Wir begleiten eine Reisegruppe auf ihrem Fototrip

Was wollen eigentlich all die asiatischen Touristen in Zug?

Hier geht die Reise los: Cars halten am Rigiplatz, um chinesische Touristen aussteigen zu lassen.

(Bild: lob)

Die Zahl chinesischer Touristen in Zug nimmt stetig zu. In wenigen Stunden rauschen die Reisegruppen durch die Kolinstadt. Nur: Was interessiert die Gäste aus Fernost an Zug? Wir haben verärgerte Badi-Betreiber, überforderte Migros-Kunden und zugeparkte Geschäfte gefunden – aber wenig Konsumfreude.

In den letzten Jahren ist die Zahl chinesischer Touristen in Zug sichtbar angestiegen. Obwohl die Übernachtungszahlen asiatischer Gäste insgesamt rückläufig war (zentralplus berichtete), sieht man rund um See und Altstadt immer wieder Reisende aus dieser Weltgegend. Die würden aber nicht hier übernachten, sondern in ganzen Carladungen kommen und nach kurzem wieder abfahren. Was aber macht die Kolinstadt so attraktiv? Wir gehen mit den Gästen aus Fernost auf Tour.

Wir finden uns beim Rigiplatz ein. Neben der Spielanlage für Kinder gibt es einen Parkplatz, der zum Ein- und Aussteigenlassen von Carreisenden gedacht ist. Parkieren dürfen dort nur Busse, die ein Abkommen mit der Zuger Schifffahrtsgesellschaft haben. Daran hält man sich offenbar nicht immer.

«Vor unserem Geschäft halten täglich Cars mit asiatischen Touristen, auch für längere Zeit», meint Maya Sulger, die zusammen mir Andreas Hörschelmann das Goldschmiedatelier gleich vis à vis der Parkplätze betreibt. Die Reisebusse kämen zum Beispiel aus Tschechien, Rumänien oder Italien. Da die Hinweisschilder aber nur auf Deutsch verfasst seien, würden die Chauffeure oftmals erst durch die Polizei darauf hingewiesen, dass hier nur der Umstieg erlaubt ist.

Kein Profit für Goldschmiede

Dass die Cars vor ihrem Geschäft parkieren, ist für beide keine ideale Lösung: «Das hier ist ein schöner Teil von Zug. Es ist schade, wenn hier Cars stehen», meint Maya Sulger. Ihr Kollege pflichtet ihr bei: «Es geht nicht nur um die Reisebusse mit asiatischen Touristen. Es ist allgemein nicht schön, wenn drei Busse vor dem Geschäft stehen», meint Andreas Hörschelmann. Im Moment kämen aber halt vor allem Busse mit asiatischen Touristen auf den Parkplätzen an – zwischen drei und zehn pro Tag.

Lohnt sich das Eintreffen der ganzen Cars denn nicht auch für die Betreiber des Goldschmiedeateliers? Mitnichten, meinen diese. «Die Car-Touristen gehören eher nicht zu unserer Kundschaft. Wir fertigen unsere Arbeiten speziell für unsere Kunden an und führen keine Label, die für die asiatischen respektiven eben chinesischen Gäste eher interessant wären. Zudem ist die Kommunikation nicht einfach, da nur die wenigsten Englisch sprechen.»

Zieht einige Betrachter an: Die «Seesicht.»

Zieht einige Betrachter an: die Seesicht.

(Bild: lob)

Polizei ist schnell vor Ort

Tatsächlich: Als zwei Cars, jeweils mit ungarischen und polnischen Kennzeichen, ankommen, dauert es keine zwei Minuten, bis ein Polizist auftaucht. «No parking here», erklärt einer der Chauffeure daraufhin dem Gruppenleiter knapp.

Der Reiseleiter der rund 50 Personen zählenden Gruppe ist für einmal nicht mit Fähnchen oder Schirm, sondern mit einem Stab ausgestattet, auf dem eine kleine, gelbe und zur Faust geballte Hand prangt. Auf Kommando macht sich der Herr, der uns mit seiner Truppe mitlaufen lässt (obwohl wir nicht ganz sicher sind, ob er uns verstanden hat), ziemlich beschwingten Schrittes auf in Richtung See. Er hat es sichtlich eilig. Wieso, werden wir gleich merken.

«Es kommt manchmal vor, dass die Touristen nicht mal lesen können.»

Migros-Mitarbeiterin

Auf zu «Seesicht», Zytturm und Kirche

Als Erstes zieht die Installation «Seesicht» die Aufmerksamkeit einiger Touristen auf sich. Kurz rein, sich vor dem Eingang ablichten lassen, weiter gehts. Das gleiche Spiel bei der Platzwehri, wo die aufgereihten und zugedeckten Pedalos offenbar interessant wirken. Vermietet werden bei dem grauen und regnerischen Wetter keine. Der Gruppenleiter mit der Plastikhand treibt die Foto-Karawane weiter in Richtung Kolinplatz.

Das nächste Sujet: der Zytturm. Hierzu wird sogar (vermutlich) etwas erklärt, jedenfalls hört die Gruppe kurz aufmerksam zu, bevor wieder drauflos geknipst wird. Bisher sind gut 20 Minuten vergangen und die Fotosession geht mit ordentlichem Tempo vonstatten.

 

Kurzes Briefing: Vermutlich erfährt man hier gerade etwas über die St. Oswald Kirche.

Kurzes Briefing: Vermutlich erfährt man hier gerade etwas über die St.-Oswald-Kirche.

(Bild: lob)

Nächster Halt ist die Kirche St. Oswald. Auch hier scheint der Reiseleiter ein paar Infos preiszugeben, bevor diese abgelichtet werden darf. An diesem Punkt teilt sich die Gruppe auf: Ein Teil läuft gleich weiter, der Rest nimmt sich ausgiebiger Zeit für Fotos bei der Kirche. Wir schliessen uns vorerst den Langsameren an.

Erstmal geht es für Einzelne in die Migros an der Grabenstrasse. Begehrt sind Früchte, Sandwiches und – klar – Schokolade. Auf ihrer Tour landen offenbar sehr viele Chinesen in der Migros. «Meistens am Mittag und gegen Feierabend, wenn eh schon viel zu tun ist», meint eine Kassiererin. Dies sei nicht immer einfach, da die wenigsten Englisch sprächen.

«Vor allem, wenn es ums Zahlen geht, wird’s kompliziert», sagt die Verkäuferin. Wie in vielen anderen Filialen würden keine Euro-Münzen angenommen. «Wir haben ein kleines Schild, wo das auf Chinesisch draufsteht. Aber es kommt manchmal vor, dass die Touristen nicht mal lesen können.» Gerade eben habe ein Pärchen 20 Tafeln Schokolade zurücklassen müssen, die sie mit Euro-Münzen bezahlen wollten.

Ein kurzes Vergnügen

Für das Restgrüppchen geht es anschliessend in Richtung Casino, nun angeführt von einem zweiten Reiseleiter (oder einem natürlichen Alphatier). Ausgiebig werden die Schaufenster der Läden in der Altstadt begutachtet. Betreten wird hingegen kaum eines der Geschäfte. Beim Theater Casino angekommen, geraten die chinesischen Touris offenbar etwas in Sujet-Not, da hier immer noch gebaut wird. Herhalten für Selfies müssen dann eben ein privater Eingang und die Bänkli neben dem Gebäude. Einige wagen sich trotz schlechtem Wetter auch zum Seebad und beobachten den aufgewühlten See. Bildlich festgehalten wird natürlich auch das.

Wieder setzt sich die Gruppe in Bewegung – zum letzten Mal. Die vom Rigiplatz vertriebenen Cars haben sich auf den Parkplätzen hinter der Bushaltestelle Theater Casino eingefunden. Nach gut 45 Minuten Zug-Erlebnis steigen die Touristen wieder in die beiden Cars mit polnischem Kennzeichen. Drei weitere Busse stehen noch auf dem Parkplatz.

Bekannte Marken sind beliebt

Auf dem Rückweg treffen wir auf Überbleibsel der zweiten Gruppenhälfte. Diese besuchen gerade die Filialen der Bijouterie Lohri. Ob sie etwas gekauft haben, bleibt offen, denn die Touristen kommen ohne Taschen raus.

«Wir werden in Zukunft wohl Plakate brauchen, um uns den Ärger zu ersparen.»

Barbara Gilardoni, Bistro-Betreiberin beim Seebad Seeliken

Die Bijouterie Lohri scheint – neben der Migros – eines der wenigen Geschäfte zu sein, die von den Touristen profitieren. Schon länger hat man sich dort auf die Touristen eingestellt und unter anderem chinesische Verkäufer eingestellt (zentralplus berichtete.) Wer Schmuck oder Uhren kauft, setzt bei den chinesischen Touristen eher auf bekannte Marken, sagte man uns beim Goldschmiedeatelier Sulger. Alles andere wird scheinbar mehr oder weniger links liegen gelassen.

Im Seeliken gibt’s vornehmlich Ärger

Auch beim Seeliken profitiert man nicht von den Foto-Touristen – im Gegenteil. «Sie wollen hier nicht nur die Aussicht festhalten, sondern fotografieren sehr oft auch Gäste in Bikini und Badehose, die sich verständlicherweise darüber aufregen», meint Barbara Gilardoni, die mit ihrem Mann Guido das Bistro führt. Mit Händen und Füssen würden sie die Touristen mit meist nicht vorhandenen Englischkenntnissen darauf hinweisen müssen, dass das zu unterlassen sei.

Auch konsumiert werde in der Regel nichts: «Über die ganze bisherige Saison hindurch hat bisher ein Paar mal für etwa 20 Franken konsumiert. Das wars auch schon», erzählt Gilardoni weiter. Die meisten würden sonst nur die Infrastruktur nutzen wollen, um ihr eigenes Essen zu konsumieren. Auch hier müssten sie und ihre Mitarbeiter oft eingreifen. «Wir werden in Zukunft wohl Plakate auf Chinesisch oder vielleicht auf Japanisch brauchen, um uns den Ärger zu ersparen», meint Gilardoni. Verärgert sei sie aber weniger über die Touristen als über die Organisatoren, welche sie ins Seeliken lotsen würden.

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