Der Hofsamichlaus und seine Herausforderungen

«Hühnerhaut, jedes Jahr»: Besuch beim ältesten Samichlaus Luzerns

Ein eindrücklicher Moment: Der Samichlaus oberhalb der Treppe vor der Hofkirche. In der Stadt nimmt das Leben seinen gewohnten Lauf.

(Bild: zvg/Hofsamichlaus)

Gerade in der heutigen Zeit kann der Samichlaus einen Ausgleich zum stressigen Alltag bieten. Die Menschen nehmen sich für die Pflege des Brauches wieder mehr Zeit als vor einigen Jahren, erzählen uns zwei Samichläuse. Trotzdem treffen sie auch auf Kinder vor dem Fernseher – und erschreckende Erwachsene.

Seit 1908, das zeigt ein Blick in die Medienarchive, besucht der Hofsamichlaus in Luzern Jahr für Jahr Familien, Alte und Kranke. Damit ist er der älteste Samichlaus in der Stadt Luzern, sagt Philipp Zeier, Hauptverantwortlicher für den reibungslosen Ablauf beim Hofsamichlaus.

Mit einem Einzugsgebiet vom Bramberg über den Maihof und das Wesemlin bis zum Bellerive-Quartier ist er auch der Grösste. Doch wer sind die Menschen unter dem Bischofsgewand? Und wie erleben sie den Samichlaus im Wandel der Zeit?

Seit Jahren in der Organisation dabei

Die Männer, die als Hofsamichlaus unterwegs sind, stammen aus allen Zweigen der Gesellschaft. «Der Jüngste ist dieses Jahr 26, der Älteste ist schon seit einigen Jahren pensioniert», sagt der 34-jährige Philipp Zeier, seit ein paar Jahren selber Samichlaus.

Wenn sie aber nicht gerade als Samichlaus unterwegs sind, sind die Männer Angestellte der Bundesverwaltung, Brandschutzexperten oder Finanzchef bei einem Grosskonzern.

Gemeinsam ist allen Samichläusen, dass sie seit Jahren dabei sind und deshalb die Organisation kennen. «Dies ist für uns wichtig», so Zeier. Man bevorzuge Leute, die in der Organisation wenn möglich die ganze Karriere hingelegt haben. «Wir wollen, dass die Qualität stimmt und unsere Vorstellung des Samichlaus gelebt und vertreten wird», erklärt er.

Sind jeweils zu neunt unterwegs: Die verschiedenen Gruppen des Hofsamichlaus mit den Zwergen, den Ministranten, den Diakonen und den Schmutzlis.

Sind jeweils zu neunt unterwegs: Die verschiedenen Gruppen des Hofsamichlaus mit den Zwergen, den Ministranten, den Diakonen und den Schmutzlis.

(Bild: zvg/Hofsamichlaus)

Unter «Qualität» versteht Philipp Zeier die Fähigkeit, auf die Kinder eingehen zu können. Nur gut erzählen zu können, reiche nicht aus. Denn gerade Kinder seien oft unberechenbar, da sie im Gegensatz zu den Erwachsenen eine grosse Unbekümmertheit an den Tag legen. «Das kann auch mal zu herausfordernden Situationen führen, in denen diese Fähigkeit von zentraler Bedeutung ist.»

«Karriere» heisst im Sinne des Hofsamichlaus, dass man vom Zwerg im Primarschulalter über den Ministranten als Jugendlicher sowie als Diakon oder Schmutzli als junger Erwachsener bis letztlich zum Samichlaus möglichst alles hautnah miterlebt hat.

«Viele Eltern erschrecken mehr als die Kinder, wenn der Samichlaus vor der Türe steht.»

Philipp Zeier, Leiter Hofsamichlaus

Dies hat auch der älteste Samichlaus im Team, der seit über 40 Jahren den Bischof von Myra verkörpert, so gemacht. «Ich bin ein Heimweh-Luzerner», sagt er, der lieber inkognito bleibt. Auch wenn ich seit Jahrzehnten im Grossraum Bern wohne, zieht mich der Brauch jedes Jahr wieder zurück in meine alte Heimat.» Obwohl er den Samichlaus in Bern nicht schlechtreden will, so konnte ihn die Art, wie er dort gelebt und zelebriert wird, nie wirklich gewinnen.

Längst nicht nur für Kinder da

Im Gespräch mit den beiden Männern wird rasch klar, dass der Samichlaus längst nicht nur für die Kinder da ist. Auch wenn die grösste Zielgruppe natürlich Familien seien, fordere der Samichlaus auch die Erwachsenen zu einer kritischen Reflexion auf. Der Unterschied sei lediglich, wie die Botschaft vermittelt werde. Bei den Erwachsenen könne man im Gegensatz zu den Kindern direkter sein.

Auszug aus der Hofkirche

Der Hofsamichlaus zieht mit seinem Gefolge jedes Jahr am ersten Sonntag im Dezember aus der Luzerner Hofkirche. Der Auszug findet dieses Jahr am 3. Dezember abends um 17 Uhr statt.

Den Erwachsenen wird durch den Samichlaus-Besuch oft auch bewusst, wie schnell die Zeit vergeht. «Viele Eltern erschrecken deshalb oft mehr als die Kinder, wenn der Samichlaus vor der Türe steht», sagt er.

Das Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit? Genau dies zeige, dass der Besuch des Samichlaus auch für die Erwachsenen ein sehr spezieller, mitunter auch intimer Moment sein kann, sagen die beiden Männer.

