Leben im Grossraumbüro (2)

Wenn das Büro zum Wohnzimmer wird

Gemütlich – ein «Private Room» bei Roche im Grossraumbüro. Auf dem Bild Projektleiter Philipp Röser.

(Bild: woz)

«Open office» heisst das Zauberwort der modernen Arbeitswelt. Das heisst: Mitarbeitende fristen ihr Dasein in grossen, offenen Büros und haben nicht einmal mehr einen eigenen Schreibtisch. Bei Roche in Rotkreuz, wo vor drei Monaten ein nigelnagelneues Verwaltungsgebäude gebaut wurde, kann man aber über mangelnde Privatsphäre am Arbeitsplatz nicht klagen. Im Gegenteil.

Die Aussicht ist herrlich hier. Viel Grün, so weit das Auge blickt. Eine herrliche Ruhe herrscht hier. Und nicht nur das. Während man beispielsweise konzentriert auf dem Laptop arbeitet oder ein längeres Telefonat führt, kann man sich hier in einen bequemen Sessel kuscheln und die Beine hochlegen. Entspannung pur. Dämmert’s schon ein bisschen zu späterer Stunde, wird die dekorative Leselampe angeknipst. Und schon wird Licht. Wie zu Hause im Wohnzimmer.

Offiziell heisst dieser Raum bei Roche Diagnostics in Rotkreuz im neuen Verwaltungsgebäude ganz nüchtern nur «Private Room». Privatzimmer also. Das wirkt fast paradiesisch.

Denn während die Mitarbeitenden bei Roche wie in «open office»-Konzepten anderer Firmen zwar auch nicht mehr über eigene Schreibtische verfügen, bietet ihnen der Arbeitgeber zahlreiche Rückzugsnischen. Für die maximal 97 Personen verschiedener Abteilungen, die hier auf dem zweiten Stock angesiedelt sind, gibt es insgesamt 12 solcher privaten Räume.

Richtige Telefonzellen

Diese sind mal mehr, mal weniger gemütlich eingerichtet. Darunter finden sich auch richtige Telefonzellen. Dazwischen gruppieren sich wieder einzelne Sofaecken. Wie in einem Möbelhaus sieht es hier ein bisschen aus. Oder wie in einer grossen WG.

Sesselchen mit Abschottfaktor und Laptopauflage: Eine Sitzecke im Grossraumbüro.

Sesselchen mit Abschottfaktor und Laptopauflage: Eine Sitzecke im Grossraumbüro.

(Bild: woz)

«Wir befinden uns noch in der Pilotphase», sagt Philipp Röser, Projektleiter für Bauprojekte bei Roche. Das «open office» bei Roche soll dabei zum einen ermöglichen, dass mehr Personen in dem Grossraumbüro Platz finden. Sprich: Bis zu 40 Prozent mehr Personal kann dort arbeiten. «Was unmöglich wäre, wenn jeder noch eigenen Schreibtisch hätte, weil man dann Arbeitsplätze blockieren würde», so Röser.

«Man arbeitet dadurch fokussierter, weil man die Arbeit in Portionen einteilen kann.»

Philipp Röser, Projektleiter für Bauprojekte bei Roche

Zum anderen will man es bei Roche unter dem Motto «Activity based working» den Mitarbeitenden in dem «offenen Büro» ermöglichen, je nach Aufgabe optimale Arbeitsbedingungen vorzufinden beziehungsweise sich entsprechend räumlich installieren zu können. Röser ist überzeugt: «Man arbeitet dadurch fokussierter, weil man die Arbeit in Portionen einteilen kann.» Klingt appetitlich.

Aber hallo... eine der Telefonzellen im Grossraumbüro.

Aber hallo… eine der Telefonzellen im Grossraumbüro.

(Bild: woz)

Doch wird man nicht zum Faulenzen verleitet durch so viele Kuscheloasen? Zumal in zahlreichen Ecken auch noch spezielle Möbel stehen, teils in poppigen Farben, teils in denen man sich so richtig abschotten kann. Ganz zu schweigen von den «Silent Rooms». Ruhezimmer, quasi.

