Massiver Umbau des Quartiers Langensand/Matthof

Besitzer des Luzerner Aalto-Hochhauses zum Mieter-Rausschmiss

«Wir lassen die Mieter nicht im Regen stehen», verspricht Bauherr Nicolas von Schumacher hinsichtlich der Massenkündigung im Aalto-Hochhaus. Im Hintergrund die Baustelle der «Schönbühl Allee».

(Bild: pbu)

Bauherr und Grundbesitzer Nicolas von Schumacher investiert gerade kräftig an Luzerns südlichem Stadtrand. Sein Ziel: ein einheitliches Quartierbild, kreiert von finnischen Stararchitekten. Eine Autogarage inklusive Tankstelle wurden bereits plattgemacht. Und das Aalto-Hochhaus wird gerade komplett geräumt.

Der Schock sass tief. Im Mai dieses Jahres wurden alle Mieter der 84 Wohnungen im Aalto-Hochhaus anlässlich einer Informationsveranstaltung über umfassende Sanierungsarbeiten orientiert (zentralplus berichtete). Das Gebäude muss per Ende Juli 2018 komplett geräumt werden. Die Trauer über den «Heimatverlust» ist besonders bei langjährigen Bewohnern gross, wie der Besuch beim Ehepaar Baumgartner zeigte, das praktisch seit Beginn im mittlerweile 50-jährigen Hochhaus im Luzerner Langensand/Matthof-Quartier lebt.

«Die Stimmung war einerseits gefasst, andererseits aber natürlich auch bedrückt», resümiert Nicolas von Schumacher. Der 70-jährige Bauherr ist nicht nur Besitzer des Aalto-Hochhauses, der Familie von Schumacher gehören auch Liegenschaften an der Hirtenhofstrasse sowie der 2014 fertiggestellte Wohnkomplex «Schönbühl Park». Weitere Überbauungen folgen: Mit den Bauarbeiten für die «Schönbühl Allee» wurde gerade begonnen, und die Bebauungspläne für die Wiese zwischen Hirtenhof- und Langensandstrasse liegen auch schon auf dem Tisch.

Der Besitz der Familie von Schumacher im Quartier Langensand/Matthof: Die grün markierten Flächen kennzeichnen bereits realisierte bzw. geplante Überbauungen. Rot umrandet das Aalto-Hochhaus.

Der Besitz der Familie von Schumacher im Quartier Langensand/Matthof: Die grün markierten Flächen kennzeichnen bereits realisierte bzw. geplante Überbauungen. Rot umrandet das Aalto-Hochhaus.

(Bild: zvg)

Eine Familie, ein Quartier

Mit den damaligen Eigentümern des Matthofs hat die Familie von Schumacher in den 60er Jahren die Entwicklung des Luzerner Wohnquartiers Langensand/Matthof angestossen und das Erscheinungsbild mit dem Aalto-Hochhaus und dem ersten Shopping Center der Schweiz stark geprägt. In der Öffentlichkeit bekannt ist der Luzerner Bauherr allerdings nicht. «Ich mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen und lasse mein Privatleben lieber privat sein. Ich sehe überdies nicht, was an meiner Person interessant sein sollte», konstatiert er. Über das bauliche Engagement hingegen gebe er gerne Auskunft.

Bis spätestens Ende Juli 2018 müssen alle Mieter aus dem Aalto-Hochhaus ausgezogen sein.

Bis spätestens Ende Juli 2018 müssen alle Mieter aus dem Aalto-Hochhaus ausgezogen sein.

(Bild: pbu)

Wir treffen den öffentlichkeitsscheuen Bauherrn und Grundbesitzer inmitten «seines» Quartiers, im Restaurant Centro, am Fusse des Aalto-Hochhauses.

zentralplus: Nicolas von Schumacher, mit Ihrem Entschluss, allen Mietern des Aalto-Hochhauses zu kündigen, haben Sie für einigen Unmut gesorgt. Das Haus beherbergt unter anderem viele Rentner, die seit Jahrzehnten hier leben und nun – überspitzt formuliert – auf die Strasse gestellt werden. Hätte man die Sanierung nicht schrittweise gestalten können, sodass die Mieter während den Arbeiten in ihren Wohnungen verbleiben könnten?

