Luzerner Chef-Ausbildner über «Nehmerqualitäten»

Traumberuf Polizist? «Angespuckt zu werden, ist Berufsrisiko»

Die Absolventen des Polizeilehrgangs 17-2. Ganz links: Leiter Aus- und Weiterbildung, Martin Kurmann.

(Bild: Facebookseite Damian Müller)

Frisch ab Presse: Neun Aspiranten der Luzerner Polizei haben vor Kurzem die Ausbildung zum Polizisten beendet. Nun gilt es ernst. «Nehmerqualitäten und Frusttoleranz» wünscht ihnen ein Politiker in ihrem Job. Doch wie wird man eigentlich darauf vorbereitet, Beschimpfungen und Schlimmerem ausgesetzt zu sein? Martin Kurmann erklärt.

Übergriffe auf Polizeibeamte nehmen zu, wie aus der Kriminalstatistik hervorgeht. Sie werden angespuckt, mit Steinen beworfen oder mit Schimpfwörtern gravierender als «Bajass» eingedeckt. Ob man da noch von einem Traumberuf sprechen kann?

An der Interkantonalen Polizeischule Hitzkirch IPH absolvieren dreimal jährlich angehende Polizisten ihre Ausbildung. Vergangene Woche schlossen neun Aspiranten ihren Lehrgang ab. Jährlich stossen rund zwei Dutzend Neulinge von der IPH ins Luzerner Polizeikorps.

An der Schlussfeier hielt der Luzerner Ständerat Damian Müller eine Festrede. Er machte dabei auf die steigenden Übergriffe aufmerksam. In einem Facebook-Post schrieb er anschliessend: «Ich wünsche allen Ausdauer, Nehmerqualitäten und Frustrationstoleranz.»

 

Bei der Luzerner Polizei ist Martin Kurmann, Leiter Aus- und Weiterbildung, dafür verantwortlich, dass die Aspiranten das richtige Handwerk lernen. Dazu gehört auch der Umgang mit unangenehmen «Kunden».

zentralplus: Martin Kurmann, kann man angehenden Polizisten Frusttoleranz einimpfen?

Martin Kurmann: Wir bereiten sie auf den schwierigen beruflichen Alltag vor. Dazu gehört eine intensive psychologische Schulung. Kommunikationsstrategien werden erlernt, um später mit schwierigen Klienten klarzukommen. Dabei halten wir uns an ethische Grundsätze. Auch wenn ein Polizist verbal attackiert wird, soll er sich nicht auf das Niveau des Gegenübers herunterlassen.

Wer ist als Polizist geeignet?

Bevor überhaupt die Polizeischule angetreten werden kann, müssen die Aspiranten eine Reihe von Tests absolvieren. Dazu gehört unter anderem eine Charakterprüfung. Im Anforderungsprofil sind unter anderem folgende Punkte enthalten:

  • Psychisch wie physisch Stabilität und Belastbarkeit.
  • Kommunikationsfähigkeit und Einfühlungsvermögen.
  • Guter Umgang mit Konfliktsituationen.
  • Teamfähigkeit und Freude an vielfältigen Kundenkontakten.

zentralplus: Und wenn es nicht mit Beschimpfungen endet?

Kurmann: Nebst der psychologischen Ebene gibt es die taktische. Wo steht man bei einer Festnahme, damit das Gegenüber keine Gelegenheit hat, zu attackieren? Das sind theoretische Kenntnisse, die im Klassenunterricht vermittelt werden. Das reicht vom Ansprechen übers richtige Positionieren bis zu den geeignetsten Griff- und Fesseltechniken. Dies wird an praktischen Fällen geübt, indem etwa Ausbildner renitente Personen spielen und die Aspiranten ihre Techniken anwenden können.

zentralplus: Ist es nicht ein unglaublicher Ablöscher, dass man sich darauf einstellen muss, im Arbeitsalltag angespuckt zu werden?

