Zug und die inoffizielle «Lingua franca»

«Auch ich spreche im Ausgang ab und zu Englisch»

Zugs Bildungsdirektor Stephan Schleiss.

(Bild: woz)

Holding, Expats, Parktower. Nanny, Good Shepherd, Sport Stacking. The International Men’s Club, The Zug Post, Mister Pickwick Pub. Das Leben in Zug ist von einer «Englishness» durchdrungen, die ihresgleichen in der Schweiz sucht. Wie wichtig ist Englisch für Zug wirklich? Eine Standortbestimmung mit Bildungsdirektor Stephan Schleiss. 

«I would exercise but that would me make spill my drink.» Frei über setzt heisst das auf Deutsch so viel wie: «Ich würde schon ins Fitness gehen und trainieren, aber das würde dazu führen, dass ich meinen Drink verschütte.» Dieser englischer Humor sticht einem ins Auge, wenn man das Mister Pickwick Pub in der Zuger Alpenstrasse passiert. Humor, der einem nicht nur ein Lächeln übers Gesicht huschen lässt, sondern einem klarmacht, dass das Stemmen von Biergläsern schon Sport genug ist. Isn’t it.

Englisch im Alltag

Wer in Zug lebt und arbeitet, wird tagtäglich nicht nur mit englischen Vokabeln konfrontiert. Man erhascht Gesprächsfetzen englischer Konversation von Nannys am Rigiplatz, die Babys im Kinderwagen in den Schlaf wiegen Oder von Expat-Businessmen, die sich bei Sonnenuntergang in einem Zuger Restaurant die aktuellen Börsenkurse zuflüstern.

«Auch ich brauche im Ausgang ab und zu Englisch», verrät Bildungsdirektor Stephan Schleiss. Wenn ihn im Pier 41 oder im Felsenkeller etwa ein Amerikaner frage, ob der Tisch noch frei sei. «Ich mag diesen Small Talk gerne.» Er findet es spannend und belebend, sich auf Englisch zu unterhalten. «Mein Englisch ist aber bestimmt nicht verhandlungssicher.» Trinkfest wohl schon.

Fast 35’000 Personen mit ausländischem Pass

In seinem Beuf als Zuger Bildungsdirektor brauche er Englisch dagegen weniger. «Allerdings hatte ich jüngst den neuen Direktor der International School of Zug and Luzern bei dessen Antrittsbesuch zu Gast. Und da musste ich Englisch reden.» Bei dem Gespräch sei auch zur Sprache gekommen, dass sich die Kinder der Schule, die aus 70 verschiedenen Nationen stammen, noch stärker lokal integrieren wollen. Durch das Erlernen der deutschen Sprache.

Dies ändert nichts daran, dass Zug eine Stadt und ein Kanton ist, in der längst Englisch zur «Lingua Franca» geworden ist – also zur Verkehrssprache zwischen Einheimischen und Ausländern. Und nicht zuletzt zwischen den Zugewanderten selbst. Hatten doch Ende 2016 rund 28 Prozent der Personen, die im Kanton Zug wohnen, einen ausländischen Pass. Beziehungsweise 34’139 Personen. 

«Denn wie unterhalten sich ein Brasilianer und ein Schwede im Kanton Zug, wenn sie weder Deutsch noch die jeweilige Landessprache des andern nicht beherrschen – natürlich auf Englisch», sagt der SVP-Politiker, der früher als Banker ebenfalls viel Emglisch gesprochen hat. Auch gebe es zahlreiche Unternehmen im Kanton Zug, in denen Englisch längst die Verkehrssprache unter den Mitarbeitern ist – Firmen wie Johnson&Johnson, Glencore, Partners Group.

Englisch statt Französisch im Schulalltag

Wäre es da nicht sinnvoll, Englisch in Zug zur offiziellen «Lingua Franca» zu erklären und Englisch sowohl in den Schulen auch in den Behörden noch mehr zu pushen? Schliesslich macht so manche Oberstufenschülerin die Erfahrung, dass sie selbst im Schüleraustausch mit französischen Schülern ihr Englisch besser gebrauchen kann als ihr Französisch – weil ihre Romands-Gspänli entweder zu schnell ihre Muttersprache sprechen beziehungsweise noch schlechter Deutsch können als Zuger Schüler Französisch.

