Luzern: Obergrund-Quartierverein zur Bodum-Misere

«Wartet man noch zwei, drei Jahre, steht dort bloss noch eine Ruine»

Andreas Gervasi hinterfragt die Kommunikation in der Casa Bodum.

(Bild: Montage pze)

Andreas Gervasi ist Ko-Präsident des Obergrund-Quartiervereins. Der ganze Trubel um die Bodum-Villen beschäftigt auch ihn, im Quartier ist man über die aktuelle Situation unzufrieden. Der Architekt sagt: Wegen ein paar Missverständnissen haben in der Causa Obergrundstrasse alle Parteien verloren.

Die Diskussion über die Obergrund-Villen nahm diese Woche wieder Fahrt auf. Durch die Veröffentlichung von Sitzungsprotokollen zwischen den Parteien Bodum und Stadt zeigte die «Luzerner Zeitung» eine Reihe von Missverständnissen auf, die zum Scheitern der Firmenansiedlung der Bodum AG in Luzern führte. Doch im Hickhack um Bauvolumen und Rentabilität wird ein Akteur vernachlässigt: die Anwohner.

So meldete sich Andreas Gervasi, Ko-Präsident des Quartiervereins Obergrund und selber Architekt, in der Juliausgabe der Quartierzeitung zu Wort. Darin forderte er von Bodum, was auch Baudirektorin Manuela Jost mit Nachdruck verlangte: einen qualitätssichernden Architekturwettbewerb. Der heutige Zustand passt Gervasi gar nicht.

Gervasi hinterfragt Kommunikation

Gervasi sagt: «So wie die Situation heute ist, ist sie für das Quartier höchst unbefriedigend.» Denn die Villen an exponierter Lage sehen alles andere als majestätisch aus: Während die Nummer 101 mit einem Baugerüst umgeben ist, wurden bei der Nummer 99 die Fenster mit Brettern zugenagelt. Seit Mai ist klar, dass der geplante Abbruch der Villa 99 auf Eis gelegt ist (zentralplus berichtete). Auch Gervasi sagt mit Bedauern: «Der bestehende Zustand wird wohl noch länger andauern.»

«Ein solches Projekt wäre bei uns im Quartier auf viel Opposition gestossen.»

Dabei sei das Ganze sehr unglücklich abgelaufen, sagt Gervasi, der mit beiden Parteien im Austausch stand. «Beide Seiten haben gewisse Informationen zu ihren Gunsten interpretiert – so kam es zu Missverständnissen.» Dabei hinterfragt Gervasi vor allem die Kommunikation: «Die Stadt hätte wohl zu Beginn der Verhandlungen ganz klar und unmissverständlich sagen sollen, welche Vorgaben für eine in Aussicht gestellte Abbruchbewilligung und diese Art Projekt gelten. Dazu gehört eben auch ein Architekturwettbewerb, das steht so im Baugesetz.» Dies sei offensichtlich versäumt worden und habe zu einer langen Kette von Missverständnissen geführt.

Neubau grundsätzlich okay

Der Architekt glaubt noch immer, die Liegenschaft könne renoviert werden, trotz erstelltem Gutachten, das einen Abriss näher legt. «Solche Gutachten sind oft auch Parteigutachten. Das heisst, es werden gewisse Details hervorgehoben, damit man am Ende zu einem erwünschten Ergebnis kommt.» Dabei sei klar: «Sanieren geht immer. Die Frage ist, wie hoch der Aufwand sein darf.» Doch für eine Sanierung müsse man sich beeilen: «Wartet man noch zwei, drei Jahre, steht dort bloss noch eine Ruine.» Denn: Die Villa Nummer 99 hat ein löchriges Dach, welches zu einem stark beschleunigten Zerfall führt (zentralplus berichtete).