«Solche Momente zu erleben, ist der nicht bezahlbare Lohn für die teils stressige Arbeit», so Zeier. Die Verantwortlichen des Hofsamichlaus beginnen bereits im Januar wieder mit der Planung für die Familienbesuche am Ende des Jahres.

«Es kommt vor, dass die Kinder noch vor dem Fernseher sitzen, wenn der Samichlaus klingelt.»

Philipp Zeier, Leiter Hofsamichlaus

Die älteste Person, die man dieses Jahr besuche, ist gegen 100 Jahre alt, so Zeier. Gerade für die betagten Menschen in den Altersheimen sei der Samichlaus jedes Jahr ein sehr spezieller Moment. «Man spürt, dass sich die alten Menschen in ihre Kindheit zurückversetzt fühlen.» Das Leuchten in den Augen der Kinder sei dasselbe wie bei den alten Menschen. «Diese Momente sind unbezahlbar», schwärmen beide Samichläuse.

Moderne Gesellschaft …

Als Samichlaus muss man heute zudem flexibler sein als früher. «Viele Familien melden sich heute extrem spät an», sagt Philip Zeier. Regelmässig noch spontan am Morgen des Besuchstages. Das stelle die Organisation doch vor einige logistische Herausforderungen. Absagen würde man den Familien aber eigentlich nie. «Der Samichlaus ist nie ausgebucht», betont er.

Der Hofsamichlaus und sein Gefolge vor der Hofkirche.

Der Hofsamichlaus und sein Gefolge vor der Hofkirche.

(Bild: zvg/Hofsamichlaus)

Zudem nehmen sich einige Familien heute weniger Zeit als früher. «Die Leute geben uns teilweise enge Zeitfenster an, in denen sie den Samichlaus empfangen möchten.» Dies sei für die Planung oft sehr schwierig, zeige wohl aber die Bedürfnisse der heutigen Gesellschaft.

Weiter komme es vor, dass Kinder noch vor dem Fernseher sitzen, wenn der Samichlaus klingelt. «Schade», findet Philipp Zeier. Die Eltern müssten das aber letztlich selber entscheiden, welchen Rahmen sie als angemessen erachten.

«Die Menschen erleben den Brauch heute wieder bewusster.»

Ein erfahrener Samichlaus

Aber auch innerhalb der Organisation spürt man die Veränderungen: Mitwirkende Jugendlichen melden sich spontan wieder ab und es gibt allgemein eine abnehmende Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren. Doch der Samichlaus ist auf ein gewisses Know-how angewiesen. «Man betrachte nur mal die aufwendigen Kostüme des Samichlaus und seinem Gefolge», sagt Zeier. Bezahlen könnte man den Aufwand dafür nie und nimmer.

… mit Hang zur Tradition

Doch trotz der Herausforderungen hat sich der Samichlaus an und für sich nicht verändert, sagen die beiden Männer. Dies dürfe er auch nicht. «Die Leute wollen den ursprünglichen Samichlaus.» Um seine Botschaft zu vermitteln und seine Aufgabe für die Kinder und Erwachsenen weiterhin wahrnehmen zu können, müsse er sich komplett treu bleiben. Sonst mache es keinen Sinn. 

Die beiden Samichläuse machen dies an eigenen Beobachtungen fest: Nach der Zeit um die Jahrtausendwende sei wieder eine stärkere Rückbesinnung auf die ursprüngliche Idee des Brauches festzustellen. «Die Menschen erleben den Besuch des Samichlaus wieder bewusster und intensiver als vor einigen Jahren», sagt der Ältere der beiden.

Er habe das Gefühl, dass sich die Erwachsenen und die Kinder heute wieder gezielter auf den Besuch des Samichlaus vorbereiten, so der erfahrene Samichlaus. Sowohl zu Hause als auch in der Schule. «Man dekoriert, backt und bastelt wieder vermehrt», zeigt er sich erfreut.

Und er merkt auch, dass es in den Buchhandlungen wieder vermehrt neue Samichlausgeschichten gibt. «Wenn ich in der Buchhandlung kein Exemplar reserviert hätte, wäre ich dieses Jahr leer ausgegangen», sagt er schmunzelnd.

Ein eindrücklicher Moment: Der Samichlaus oberhalb der Treppe vor der Hofkirche. In der Stadt nimmt das Leben seinen gewohnten Lauf.

Ein eindrücklicher Moment: Der Samichlaus oberhalb der Treppe vor der Hofkirche. In der Stadt nimmt das Leben seinen gewohnten Lauf.

(Bild: zvg/Hofsamichlaus)

Ein Moment der Stille und der Besinnung

Zum Schluss schildert uns der Mann, der fast sein ganzes Leben als oder mit dem Samichlaus unterwegs ist, ein eindrückliches Bild: «Stellen Sie sich vor, Sie treten beim grossen Samichlausauszug aus der Hofkirche und blicken die grosse Treppe hinunter. Hunderte Augenpaare schauen Ihnen entgegen. Das Kirchenportal wird von Fackeln erleuchtet und in die Ohren strömen die Fanfaren der Heralden. Die Zeit scheint für einen Moment komplett still zu stehen.»

Nur ein paar Dutzend Meter weiter geht die hektische Welt ihren gewohnten Lauf. «Der Kontrast könnte nicht grösser sein», sagt der Samichlaus. «Hühnerhaut. Jedes Jahr aufs Neue».

Sorgen mit ihren Fanfaren für Hühnerhaut: die Heralde des Hofsamichlaus.

Sorgen mit ihren Fanfaren für Hühnerhaut: die Heralde des Hofsamichlaus.

(Bild: zvg/Hofsamichlaus)

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