Diese sind einmal in der «Dschungelvariante» mit riesigen Grünpflanzen ausgestattet und atmen fernöstliches Flair. Andere sehen aus wie jene Mönch-Denkzellen in der Bibliothek, wo man früher seine Semesterarbeiten geschrieben hat.

Auch die Chefs haben keinen eigenen Schreibtisch mehr

«Die Option, abgelenkt zu werden, ist immer da. Aber die Chance, sich – wie gesagt – je nach Situation optimal auf seine Arbeit konzentrieren zu können, hat viele Vorteile. Man sitzt heute nicht mehr acht Stunden an einem Schreibtisch», so Röser. Zumal viele Mitarbeitende Zeit in Meetings verbringen würden.

Auch dafür gibt es bei Roche übrigens eine kreative Variante: die «Arena», einen Raum mit tribünenähnlichen Sitzplätzen, auf denen jeweils bunte Kissen liegen. Herzig.

Ein «Stillraum» mit Dschungelflair

Ein «Stillraum» mit Dschungelflair

(Bild: woz)

Wie Karin Freyenmuth, Kommunikationsverantwortliche von Roche Diagnostics in Rotkreuz, ergänzt, waren am Anfang einige Mitarbeitenden skeptisch in Sachen «open office»-Konzept. «Inzwischen finden es immer mehr lässig und wollen auch hier arbeiten», versichert sie. Sogar Fremdgänger habe es schon gegeben: solche, die eigentlich in anderen Abteilungen arbeiten, aber hierher kommen, um sich eine Nische zu suchen.

«Früher, als jeder noch seinen eigenen Schreibtisch hatte, wusste man genau, wo der Betreffende gerade sitzt.»

Karin Freyenmuth, Roche-Kommunikation

Dabei ist es auch so schon sehr ruhig in dem Grossraumbüro bei Roche – das übrigens absolut basisdemokratisch funktioniert. Denn auch die zwei Chefs, die hier arbeiten, verfügen über keinen eigenen Schreibtisch. Geschweige denn über ein eigenes Büro. Alles ist im Fluss.

«Dies erleichtert natürlich, dass sich die Mitarbeitenden besser kennenlernen», sagt Röser. Freyenmuth räumt indes ein, dass es manchmal schwieriger sei, jemanden im Grossraumbüro zu finden. «Früher, als jeder noch seinen eigenen Schreibtisch hatte, wusste man genau, wo der Betreffende gerade sitzt. Jetzt fragt man zur Sicherheit am Telefon lieber vorher mal nach.»

Ein grosser Raum im Grossraumbüro.

Ein grosser Raum im Grossraumbüro.

(Bild: woz)

Aber auch im schönen Grossraumbüro von Roche ist noch nicht alles perfekt. An einer Klebewand neben einer offenen Sitzgruppe, einer Art Kummerkasten, prangen Vorschläge und Anregungen von Mitarbeitenden: «Wo kann ich Karton entsorgen?», steht auf einem Zettel. «Web-Cam in Ruhezonen unnötig», auf einem anderen. «Schuhe im Office?», fragt ein anderer Zettel, ein augenzwinkerndes Emoticon hinter dem Fragezeichen. Und: «Es fehlen Schirmständer.» Noch scheint die Sonne. 

Kleine Serie über Bürowelten

Viele Menschen arbeiten im Büro. Immer häufiger im Grossraumbüro. Aus diesem Grund hat sich zentralplus bei zwei grossen Firmen im Kanton Zug umgeschaut, um etwas über die jüngsten Trends moderner Bürowelten zu erfahren. In Teil 1 besuchte zentralplus die Siemens Buildings Technologies Division in der Gubelstrasse in Zug (hier geht’s zum Artikel). In Teil 2 ging’s jetzt zu Roche in Rotkreuz, wo 2600 Personen beschäftigt sind.
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