«Ich glaube, das ist nicht nötig», sagt Stephan Schleiss. Es sei etwa nicht Aufgabe der Behörden, deutsche Gesetzestexte auch noch ins Englische zu übersetzen. Gleichwohl hat Zug im Internet vorbildlich die Informationen des Kantons nicht nur ins Englische übersetzen lassen. Zumindest die Grundinformationen.

Zugs Bildungsdirektor Stephan Schleiss schmökert beruflich auch mal in englisch sprachigen Wälzern.

Zugs Bildungsdirektor Stephan Schleiss schmökert beruflich auch mal in englisch sprachigen Wälzern.

(Bild: woz)

Und auch im Bildungssektor zeigt sich der Kanton Zug sehr anglophil. «Es gibt schon seit Jahren die Bilinguale Maturität an den Kantonsschulen in Menzingen und in Zug», erklärt Stephan Schleiss. Das heisst, wer zu den ganz Klugen zählt, kann seine Matur auch in Englisch ablegen. Und zwar in den Grundlagenfächern Mathematik, Geschichte, Biologie oder Wirtschafts&Recht sowie im Medienunterricht. «Zudem wird die Maturaarbeit in Englisch verfasst und präsentiert.» Der Unterricht in der Zweitsprache erfolgt dabei gestaffelt und dauert drei Jahre, von der vierten Klasse bis zur Matur.

Das ist noch nicht alles. Ab August 2018 gibt es in Zug auch eine bilinguale Wirtschaftsmaturität, sprich: Berufsmatura. Und zwar im KV-Bereich. «Das ist neu im Kanton Zug, und da sind wir Pioniere», ist Stephan Schleiss stolz. Wobei die auf englisch getrimmten Zuger Berufsabgänger gar nicht mal in erster Linie von den englischsprachigen, multinationalen Firmen in Zug rekrutiert würden, so Zugs Bildungsdirektor. Die sind denen nämlich zu teuer, weshalb diese vor allem Mitarbeiter aus dem europäischen Ausland einstellen.»

Ungeliebtes Französisch

Übrigens lernen Zugs Schüler auch mit deutlich grösserem Erfolg und mit grösserer Motivation Englisch als Französisch. Das hat eine extra in Auftrag gegebene Studie bewiesen (Bericht der BKZ-Evaluation Fremdsprachen 2014-2016 sowie der Zusatzerhebungen des Kantons Zug). «Eine Mehrheit der befragten Schülerinnen und Schüler ist für das Erlernen des Englischen eher motiviert und lediglich eine Minderheit gibt an, sehr gerne Französisch zu lernen.»

Und auch bei den Leistungen siehts in Englisch deutlich besser aus bei den untersuchten Zuger Schülern als in Französisch. O-Ton der Studie: «Beim Vergleich der beiden Fremdsprachen zeigt sich bei beiden untersuchten Zuger Klassenstufen eine deutliche Verlagerung der Kompetenzen hin zum Englisch. Im Englisch-Lesen erreichen über 80 Prozent der 6. Klass-Kinder im Kanton Zug mindestens das Niveau A1.2 und somit den Minimalanspruch, im Französisch sind das gut 60 Prozent.»

Schleiss: «Das zeigt: In Englisch sind die Schüler deutlich erfolgreicher als in Französisch. Englisch ist für den Kanton Zug sehr wichtig.»

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


1 Kommentar
  • Profilfoto von igarulo
    igarulo, 07.10.2017, 18:15 Uhr

    So, so, der Bildungsdirektor des Kantons Zug spricht kein verhandlungssicheres Englisch. Peinlich, peinlich. Von einem lic. oec. publ. sollte man mehr erwarten dürfen. Und von einem Bildungsdirektor sowieso. Allerdings ist er Mitglied der SVP. Das erklärt seine mangelnden Englischkenntnisse, denn SVP-Politiker sind halt mehr fürs Regionale. Et savez vous au moins négocier en français? Y como halba usted español? Aber was vielleicht dienlich wäre, wenn Stefan Schleiss schon mit dem Direktor der International School zusammensitzt, wäre, dass vielleicht da Austauschmöglichkeiten bestünden zwischen der International School und Regelklassen des Kantons Zug zwecks sprachlichem und kulturellem Austausch. Oder scheiterte die Idee an den Englischkenntnissen des Bildungsdirektors oder dessen Amtsleitern?

    👍0Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon