Das Care Team Zug sucht neue Helfer

«Unser Job ist es, Ruhe reinzubringen»

«Es ist befriedigend, wenn man helfen kann»: Roman Ambühl ist Leiter des Zuger Care-Teams.

(Bild: zvg)

Ein Care Giver ist jemand, der anderen hilft. In Notsituationen. Wenn jemand einen Unfall erlebt oder urplötzlich einen Angehörigen verloren hat. Roman Ambühl, Leiter des Care Teams Zug, erklärt, warum Care Giver eigentlich viel Dankbarkeit erfahren. Dabei dürfen sie nicht einfach nur trösten.

zentralplus: Roman Ambühl, das Care Team Zug braucht offensichtlich neue freiwillige Helfer, sogenannte Care Giver. Warum – nehmen die Notfälle denn im Kanton Zug zu?

Roman Ambühl: Nein, eigentlich nicht. Wir haben in den letzten Jahren jeweils so zwischen 15 und 20 Einsätze pro Jahr. Andererseits sind wir knapp unter unserer Sollstärke von 20 Personen. Wenn wir auf unsere Anzeige im «Zuger Amtsblatt» hin ein paar geeignete Kandidatinnen oder Kandidaten finden, werden wir diese gerne einstellen.

zentralplus: Wann kommen denn sogenannte Care Giver – also Nothelfer – zum Einsatz?

Ambühl: Meist bei Unfällen oder wenn sich aussergewöhnliche Todesfälle ereignen – die Polizei sagt dazu AGT, das sind zum Beispiel Suizide. Da sind Menschen in Situationen, wo sie sehr plötzlich und unerwartet Angehörige verloren oder bedrohliche und unschöne Dinge erlebt haben und nun traumatisiert sind.

zentralplus: Wann ist denn jemand traumatisiert?

Ambühl: Vereinfacht gesagt, wenn für jemanden etwas zu viel, zu schnell und zu plötzlich hereinbricht. Wenn jemand ein Ereignis erlebt, das das Leben dieser Person selber oder ihr nahe Stehender bedroht oder jene sogar tötet, kann das jemanden in dem Moment ziemlich aus der Bahn werfen und ungewohnte Reaktionen hervorrufen. Wir vom Care Team werden dann aufgeboten, für Menschen mit solchen posttraumatischen Belastungsreaktionen vor Ort da zu sein und sie zu unterstützen.

zentralplus: Von wem wird das Care Team in der Regel aufgeboten?

Ambühl: Das Care Team Zug ist quasi eine Spezialtruppe des Zivilschutzes. Grundsätzlich ist es die Einsatzzentrale der Polizei, die einen Alarm auslöst und uns aufbietet. Konkret ist es der jeweilige Einsatzleiter, der vor Ort verantwortlich ist. Meist ist es jemand von der Zuger Polizei oder von der Feuerwehr, manchmal jemand vom Rettungsdienst.

zentralplus: Und wie helfen Sie den traumatisierten Personen dann?

«Die meisten Personen in solchen Fällen finden es zentral, zu spüren, dass jemand für sie da ist.»

Roman Ambühl, Leiter des Care Teams Zug

Ambühl: Wir sind da. Die meisten Personen – das wissen wir aus unseren Nachfragen bei Betroffenen – finden es zentral, zu spüren und zu wissen, dass jemand für sie in diesem schwierigen Moment da ist. Es tut gut, mit jemandem reden zu können, wenn sie das wollen. Wir können und wollen natürlich niemanden zwingen, unsere Hilfe in Anspruch zu nehmen. Manchmal sagen die Leute auch zuerst, sie brauchen niemanden. Dann warten wir meist eine Weile ab, um zu sehen, wie sich der Zustand des Betroffenen entwickelt. Wir hinterlassen auf jeden Fall ein Merkblatt und unseren Kontakt. Immer wieder kommt es vor, dass Menschen sich am Tag oder einige Tage darauf noch melden, um zu sprechen.

zentralplus: Welche Eigenschaften muss denn so ein freiwilliger Care Giver mitbringen, um diese anspruchsvolle Aufgabe bewältigen zu können?

