aber unterstützt. «Wir haben vorher beide Teilzeit gearbeitet, und er hat sein Pensum dann wieder erhöht.» Freunde und Bekannte waren vom neuen Berufswunsch ebenfalls begeistert – «und spätestens bei der Übergabe des Masterdiploms waren alle sehr stolz», schmunzelt Hirt.

Berufslehre bei der Kirche

Momentan absolviert die 53-Jährige in Affoltern am Albis ihr Vikariat – «so etwas wie die Berufsschule der Kirche.» Auf dem Stundenplan steht unter anderem die Arbeit in der Kirchgemeinde. Erste Gottesdienste. Predigten schreiben. Konfirmationsunterricht geben und Seelsorge-Gespräche führen. «Aber auch Sing- sowie Sprechunterricht bei einer Schauspielerin stehen auf dem Plan», merkt Hirt an, um am Auftreten für die Gottesdienste zu feilen.

Bei den Seelsorge-Gesprächen habe sie viele nachdenkliche Momente: «Ich habe schon öfters im Altersheim Gespräche geführt, auch mit dementen Menschen.» Beim Spaziergang mit einer älteren Dame habe diese bei der Rückkehr ins Zimmer zunächst nichts und niemanden mehr erkannt. «Die Hilflosigkeit in dieser Situation zu sehen – das hat mich noch lange beschäftigt.» Umso wichtiger sei es für die Steinhauserin, noch weiter zu lernen, die Balance zwischen Zuhören und Reden zu finden. «Natürlich will man ein gutes Seelsorge-Gespräch führen, doch in vielen Fällen reicht es oft, zunächst nur ein offenes Ohr zu haben.»

Respekt für alle Mitglieder

«Die Kirche braucht auch in Zukunft Menschen, die sich aktiv beteiligen, mittragen und mitgestalten.» Natürlich sei es schön, wenn an Weihnachten in einem vollen Gotteshaus «O du Fröhliche» gesungen werde. Etwas erzwingen zu wollen, sei aber der falsche Weg: «Die Landeskirchen müssen meiner Meinung nach akzeptieren und respektieren, dass es Mitglieder gibt, die das Angebot nicht nutzen. Also weder Gottesdienste, noch andere Veranstaltungen besuchen. Diese Mitglieder sind ebenso wichtig, denn sie unterstützen finanziell und ideell.

Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen seien gute Gelegenheiten, mit der Kirche in Berührung zu kommen. «Manche Kirchenferne sind dann überrascht, dass die Kirche heute viel offener und moderner ist, als sie gedacht haben.» Sie stelle immer wieder fest, je weiter und länger die Menschen von der Kirche weg waren, desto antiquierter sei oft ihre Vorstellung.

Weihnachten wird gearbeitet

Apropos «O du Fröhliche» – was bedeutet Weihnachten der 53-Jährigen? «Im Zentrum steht für mich die Geburt von Jesus; dass er zu uns Menschen auf die Welt gekommen ist. Nicht als donnernder, mächtiger Herrscher, sondern als kleines, hilfsbedürftiges Kind.» Fast nirgends werde in ihren Augen so gut sichtbar, wie durch diese Geburt, was die zentrale christliche Botschaft beinhaltet: Fürsorge, Liebe, Nächstenliebe.

Am 24. Dezember wird in sie in Affoltern selber den abendlichen Familiengottesdienst halten. Mit einer weihnachtlichen Geschichte, einer Krippenlandschaft und gemeinsamem Singen will sie den Abend dann begehen.

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