Das Quartier sei aber auch nicht per se gegen einen Abbruch. «Es gibt sehr gute Beispiele von Neubauten, die sich nahtlos in ein Quartierbild eingefügt haben», so Gervasi. Aber ein Neubau, wie Bodum ihn wollte, sei niemals realistisch gewesen. Der Neubau hätte das Volumen der bestehenden Villa grosszügig übertroffen, dies aus Gründen der Rentabilität. Wie Bodums Anwalt gegenüber der «LZ» erklärt, hätte ein kleinerer Neubau keine Rendite mehr abgeworfen. Die Stadt liess sich nicht auf das Argument ein – Bodum habe zu viel für die Liegenschaft bezahlt, was die Villa zum «Liebhaberobjekt» mache – dies müsse nicht rentabel sein.

Von oben sieht man das abgedeckte Dach und das offene Fenster der Obergrundstrasse 99.

Von oben sieht man das abgedeckte Dach und das offene Fenster der Obergrundstrasse 99.

(Bild: zvg)

 

Bodum hätte klar sein müssen, dass ein Neubau in der Grösse, wie er ihn wollte, niemals akzeptiert werden würde, sagt Gervasi. «Vielleicht wurde er da schlecht beraten», so der Ko-Präsident des Quartiervereins. «Ein solches Projekt wäre bei uns im Quartier wahrscheinlich auf viel Opposition gestossen», so der Architekt.

Firmenansiedlung wäre im Quartier gut angekommen

Der Baustopp gilt indes nicht für beide Villen: Bei der Nummer 101 wird bald etwas gehen. Aber auch diese Arbeiten sind nicht wirklich befriedigend für das Quartier. Bodum kündigte an, bei der Villa 101 nur das Nötigste zu sanieren und das Haus zur Fremdnutzung zu vermieten. Das bedeutet, dass der im Quartier höchst ungeliebte Betonanbau des Hauses stehen bleibt. Ursprünglich wollte Bodum in der Nummer 101 das neue Design-Center seiner Firma eröffnen und den Anbau durch einen Glaskomplex ersetzen. «Das wäre architektonisch ein sehr spannendes Projekt gewesen», sagt Gervasi.

«In unserem Interesse wäre natürlich, dass diese Häuser nach so langem Leerstand endlich wieder genutzt werden.»

Auch dass die Firmenansiedlung nicht geklappt hat, findet Gervasi sehr schade. «Vor allem, weil es wegen dem Wohnprojekt im Nachbargrundstück nicht klappte.» Der neue Bodum-Firmensitz wäre im Quartier grundsätzlich gerne gesehen gewesen.

«Im Moment verlieren alle»

Anstoss zur Diskussion rund um die Villen in der Obergrundstrasse war die Besetzung durch die «Gundula»-Aktivisten im April 2016. Die erste Besetzung, welche drei Wochen andauerte, habe beim Quartier nicht allzu hohe Wellen geworfen. «Grundsätzlich hegten Bewohner des Quartiers Sympathien für das Anliegen der Gundula-Besetzer», so Gervasi.  

Der Architekt will niemandem die Schuld zuschieben. «Es gab so viele Parteien: Da waren die Bauherrschaft, der Planer, die Stadtbaukommission, die Baudirektorin Manuela Jost, die Besetzer und schliesslich die Presse – am Ende waren alle verantwortlich an den Missverständnissen, die jetzt zum scheinbaren Übungsabbruch geführt haben.»

Aus Sicht des Quartiers müsse jetzt vor allem Bewegung in die Sache kommen. «In unserem Interesse wäre natürlich, dass diese Häuser nach so langem Leerstand endlich wieder genutzt werden», erklärt der Ko-Präsident des Quartiervereins. Denn: «Im Moment verlieren alle.» Deshalb wünsche er sich, dass man noch einmal einen neuen Anlauf zu einem Neubauprojekt nimmt – in realistischer Grösse und mit qualitätssicherndem Architekturwettbewerb. «Damit dort ein architektonisch sehr spannendes und für das Quartier identitätsstiftendes Gebäude entstehen kann.»

Hier geht es zu unserem Dossier über Bodum und die Obergrund-Villen.

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