Marc Horat, Luzerns Master of the Universe

«Wir sind im besten Fall eine Randnotiz»

Kurator Marc Horat vor dem Eingang zum Planetarium des Verkehrshauses Luzern.

(Bild: giw)

Seit dreieinhalb Jahren ist Marc Horat Kurator des Planetariums im Verkehrshaus Luzern. Sein Himmelssimulator kennt keine Grenzen. Er entführt seine Gäste in die unendlichen Weiten – und ist doch auf dem Boden geblieben. Denn so wirklich trauen tut der Astrophysiker der Technik nicht.

Erwartungsvoll schaut das Publikum nach oben in den Sternenhimmel. Richard Strauss’ «Also sprach Zarathustra» zu Nietzsches Klassiker ertönt, die Weite des Alls weicht und wir rasen zur epochalen Musik auf den Mond zu.

Gerade rechtzeitig weichen wir aus. Und dann erblicken wir ihn, den verletzlichen blauen Planeten. Unsere Erde scheint beinahe greifbar in gestochen scharfem Bild. Damit endet der digitale Ritt durch die Gestirne, der durchaus den Magen leicht auf den Kopf stellen kann.

«Das Planetarium hat enormes Potenzial», meint der junge Kurator Marc Horat. Dieses will er voll ausschöpfen. Seit rund dreieinhalb Jahren arbeitet der dreifache Familienvater im Verkehrshaus und füttert seine sieben Mitarbeiter mit frischen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Weiten da draussen. Es ist die schweizweit einzige Stelle in der Privatwirtschaft auf seinem Fachgebiet – ein Glücksfall.

Marc Horat in seinem Reich, dem Planetarium.

Marc Horat in seinem Reich, dem Planetarium.

(Bild: giw)

Unendliche Möglichkeiten

Der 32-jährige Astrophysiker strahlt, wenn er über seine Arbeit spricht. «Das ist ein Traumjob», sagt er, und das glaubt man ihm sofort. Bereits sein T-Shirt lässt vermuten: Hier hat jemand sein Hobby zum Beruf gemacht. Aufgedruckt ist unsere Galaxie, die Milchstrasse, dank dem ikonischen Google-Maps-Marker darauf ist gar die ungefähre Position der Erde auszumachen.

Seine Liebe für den Kosmos in Luzern, die begann früh. «Bereits im Alter von 12 Jahren habe ich in der Sternwarte Hubelmatt begonnen mitzuhelfen.» Die Abende, an denen er noch heute dort hinaus in die Ferne blicke, seien jeweils erfüllt von tiefgründigen Gesprächen und dem Staunen über das Universum.

«Der letzte Strohhalm, dass wir etwas Besonderes sind im Universum, nämlich die Einzigartigkeit des Menschen, wird fallen.»

Marc Horat, Kurator Planetarium Verkehrshaus

Das Weltall helfe, sich selbst in die richtige Perspektive zu rücken. «Wenn ich in die unendliche Weite des Universums blicke und im Vergleich die winzige Erde betrachte, denke ich mir schon, dass wir uns selbst als Menschheit untereinander das Leben manchmal unnötig schwer machen.» Unvorstellbar sind die Proportionen: «Wir sind ein Planet, der um einen Stern kreist, in einer normalen Galaxie mit 200 Milliarden anderen Sonnen und es gibt 200 bis 300 Milliarden andere Galaxien im Universum.» Ein Gefühl der Demut überkommt ihn dabei: «Wir sind absolut unbedeutend, bestenfalls eine Randnotiz.»

Seit dreieinhalb Jahren ist Horat Kurator im Verkehrshaus der Schweiz. Kurz bevor er seine neue Aufgabe übernahm, wurde das Planetarium umfassend erneuert. Der altgediente Zeiss-Sternenprojektor musste weichen, seither ist die Himmelsmaschine im grössten Planetarium der Schweiz voll digitalisiert und eröffnet damit viele neue Möglichkeiten. «Ich kann mit dem Publikum nun live durch das Universum fliegen, auf dem Mars landen oder der Umlaufbahn von Meteoriten folgen. Ich halte hier einen Universums-Simulator in den Händen. Die Möglichkeiten sind wortwörtlich unendlich.»

Live-Schaltungen ins All

Horat, der sich deshalb scherzhaft auch als Master of the Universe bezeichnet, nutzt sein wissenschaftliches Arbeitsgerät immer wieder, um sich während der Vorstellungen bei aktuellen Ereignissen der Raumfahrt in Echtzeit einzuschalten. Beispielsweise als im letzten Februar ein neues Exoplanetensystem entdeckt wurde: «Eine Stunde nachdem die wissenschaftliche Arbeit veröffentlicht wurde, konnte ich das System bereits auf meiner Kuppel zeigen und anfliegen.»

«Planeten – Expedition ins Sonnensystem»

Seit Anfang Oktober läuft im Planetarium des Verkehrshauses Luzern eine neue Show unter dem Titel «Planeten – Expedition ins Sonnensystem». Die Show entstand aus einer Zusammenarbeit von 19 Planetarien aus Deutschland, der Schweiz und Österreich, unter anderem unter Beteiligung des Verkehrshauses. «Erstmals werden auf der Planetariums-Kuppel Monde und Planeten so naturgetreu dargestellt, als stünde der Zuschauer selbst auf einem dieser Himmelskörper», steht in der Medienmitteilung.