Nicolas von Schumacher: Nein, das war leider keine Option. Sehen Sie, das Gebäude muss nach 50 Jahren von Grund auf saniert werden. Es geht nicht darum, bloss ein paar Wände neu zu streichen oder neue Küchen zu installieren. Die komplette Infrastruktur des Hauses muss erneuert werden, das Haus wird also praktisch auf den Rohbau zurückgeführt. Da ist es unvermeidbar, dass in den Wohnungen über längere Zeit weder Strom, Wärme noch Wasser zur Verfügung stehen werden.

Zudem müssen in allen Stockwerken tiefe Eingriffe für die Verbesserung des Energie- und Wärmehaushaltes, des Tritt- und Schallschutzes, des Brandschutzes und der Erdbebensicherheit vorgenommen werden. Für die Mieter wäre das ein unzumutbarer Zustand, zumal für die Sanierungsarbeiten rund 1,5 Jahre geplant werden. Die Kündigungen lassen sich unter diesen Umständen leider nicht vermeiden.

«Wir lassen die Mieter nicht im Regen stehen und wollen es für sie möglichst erträglich gestalten.»

zentralplus: Einige werfen Ihnen fehlende Menschlichkeit vor. Menschen mit niedrigen Einkommen werden sich künftig wohl keine Wohnung im Aalto-Hochhaus mehr leisten können. Vergleichbarer Wohnraum ist knapp. Sind Ihnen die Mieter egal?

von Schumacher: Diesen Vorwurf weise ich entschieden zurück. Das Gegenteil ist der Fall: Als Immobilienbesitzer sind mir die Mieter das Wichtigste. Deshalb haben wir die Bewohner des Aalto-Hochhauses frühzeitig, rund 15 Monate im Voraus, mit einer Informationsveranstaltung darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Grosssanierung ansteht. Die Verwaltung setzt zudem alles daran, den Bewohnern unter die Arme zu greifen. Jenen, die Mühe bekunden, ein neues Zuhause oder eine Ersatzlösung zu finden, wird geholfen. Wir lassen die Mieter nicht im Regen stehen und wollen es für sie möglichst erträglich gestalten. Aber natürlich: Frühe Information, Unterstützung und Transparenz schaffen die unangenehme Situation nicht aus der Welt, dessen sind wir uns bewusst.

zentralplus: Zum einen soll das Haus erdbebensicher und energetisch optimiert werden. Zum anderen entstehen sogenannt «markttaugliche» Wohnungen mit völlig anderen Grundrissen. Mit anderen Worten: Die Wohnungen werden teurer. Profitmaximierung ist ein weiterer Vorwurf, den man in diesem Zusammenhang hört. Was erwidern Sie darauf?

von Schumacher: Das Aalto-Hochhaus wurde 1968 fertiggestellt. Häuser bestehen nicht für die Ewigkeit, nach 50 Jahren ist eine Grosssanierung in jedem Fall notwendig, ansonsten vergammelt die Infrastruktur schleichend. Die Ansprüche der Mieter an den Wohnkomfort haben sich in dieser Zeit sehr verändert und die Sicherheitsvorschriften der Behörden ebenso. Wir sprechen hier von einer Investitionssumme von rund 22 bis 25 Millionen Franken. Auch daran sieht man, wie umfassend saniert werden muss. Wie viel die Wohnungen nach der Sanierung exakt kosten werden, ist derzeit noch offen.

Nochmals: Irgendwann muss man sanieren. Natürlich ist das für die Bewohner sehr unangenehm und teilweise auch schwierig. Für sie kommt eine Sanierung wohl immer zur falschen Zeit. Es wäre aber unverantwortlich, das Haus vergammeln zu lassen. Das Gebäude soll noch weitere 50 Jahre und länger bestehen bleiben und Mietern auch in Zukunft attraktives Wohnen ermöglichen.

Das Aalto-Hochhaus. Im Vordergrund die Wiese zwischen Hirtenhof- und Langensandstrasse, die ebenfalls in absehbarer Zeit überbaut wird.

