Ärger wegen Privatisierung der Zuger Psychiatrie

«Wem es nicht passt, der wird jetzt gehen»

Die Klinik Zugersee in Oberwil ist die grösse psychiatrische Einrichtung im Kanton Zug.

(Bild: mam)

Neue Unruhe in der Psychiatrischen Klinik Zugersee: Der Grund sind Anpassungen bei den Arbeitsverträgen, die mit der Privatisierung der Klinik zusammenhängen. Dabei kommt es teilweise auch zu schlechteren Anstellungsbedingungen für die Mitarbeiter. Nicht alle akzeptieren die neuen Verträge.

Die Rochade in der Leitung der Psychiatrischen Klinik Zugersee ist zwar zu Ende. Bis auf Weiteres führt Markus Müller die Institution. Doch die schlechte Stimmung unter den Mitarbeitenden, die zum Abgang von Reto Fausch führte, hat sich offenbar nicht verbessert (zentralplus berichtete).

Im Gegenteil. «Alle Mitarbeiter haben neue Arbeitsverträge erhalten. Die Änderungen kommen teilweise nicht gut an beim Personal», sagt ein Klinikmitarbeiter, der nicht namentlich genannt sein will, im Gespräch mit zentralplus. Die Verträge enthielten teilweise nachteilige Änderungen für die Angestellten. «Weniger Ferien zum Beispiel, und es gibt Abstriche bei den Spesen.»

«Viele haben Angst vor der Privatisierung.»
Ein Klinikmitarbeiter

«Mitarbeiter, denen das nicht passt, gehen jetzt», sagt der Mitarbeiter. Das Betriebsklima sei noch schlechter als zuvor, wegen der «Angst vor der Privatisierung». «Man fragt sich unter den Mitarbeitenden, ob damit nur gespart werden soll», sagt er.

Betriebsstart im Januar 2018

Mit dem «Projekt Integrierte Psychiatrie UR/SZ/ZG» verfolgen die Konkordatskantone Uri, Schwyz und Zug das Ziel, ihrer Bevölkerung ab 1. Januar 2018 ein vernetztes und patientenorientiertes Angebot bereitzustellen und die Zusammenarbeit unter den verschiedenen Leistungserbringern zu optimieren.

Um diese Zielsetzung zu erreichen, werden zusammen mit der Übernahme der Psychiatrischen Klinik Zugersee in Oberwil die ambulanten psychiatrischen Dienste der drei Kantone sowie die Klinik Zugersee in einer Organisation zusammengefasst. Der Start der neuen Betriebsgesellschaft Triaplus AG soll 2018 erfolgen.

Aktiengesellschaft gehört drei Kantonen

Der Klinikdirektor ad interim, Markus Müller, nimmt gegenüber zentralplus Stellung. Von einer klassischen Privatisierung könne man nicht sprechen, sagt er. Es werde zwar eine Aktiengesellschaft gebildet, unter deren Dach die bisher selbständigen Institutionen zusammengefasst würden. «Es handelt sich aber um eine öffentlich-rechtliche AG, welche den drei Kantonen Schwyz, Uri und Zug gehören wird.»

Ein möglicher Verkauf dieser AG sei – im Gegensatz zu einem ähnlichen, umstrittenen Projekt im Kanton Zürich – nie ein Thema gewesen.

«Triaplus ist keine Sparübung»

Für die Mitarbeiter sei das aber, trotz aller Aufklärung, etwas Neues und mit einer gewissen Unsicherheit verbunden. «Triaplus ist keine Sparübung», versichert Markus Müller. Der Sinn sei eine Verbesserung für die Patienten, die ambulante und die stationäre psychiatrische Betreuung solle damit besser koordiniert werden.

Müller bestätigt, dass die Mitarbeiter neue Arbeitsverträge erhielten. Man habe sie angefragt, ob sie den neuen Arbeitsvertrag akzeptierten. «Wenn Ja, wird der bisherige Vertrag ab 1. Januar 2018 übertragen.»

«Bei der eigentlichen Entlöhnung hat aber sicher niemand weniger als bisher. Wir haben eine Besitzstandgarantie.»
Markus Müller, Klinikdirektor ad interim

Zu den von unserer Quelle vorgebrachten nachteiligen Arbeitsbedingungen meint der Klinikdirektor, man habe die Personalreglemente der verschiedenen Institutionen vereinheitlicht. «Dabei gibt es kleine Differenzen. Aber sicher keine substanziellen.»

Besitzstandgarantie bei den Löhnen

Bei den Spesen könne es sein, dass die einen mehr, die anderen weniger für ein Mittagessen vergütet hätten und man sich jetzt auf einen Mittelwert geeinigt habe. «Bei der eigentlichen Entlöhnung hat aber sicher niemand weniger als bisher. Wir haben eine Besitzstandgarantie», sagt Müller.

Von Kündigungen wegen der neuen Anstellungsbedingungen sei ihm nichts bekannt. Aber nicht alle Mitarbeiter hätten bisher ihr Feedback abgegeben. In der Klinik Zugersee arbeiteten Ende 2016 insgesamt 284 Mitarbeiter (217 Stellen). Sie ist die grösste Institution des geplanten Zusammenschlusses und nahm schon bisher Patienten aus den Kantonen Uri, Schwyz und Zug auf.