Die nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen gewonnenen Informationen und Bilder der Show stammen zum Beispiel von ferngesteuerten Raumsonden: «Cassini», eine Sonde der NASA, hat die Saturnringe und seine zahlreichen Monde untersucht. Die europäische Sonde «Rosetta» landete ein Gerät auf einem Kometen und die amerikanische Raumsonde «New Horizons» ist vor gut drei Jahren am Pluto vorbeigeflogen.

Die aktuellen Fortschritte in der Weltraumforschung sind enorm und es sei nur eine Frage der Zeit, bis Leben auf fremden Welten entdeckt würde. «Der letzte Strohhalm, dass wir etwas Besonderes sind im Universum, nämlich die Einzigartigkeit des Menschen, wird fallen», ist Horat überzeugt. «Bis in den 60er-Jahren ging man sogar davon aus, dass es auf dem Mars Zivilisationen gibt. Als die ersten Sonden dann stattdessen eine tote Wüste entdeckten, ist man dann eher erschrocken.» Das Streben nach der Ferne, das schlummere im Menschen – schon immer.

Das zeige sich auch in den Besucherzahlen – diese entwickeln sich positiv. Zusammen mit dem Verkehrshaus Filmtheater und dem Swiss Chocolate Adventure trage das Planetarium zur Finanzierung des Museums bei. Doch wie lange noch gehen die Leute unter die Kuppel, wenn die virtuelle Realität bereits die Wohnzimmer erobert und jedermann zu Hause in fremde Welten eintauchen kann?

Horat macht sich keine Sorgen – obwohl einige seiner Kollegen sich davor fürchten: «Ich sehe das als grosse Chance. Planetarien fristen seit jeher ein Nischendasein. Mit den zahlreichen nun entstehenden Virtual-Reality-Filmen habe ich nun plötzlich viel mehr Material, das ich in der Kuppel zeigen kann.» Beispielsweise könne man nun 360°-Aufnahmen aus dem Cockpit der Patrouille Suisse zeigen, das wäre noch vor ein paar Jahren undenkbar gewesen.

360-Grad-Aufnahmen auf von der internationalen Raumstation ISS:

Das da oben nützt auch hier unten

Seine Himmelskuppel werde immer dann öfters besucht, wenn in der Forschung oder der Raumfahrt wieder ein wichtiger Durchbruch gelingt und das Thema in den Medien präsent ist. Derzeit herrsche Aufbruchstimmung in der Raumfahrt, weil zunehmend private Akteure wie Jeff Bezos, Richard Branson oder Elon Musk auf Mond, Mars oder gar noch weiter hinaus bemannte Raumfahrtmissionen ermöglichen wollen.

Das Projekt Mars One beispielsweise rekrutiert derzeit Astronauten für die Besiedlung des erdnahen Wüstenplaneten. «Das sind sehr wertvolle Projekte. Und dass Unternehmer versuchen, die Weiten des Alls zu erobern, zeigt: Das lohnt sich inzwischen auch finanziell.» Beispielsweise schlummerten auf dem unzähligen Asteroiden im Sonnensystem wertvolle Rohstoffe, die man in Zukunft abbauen könnte.

«Astrophysik ist eine sehr technische Ausbildung und dabei verliert man durchaus etwas das Vertrauen in die Technik.»

Marc Horat, Kurator Planetarium Verkehrshaus

Horat ist überzeugt von der Nützlichkeit dieser Projekte, auch für die Menschen auf der Erde. «Jedes Gramm, das wir in den Orbit schiessen, ist enorm teuer.» Deshalb handle es sich um technologische Grenzerfahrungen, welche Innovation und Kreativität in der Durchführung notwendig machen.

«Vieles, was dort draussen eingesetzt und entwickelt wird, findet später auch hier Anwendung.» Beispielsweise sei die Entwicklung künstlicher Intelligenz und Robotik massgeblich durch die Weltraumforschung befeuert worden: «Unbemannte Raumfahrzeuge auf dem Mars können nur mit einer Verzögerung von rund 40 Minuten von der Erde aus gesteuert werden – in dieser Zeit kann dort oben viel passieren.»

Impression aus dem Planetarium des Verkehrshauses der Schweiz.

Impression aus dem Planetarium des Verkehrshauses der Schweiz.

(Bild: Dominik Baur / zvg)

Horat bleibt lieber am Boden

Deshalb musste man den Raumfahrzeugen zwangsläufig beibringen, möglichst autonome Entscheidungen zu fällen. Heute profitieren ganze Industrien von diesen Entwicklungen. Insbesondere auch die Schweiz, denn die sei führend in der Entwicklung von Raumtechnologien: «Die Wertschöpfung ist für unser Land und auch die Zentralschweiz enorm.» Beteiligt ist auch ein Team der Hochschule Luzern, welches Experimente auf der Internationalen Raumstation (ISS) durchführt und betreibt. Und die Motoren von Robotern, welche gegenwärtig auf dem Mars forschen, kommen von der Firma Maxon aus Sachseln.

Horat ist zwar fasziniert vom Gedanken, dereinst fremde Welten zu erobern, dennoch hat er nicht die Bodenhaftung verloren. Im Gegenteil: «Mich wird man nie dazu bringen, dass ich mich in eine Rakete setze.» Er habe auch nie Astronaut werden wollen. «Astrophysik ist eine sehr technische Ausbildung und dabei verliert man durchaus auch etwas das Vertrauen in die Technik. Ich weiss, was alles schiefgehen kann», sagt er mit einem Schmunzeln.

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