Baarer Kirchenratswahl sorgte für Grossandrang

Fasnacht sucht die Nähe zur Kirche

Full House: Nicht in der Baarer Kirche, sondern im Pfarreiheim bei den Kirchenratswahlen.

(Bild: woz)

Viele Kirchen sind sonntags immer leerer. Als am Montagabend jedoch Thomas Inglin zum neuen Baarer Kirchenratspräsidenten gewählt wurde, platzte das Pfarrheim aus allen Nähten. Kurios: Nicht nur die Parteien wollen mit der Kirche verbandelt sein – sondern noch eine ganz andere Institution sucht die Nähe zum Kirchenamt.

Sage und schreibe 277 Stimmberechtigte fanden sich am Montagabend im Baarer Pfarrheim ein, um die Mitglieder des Kirchenrats für 2018 bis 2021 zu wählen.

Sogar der Seitenflügel des Saals im Baarer Pfarrheim musste geöffnet werden, so viele Kirchgemeindemitglieder waren zur Wahl der sechs Kirchenratsmitglieder erschienen. Das grosse Stühlerücken war angesagt. Und Kirchenratspräsident Martin Hotz eröffnete dem erschienenen Volk der Gläubigen kurzfristig sogar die Möglichkeit, bei noch mehr Andrang in die Kirche auszuweichen. Doch so weit kam es dann doch nicht.

Offensichtlich lockte die Verteilung der kirchenpolitischen Ämter aber mehr Katholiken an als jene, die sonntags in die Baarer St. Martinskirche gehen. Pfarrer Anthony Chukwu würde wohl jeweils ein Dankgebet zum Himmel richten, hätte er pro Gottesdienst 277 Kirchbesucher.

Für Spannung war gesorgt

Die Tatsache, dass im Vorfeld der Wahlen bekannt geworden war, dass sich für den langjährigen und nun scheidenden Kirchenratspräsidenten Martin Hotz sich nicht nur ein Kandidat als Amtsnachfolger empfahl, sorgte offensichtlich für Spannung und Zündstoff unter den Gläubigen. Auch der Vorwurf, der aufgekommen war, die politischen Parteien würden sich zu sehr ins Kirchengeschehen einmischen, hatte im Vorfeld Staub aufgewirbelt.

«Eine Gemeinde ist eine politische Institution, und es wäre schlecht, würden die Parteien durch die Hintertür verschwinden.»

Barbara Häseli, CVP-Kantonsrätin, Baar

Dabei brach Barbara Häseli, Baarer CVP-Kantonsrätin und eine Art Conferencière während der Kandidatenvorstellung, gerade eine Lanze für die Zusammengehörigkeit von Politik und Kirche.

«Eine Gemeinde ist eine politische Institution, und es wäre schlecht, würden die Parteien durch die Hintertür verschwinden und keine Verantwortung in der Kirche übernehmen.» Ausserdem sei so eine Kirchenratswahl ja gerade in ihrer Prozedur «urdemokratisch» – könnten doch Kandidaten direkt aus der Versammlung vorgeschlagen, gewählt oder nicht gewählt werden. 

Neuer Baarer Kirchenratspräsident: Thomas Inglin (53) mit Ehefrau Ariane.

Neuer Baarer Kirchenratspräsident: Thomas Inglin (53) mit Ehefrau Ariane.

(Bild: woz)

Wobei man nicht einmal das Gefühl hatte, dass die Politik in Baar die Kirchengeschäfte aussergewöhnlich stark durchdringe beziehungsweise mit ihr besonders stark verflochten sei – auch wenn im Stimmvolk auffallend viele CVP-Mitglieder zu erspähen waren. Auch Zugs CVP-Gesundheitsdirektor Martin Pfister aus Baar stimmte selbstverständlich mit ab.

Die Fasnacht sucht die Nähe zur Kirche

Viel lebendiger scheint in Baar die «Connection» zwischen Kirche und Fasnacht zu funktionieren. Denn nicht nur bei Peter Langenegger (51), seit gestern neu gewähltes Kirchenratsmitglied der SVP, wurde während seiner Vorstellung erwähnt, dass er Präsident der Gönnervereinigung der Baarer Fasnacht sei.

Auch im Fall von René Simmen, dem parteilosen Sprengkandidat für das Amt des zu wählenden Kirchenratspräsidenten, wurde betont, dass er ja 2015 Räbevater der Baarer Fasnacht gewesen sei und dass sein Herz für die Räbegäuggel-Gruppen schlage. Simmen selbst lobte sogar, er sei immer begeistert gewesen von den Fasnachtsgottesdiensten Chukwus.

Doch sein Versuch, beim Stimmvolk dadurch volksnah zu wirken, kam nicht an. Und das, obwohl der etablierte und von der CVP nominierte Kandidat fürs Kirchenratspräsidium, Thomas Inglin, es sich geleistet hatte, nach seiner Präsentation durch Parteikollegin Häseli keinen einzigen Satz ans Volk zu richten.

«Ich rede einfach nicht schampar gern über meine Verdienste.»

Thomas Inglin, neuer Baarer Kirchenratspräsident, CVP

Es gerichte ihm indes nicht zum Nachteil. Mit 176 Stimmen wurde er zum neuen Baarer Kirchenratspräsidenten gewählt. Simmen erhielt 96 Stimmen. «Ich rede einfach nicht schampar gern über meine Verdienste», entschuldigte sich Inglin nach der Wahl für den kleinen Fauxpas vor der Wahl.

Die Sache mit den «Screaming Potatoes»

Der 53-Jährige ist durch sein musikalisches Engagement und jenes seiner Ehefrau Ariane in der Gemeinde Baar bestens bekannt. Gleichwohl bringt auch er nun ein närrisches Element in das Kirchenratsamt mit – ist er doch seit Jahren Mitglied der «Screaming potatoes», jener bekannten Zuger A-capella-Comedy-Truppe.

Und doch war dem neugewählten Baarer Kirchenratspräsidenten nach seiner Wahl doch eher zu nachdenklichen Tönen zumute. Sein Appell an die Kirchgemeindeversammlung lautete: «Vielleicht würde es uns allen gut tun, wenn wir regelmässiger in die Kirche gehen oder in einer Kapelle eine Kerze anzünden würden.» Da hätte sicher auch Baars Pfarrer Anthony Chukwu nichts dagegen.

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