Kurmann: Oberste Priorität für unsere Leute hat die Gesundheit. Es ist nicht ungefährlich, wenn man Speichel ins Gesicht, den Mund oder die Augen erhält. Schlussendlich ist es eine Frage der Einstellung zum Beruf. So etwas kann passieren, damit muss man umgehen können. Wichtig ist, das Risiko zu minimieren – bei bekannten «Spuckern» kommt deshalb auch die Spuckhaube zum Einsatz.

zentralplus: Also Berufsrisiko?

Kurmann: In gewisser Weise ja. Wir versuchen unsere Leute so auszubilden, dass sie auch in diesen Situationen ruhig bleiben. Und dennoch: Die Polizisten sind angehalten, sich nicht alles gefallen zu lassen. Die Reaktion ist jedoch die Verwendung des Strafgesetzbuches. Es ist bedauerlich, dass Straftaten gegen Polizistinnen und Polizisten teilweise noch immer bagatellisiert werden. Hier ist der Polizeibeamtenverband schon länger dran, dass die Richter ihre Sanktionsmöglichkeiten besser ausschöpfen.

So sehen die Spuckhauben der Luzerner Polizei aus.

So sehen die Spuckhauben der Luzerner Polizei aus.

(Bild: zvg)

zentralplus: Es gibt auch Forderungen nach mehr Härte. Nach dem Motto: Wer einen Polizisten anspuckt, hätte es verdient, eins mit dem Knüppel zu kassieren.

Kurmann: (vehement) Das will die Polizei auf keinen Fall. Wir greifen deeskalierend ein. Alles andere würde eine ganz gefährliche Entwicklung nehmen. Wir sind nicht für die Erziehung der Gesellschaft verantwortlich. Dies muss zwingend auf einer anderen Ebene gelöst werden.

zentralplus: Gewalt gegen Beamte wird häufig in den Zusammenhang mit Demonstrationen oder Fussballspielen gestellt. Wie bereitet man sich als Polizist auf diese Einsätze vor?

Kurmann: Auch das geht stark in den Bereich der Berufsethik hinein. Es dürfen keine Pauschalisierungen oder Vorverurteilungen gemacht werden. Man muss differenzieren können. Bei den Fussballfans hat es vom Familienvater bis zum Chaoten alles dabei. Und bei einer Demonstration aus einem extremen politischen Spektrum sind auch nicht alle Teilnehmer per se polizeifeindlich eingestellt.

zentralplus: Wie gut gelingt das? An einer Demo aus linksextremen Kreisen im letzten Dezember sprayte jemand einen Polizist am Strick ans Polizeigebäude. Wie bleibt man da als Polizist unvoreingenommen?

Kurmann: Dies hat auch viel mit der Erfahrung der Polizisten zu tun. Je länger man dabei ist, umso besser kann man differenzieren, was den Polizisten persönlich betrifft und was sich gegen die Polizei als Institution oder den Staat richtet. Man muss Drohungen – gerade wenn Klienten noch unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen stehen – einordnen können, nicht immer eskaliert es in Gewalt.

Im Dezember 2016 wurde diese eindeutige Botschaft ans Fundbüro der Luzerner Polizei gesprayt.

Im Dezember 2016 wurde diese eindeutige Botschaft ans Fundbüro der Luzerner Polizei gesprayt.

(Bild: zvg)

zentralplus: Was passiert, wenn ein Beamter mit der Situation nicht klarkommt?

Kurmann: Das wird im Korps aufgefangen. Nach jedem Einsatz findet eine Nachbesprechung statt. Was lief gut? Was weniger? Bei Neueinsteigern ist diese standardisiert. Wir wollen eine produktive Fehlerkultur, damit sich unsere Leute von Einsatz zu Einsatz verbessern können. Und falls jemand wirklich Schwierigkeiten mit der Bewältigung seines Arbeitsalltags hat, kann er auch professionelle Unterstützung anfordern.

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