Das Aalto-Hochhaus. Im Vordergrund die Wiese zwischen Hirtenhof- und Langensandstrasse, die ebenfalls in absehbarer Zeit überbaut wird.

(Bild: jwy)

zentralplus: Viele Bewohner stossen sich an der einzuhaltenden Kündigungsfrist. Wer bereits dieses Jahr auszieht, muss den Mietvertag einhalten, erst ab Anfang 2018 wird eine einmonatige Kündigungsfrist gewährt. Wieso werden den Bewohnern bei der Wohnungssuche zusätzliche Steine in den Weg gelegt?

von Schumacher: Eine erleichterte Kündigung sieben Monate vor dem endgültigen Auszug Ende Juli 2018 anzusetzen, ist durchaus üblich. Während der Informationsveranstaltung im Mai hat sich abgezeichnet, dass die Teilnehmer eine längere Vorlaufzeit mit einmonatiger Kündigungsfrist wünschen. Wir haben zugesagt, dieses Anliegen zu prüfen und sind unseren Mietern sehr weit entgegengekommen, indem die einmonatige Kündigungsfrist nun schon ab Juli 2017, also ein Jahr vor dem letzten Auszugstermin, zur Anwendung kommt.

zentralplus: Das Gebäude wird komplett ausgehöhlt, trotzdem verlangen Sie von den ausziehenden Mietern eine normale Endreinigung. Wozu diese Schikane?

von Schumacher: Das ist keine Schikane. Verschiedene Mieter haben bereits eine Ersatzlösung gefunden, andere werden in Kürze eine solche haben. Wir können diese Wohnungen nicht einfach bis Juni 2018 leer stehen lassen, sondern werden sie für die Restlaufzeit weitervermieten, wofür übrigens eine Nachfrage besteht. Deshalb bleibt dieser Punkt bis auf weiteres bestehen.

«Es ist das einzige Bauwerk des Stararchitekten in der Schweiz. Das gilt es unbedingt zu bewahren.»

zentralplus: Wird das Aalto-Hochhaus nach der Sanierung noch ein Aalto-Hochhaus sein?

von Schumacher: Absolut, ja. Der Charakter des Gebäudes wird bewahrt. Alvar Aalto hat hier ein besonderes Haus mit einer modernen Architektur geschaffen. Es ist das einzige Bauwerk des Stararchitekten in der Schweiz. Das gilt es unbedingt zu bewahren.

zentralplus: Alvar Aalto ist nicht der einzige Finne, der hier im Quartier seine Spuren hinterlassen hat. Ihre übrigen Gebäude sind allesamt unter der Feder der Architekten Mikko Heikkinen und Markku Komonen entstanden. Beide sind ebenfalls Finnen. Was hat es damit auf sich?

von Schumacher: Der Grund liegt direkt im Aalto-Hochhaus, das seinerzeit mein Vater und sein Bruder erbauen liessen. Sie hatten Kontakte zum Schweizer Architekten Alfred Roth, dem Gestalter des Schönbühl-Einkaufszentrums. Roth wiederum arbeitete bei verschiedenen Projekten mit Alvar Aalto zusammen und konnte diesen für den Bau des Hochhauses gewinnen. Schon damals war der Finne ein weltweit angesehener Architekt und den beiden Brüdern gefiel sein Stil. Unserer Familie geht es in erster Linie darum, mit den Gebäuden rund um das Aalto-Hochhaus eine architektonische Einheitlichkeit herzustellen. Das Gesamtbild ist wichtig. Heikkinen und Komonen arbeiten nach der finnischen Architekturtradition, die von Alvar Aalto wesentlich mitgeprägt wurde. Deshalb bot es sich an, die beiden zu engagieren.