Das gelte für 430 Mitarbeiter in drei Kantonen. Laut Obligationenrecht hätten die Mitarbeiter aber ein Ablehnungsrecht. «In zahlreichen Mitarbeiterinformationen sind die Mitarbeitenden über das Verfahren orientiert worden. Anfang Mai haben alle Mitarbeitenden ein Schreiben erhalten, und sie hatten die Möglichkeit, zur Übertragung ihres Arbeitsverhältnisses Stellung zu nehmen. Gleichzeitig mussten sie rückmelden, ob sie mit den neuen Arbeitsbedingungen einverstanden sind oder nicht», erklärt Lalli.

Die Psychiatrische Klinik Zugersee beschäftigte Ende 2016 284 Mitarbeiter.

Die Psychiatrische Klinik Zugersee beschäftigte Ende 2016 284 Mitarbeiter.

(Bild: mam)

Die neuen Arbeitsbedingungen hätten für gewisse Mitarbeiter Vorteile, für andere Nachteile. «Aber es gibt keine wesentliche Verschlechterung», sagt der Projektleiter. Als Vorteil bezeichnet er die fünf Wochen Ferien statt bisher vier Wochen.

Antwort von 20 Mitarbeitern ausstehend

«Wir haben das Personal fair informiert», sagt er. Die Mitarbeitenden hätten sich bei Fragen jederzeit an die Personalleiterin der Klinik Zugersee, Christa Fehlmann, oder an ihn wenden können. Es wurde eine Frist bis 16. Juni für die Rückmeldung gesetzt. «Rund 95 Prozent des Personals haben zugestimmt», erklärt Paul Lalli. «In der Klinik Zugersee haben 20 Personen noch nicht geantwortet.» Man werde das Gespräch mit ihnen suchen. «Ziel ist es, dass wir alle mitnehmen können in die neue Organisation», sagt Lalli.

Fünf Freitage weg – dafür fünf Wochen Ferien

Den Vorwurf, dass die Mitarbeiter weniger Ferien hätten, kann sich Lalli nur durch ein Missverständnis erklären. Die fünf Freitage, die bisher mit einer zusätzlichen Wochenstunde vorgearbeitet wurden, würden wegfallen. Dafür würden alle Mitarbeiter neu 42 statt bisher 43 Stunden pro Woche arbeiten und hätten dafür ab dem 20. Altersjahr fünf statt vier Wochen Ferien. «Vielleicht haben das nicht alle richtig verstanden», sagt Paul Lalli. Die neue AG führe ausserdem die Jahresarbeitszeit ein. «Es gibt neu grosszügige Kompensationsmöglichkeiten.»

«Ziel ist es, dass wir alle mitnehmen können in die neue Organisation.»
Paul Lalli

Das Personal ist aber auch aus anderen Gründen nicht zufrieden. Laut unserem Informanten gibt es immer mehr Einweisungen in die Klinik Zugersee. Sprich: Immer mehr Personen mit psychischen Problemen würden nach seiner Beobachtung in die Klinik «abgeschoben». «Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Eine Betagte im Altersheim erleidet einen Beckenbodenbruch. Sie wird im Kantonsspital operiert. Dort merkt man, dass sie neben den körperlichen auch gewisse psychische Probleme hat, zum Beispiel Schlafstörungen. Sie kommt in die Klinik Zugersee.»

Überlastung des Personals?

Es genüge auch, wenn jemand eine Äusserung mache wie «Das macht alles keinen Sinn mehr» oder «Das muss ein Ende haben». Schon lande sie oder er in der Psychiatrie. «Jeder mögliche Verweis auf suizidale Absichten muss natürlich ernst genommen werden, das ist ja unsere Aufgabe», fügt die Person hinzu.

Aber manchmal vermuteten die Psychiatriemitarbeiter auch schlicht eine Überforderung bei den Betreuungspersonen anderer Institutionen. So nach dem Motto: Aus den Augen aus dem Sinn.

Die Mitarbeiter müssten in der Klinik Zugersee immer mehr Personen mit immer weniger Personalbestand betreuen. Das wirke sich natürlich auf die Qualität aus. «Für Patienten, welche mit der Hoffnung auf Entlastung in die Klinik gehen, kann es zur Belastung werden.»

Zu diesen Vorwürfen wollte Markus Müller keine Stellung nehmen. Er sei der Klinikdirektor, nicht der Chefarzt.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Eugen Koller
    Eugen Koller, 24.06.2017, 14:35 Uhr

    Ein kleiner Prozentsatz ist nicht zufrieden. Das wird am Anfang aufgebauscht. Im Boulevard- Stil können Anonyme ohne Zivilcourage los wettern …..

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  • Profilfoto von Eugen Koller
    Eugen Koller, 23.06.2017, 08:50 Uhr

    Ich finde es journalistisch bedenklich, wenn Personen nicht zu ihren Aussagen mit dem Namen stehen können und ihre Meinung dann mit dieser Tarnung für einen Artikel verwendet werden.
    Und da sind diese Äusserungen im Vordergrund und werden dann mit den Aussagen der Verantwortlichen verglichen. Diese Aussagen überzeugen mich mehr.

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    • Profilfoto von Christian Hug
      Christian Hug, 23.06.2017, 09:31 Uhr

      Insiderinformationen werden fast ausschliesslich unter der Bedingung der Anonymität weitergegeben, da die Personen Repressionen fürchten – häufig auch zu Recht. Dies betrifft alle Medien. Journalistisch bedenklich ist dies unseres Erachtens dann, wenn am Wahrheitsgehalt der Quelle(n) gezweifelt werden muss. Da in diesem Fall verschiedene Punkte seitens der Führung bestätigt wurden, scheinen die Aussagen so falsch nicht zu sein.

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