Ambühl: Ein Care Giver muss Anteilnahme zeigen können, muss sich aber auch gleichzeitig persönlich abgrenzen können. Er oder sie muss viel Geduld und Gelassenheit mitbringen. Das Care Team des Kantons Zug gibt es in der heutigen Form seit 2009. Es setzt sich zusammen aus Männern und Frauen aus beratenden, medizinischen, seelsorgerischen, psychologischen, aber auch kaufmännischen oder technischen Berufen. Je heterogener wir aufgestellt sind, umso besser.

zentralplus: Warum?

Ambühl: Weil wir dann flexibler sind und eine Vielfalt an Persönlichkeiten in den Einsatz schicken können.

«Einfach jemanden trösten ist ein absolutes No-Go.»

zentralplus: Wann ist denn der Einsatz eines Care Givers als erfolgreich zu bezeichnen?

Ambühl: Es ist eigentlich immer der Einsatz eines Teams. Wir gehen mindestens zu zweit. Unser Job ist es, Ruhe und Sicherheit in eine bestimmte Situation zu bringen. Die allermeisten Menschen können eine solche Situation bewältigen. Ein gelungener Einsatz ist es dann, wenn wir einer Person dabei helfen können, wieder zu den eigenen Ressourcen zu finden und in ihrem sozialen Netz weitere Unterstützung zu bekommen.

zentralplus: Hilft es, wenn Care Givers traumatisierte Menschen einfach trösten im Sinn von «Es kommt schon wieder gut»?

Ambühl: Nein, das ist gerade in der Akutphase ein absolutes No-Go. Es ist in dem Moment eine Lüge. Niemand weiss von aussen, was das Erlebte im Gegenüber auslöst und wie er oder sie damit umgehen kann. Für die Betreuten ist oft gerade ihre Welt zusammengebrochen. Wir versuchen zuerst dafür zu sorgen, dass er oder sie sich sicher fühlen kann und dass sie allenfalls auch trinken und essen – also ihre eigenen Grundbedürfnisse nicht vergessen. Erst aus der Position einer gewissen Sicherheit kann es darum gehen, das Geschehene zu realisieren und zu akzeptieren.

zentralplus: Wie gehen Sie denn weiter vor?

«Es kann durchaus normal sein, wenn Traumatisierte in der ersten Zeit von Bildern, Geräuschen, Gerüchen verfolgt oder von Schlaflosigkeit heimgesucht werden.»

Ambühl: Wir erklären den Menschen, dass es etwa durchaus normal sein kann, wenn sie in der ersten Zeit von Bildern, Geräuschen, Gerüchen verfolgt oder von Schlaflosigkeit heimgesucht werden. Sie sind deswegen nicht verrückt und sie sind nicht krank, weil sie etwas Schlimmes erlebt haben. Wir unterstützen die betreuten Personen, dass sie möglichst gut damit umgehen können. Wir geben ihnen Informationen, was für Reaktionen sie zeigen könnten und wann sie sich an wen wenden können und sollen.

zentralplus: Und dann?

Ambühl: Der Care Giver meldet sich jeweils zwei, drei Tage nach dem Einsatz nochmals telefonisch bei den Betroffenen und fragt nach, wie es ihnen geht. Generell fragen wir dann noch nach einem Monat nach, wie die Situation für den Einzelnen dann aussieht. Erst zu diesem Zeitpunkt zeigt sich definitiv, ob noch eine weitere Betreuung oder gar Therapie nötig ist oder nicht. Das ist zwar die Ausnahme, aber wenn es nötig ist, umso wichtiger.

zentralplus: Erhalten Sie denn ein Feedback von den Leuten, die Sie in solchen Krisenfällen betreuen?

Ambühl: Wenn wir die Personen nach einem Monat nochmals anrufen und nachfragen, wie es ihnen geht, zeigen sie sich in den allermeisten Fällen sehr dankbar, vor allem, dass einfach jemand da war. Auch weil wir oft vermittelnd und erklärend wirken zwischen ihnen und den Vertretern der Polizei und anderer Behörden, die ja in solchen Momenten primär ihren Job machen müssen und immer auch etwas wollen von diesen traumatisierten Personen.

zentralplus: Und wie befriedigend ist diese Tätigkeit für Sie persönlich?

Ambühl: Es ist für mich sehr befriedigend, verantwortlich zu sein für ein Team, das Menschen dabei unterstützt, sehr herausfordernde Situationen und Erlebnisse zu bewältigen.

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