«Das Quartier gleicht architektonisch einem Flickenteppich.»

zentralplus: Mausert sich das Quartier Langensand/Matthof allmählich zum Luzerner Klein-Helsinki?

von Schumacher: Das Quartier gleicht architektonisch einem Flickenteppich. Ein Konzept lässt sich dabei kaum erkennen. Mit einem einheitlicheren Bild rund um das Hochhaus möchten wir dem etwas entgegenwirken. Rund um das Aalto-Hochhaus entsteht so eine architektonische Einheit. Ob man dabei vom Luzerner Klein-Helsinki sprechen kann? Eher nicht.

zentralplus: Kürzlich haben die Arbeiten zur Überbauung «Schönbühl Allee» begonnen. Was wird dort entstehen?

von Schumacher: Das Projekt umfasst drei zusammenhängende Gebäude mit je sechs Stockwerken und total 48 Mietwohnungen, jeweils zur Hälfte 2,5- und 3,5-Zimmerwohnungen. Hinzu kommt eine Einstellhalle mit Platz für gut 40 Autos. Optisch kommen die Häuser im selben Stil wie jene des «Schönbühl Parks» daher. Das Investitionsvolumen beläuft sich auf rund 20 Millionen Franken, die monatlichen Mietpreise werden in einer Bandbreite von circa 1’700 bis 2’700 Franken liegen und die Wohnungen werden im Sommer 2019 bezugsbereit sein.

Das Baufeld des Projekts «Schönbühl Allee», wo vorher Autogarage und Tankstelle beheimatet waren.

Das Baufeld des Projekts «Schönbühl Allee», wo vorher Autogarage und Tankstelle beheimatet waren.

(Bild: pbu)

Visualisierung der Überbauung «Schönbühl Allee».

Visualisierung der Überbauung «Schönbühl Allee».

(Bild: zvg)

Die geplante «Schönbühl Allee» aus der Vogelperspektive.

Die geplante «Schönbühl Allee» aus der Vogelperspektive.

(Bild: zvg)

zentralplus: Im Quartier bedauern einige den Wegfall der Avia-Tankstelle sowie der Autogarage, die der Überbauung zum Opfer gefallen sind. Sind im Projekt keine gewerblichen Nutzungen vorgesehen?

von Schumacher: Nein, Gewerbe sieht das Konzept nicht vor. Ich kann nachvollziehen, dass einige die Tankstelle vermissen. Für die vielen Anwohner hier war das eine praktische Sache. Andererseits frage ich mich, ob Tankstellen ein Zukunftsmodell sind. Ich selbst fahre ein Elektroauto und bin überzeugt davon, dass die Elektromobilität sehr schnell die Märkte erobern wird. Uns erscheint aber ganz generell viel wichtiger, attraktiven Wohnraum zu erstellen und so das Wohnungsangebot für Mieter zu vergrössern, als an einer Tankstelle festzuhalten.

zentralplus: Ihr nächstes Bauprojekt steckt bereits in der Pipeline: Auf der Wiese zwischen Hirtenhof- und Langensandstrasse planen Sie ebenfalls eine Überbauung. Können Sie Näheres dazu ausführen?

von Schumacher: Noch ist es zu früh, um darüber genauere Angaben zu machen. Wir gehen davon aus, dass dort gegen 70 Wohnungen entstehen werden, verteilt auf vier Gebäude. Klar ist, dass wieder Heikkinen und Komonen die Überbauung gestalten werden. Gebaut wird aber erst, wenn das Projekt «Schönbühl Allee» beendet ist, also nicht vor Sommer 2019.

zentralplus: Sie werden damit die letzten Landflächen überbaut haben, die bereits seit ein paar Jahrhunderten in Familienbesitz sind. Was kommt dann, Verkauf und verdienter Ruhestand?

von Schumacher: Ich habe das Bauengagement nie als Bürde betrachtet. Und wenn die Gebäude stehen, heisst das ja nicht, dass es dann nichts mehr zu tun gibt. Ich sehe mich nicht untätig in der Hängematte liegend, sondern bin lieber aktiv in einem Umfeld, das mir zusagt. Den Familienbesitz zu verkaufen ist definitiv keine Option.

Die Überbauung «Schönbühl Park» wurde 2014 fertiggestellt und gibt einen Vorgeschmack darauf, wie die «Schönbühl Allee» dereinst aussehen wird.

Die Überbauung «Schönbühl Park» wurde 2014 fertiggestellt und gibt einen Vorgeschmack darauf, wie die «Schönbühl Allee» dereinst aussehen wird.

(Bild: pbu)

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