Luzern reibt sich wieder an seinen Schwänen

Liebesvogel schwimmt durch Hasstiraden

Du mein lieber Schwan: Ein neugieriges Tier am Tivoli-Yachthafen wartet auf sein Brot.

 

(Bild: Walter Buholzer)

Verwirrte Schwäne: Die einen stehlen ihnen die Eier oder bewerfen sie mit Steinen. Touristen füttern sie und fotografieren sich mit ihnen. Beim Thema Schwan hat in den sozialen Medien jeder eine Meinung. Was hat es mit der Schwan-Euphorie in Luzern auf sich?

Zweifellos: Die Schwäne treiben uns um. Die Euphorie kennt jeweils keine Grenzen, wenn Gölä seinen grössten Hit «Schwan» anstimmt. Dann bleibt kein Auge trocken, die Fans liegen sich in den Armen, «Vrgässe was isch gscheh, jeeh / u d’Flüguu trage sie so wit / Wius keni Gränze meh git / Ä Schwan so wiss wie Schnee».

Das unschuldige Weiss bewahrt die edlen Tiere – wissenschaftlich Höckerschwan und lateinisch «Cygnus olor» genannt – aber nicht vor Ungemach. Derzeit sorgen Freveltaten gegen die eleganten Flugtiere für Aufregung im Internet: Eine Empörungswelle schwappt über die Wasservögel (zentralplus berichtete). 

«Wer diese wunderbaren Geschöpfe plagt oder ihnen Schimmelbrot verfüttert, ist ein Idiot.»

Walter Buholzer, pensionierter Hobbyfotograf

Der pensionierte Hobbyfotograf Walter Buholzer, der die Skandalbilder auf Facebook stellte, sagt: «Der Eierdiebstahl beschäftigt die Menschen, ich hatte gegen hundert Feedbacks. Wer diese wunderbaren Geschöpfe plagt oder ihnen Schimmelbrot verfüttert, ist schlicht und einfach ein Idiot.» Buholzer, der jeden Tag mit der Kamera auf Pirsch geht und spektakuläre Bilder schiesst, durfte sogar Fotos an die ermittelnde Polizei liefern.

Leider rechnet man mit weiteren Vandalenakten. Peter Ulmann von der kantonalen Dienststelle Landwirtschaft und Wald, Abteilung Fischerei und Jagd, sagt: «Das Stören der nistenden und brütenden Schwäne verurteilen wir aufs Schärfste. Wir rufen die Bevölkerung dazu auf, Zuwiderhandlungen gegen den Tier- und Naturschutz der Polizei zu melden.» Ansonsten sei die Strafverfolgung solcher Tierquälereien leider aussichtslos.

«Jööh-Effekt» der Königsvögel

Die einen lieben, die anderen hassen sie. Die grössten Vögel auf unseren Seen polarisieren. Am offensichtlichsten ist der «Jööh-Effekt», dem viele Touristen am Luzerner Quai erliegen: Sie lächeln verzückt, wenn sie aus ihren rosaroten Bachmann-Säcken Brot verfüttern und die keifenden Tiere anlocken, um Fotos mit ihnen zu schiessen.

Sarah Johnson aus Texas kennt keine Berührungsängste: «Das sind Königsvögel, oder?»

Sarah Johnson aus Texas kennt keine Berührungsängste: «Das sind Königsvögel, oder?»

(Bild: hae)

«Das sind Königsvögel, oder?», fragt Sarah Johnson aus Texas (USA), der am Schwanenplatz ein freches Tier aus der Hand frisst. Sie quiekt vor Freude, hat ja schliesslich beim Tauchen auch schon Haie gestreichelt und kennt keine Berührungsängste.

Anpassungsfähige Wildtiere 

Sind Schwäne denn keine Wildtiere mehr, die die Menschen meiden? Dazu gibt Michael Schaad von der Vogelwarte Sempach Auskunft: «Höckerschwäne sind anpassungsfähig und nicht sehr scheu, weshalb sie auch in der Nähe des Menschen brüten. Lärm und Betrieb scheinen sie dabei nicht zu stören. Dennoch sind es Wildtiere, denen mit dem nötigen Respekt begegnet werden sollte.»

Die Population ist konstant, es gibt schweizweit rund 7500 Höckerschwäne. Sie sind auch nicht bedroht, es gibt gar eine leichte Bestandeszunahme über die Jahre.

Im Video will eine Chinesin dem Schwan an den Speck:

 

Keinen Grund gibt es, sie zu jagen. Es scheint ein Gerücht im Netz zu sein, dass Chinesen unsere Schwäne essen wollen. Vom Streicheln zum Verspeisen ist der Weg ein weiter. Schmeckt denn Schwan überhaupt? Wikipedia klärt auf: «Es wird berichtet, Schwan sei zäh, schmecke schlammig und fischig.»

Sinnbild für Reinheit und Liebe

In Märchen wie «Das hässliche Entlein» symbolisiert der Schwan Reifung und Vollendung, er wird in der Kunst und Literatur aber vor allem als Sinnbild für Reinheit gebraucht. Beliebt sind Fotos, in denen zwei Schwanenhälse ein Herz bilden. Dazu nochmals Michael Schaad von der Vogelwarte Sempach: «Dieses Liebessymbol verkörpern Höckerschwäne ideal, nicht nur wegen ihrer Anmut. Sondern auch wegen ihrer Treue gegenüber dem Partner.»

Aus dem starken Symbolcharakter des edlen Schwans wird aber auch Profit geschlagen. Das Tier wurde von schamlosen deutschen Fernsehmachern im Jahr 2004 missbraucht: Für die umstrittene Reality-Show «The Swan» auf «ProSieben» legten sich 20 junge Frauen unters Messer und wurden nach Schönheitsoperationen in wallenden Kleidern als neugeborene Schönheiten vorgeführt. Ach, du lieber Schwan!

Da könnte man durchaus aggressiv werden. Das werden bisweilen auch unsere Schwäne: Die meisten sind Einzelgänger, deshalb verteidigen sie für gewöhnlich erbittert ihr Revier. Bei Verletzung des Territoriums kann es zu tödlichen Kämpfen kommen. Zwischen Schwänen, versteht sich.

Erschossener Schwan

Ganz selten kommen Schwäne auch Menschen gar bedrohlich nah und verlieren die natürliche Distanz. Im Sommer 2011 griff ein Tier in der Horwer Bucht während sechs Wochen immer wieder Schwimmende an. Bis Angestellte des Kantons den «Schnappschwan» erschossen. Das machte nationale Schlagzeilen.

Von wegen Göläs Poesie: «Vrgässe was isch gscheh, jeeh.» Es ist eher mit weiteren Schwanengesängen und Schlagzeilen dazu zu rechnen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von M. Moser
    M. Moser, 17.06.2017, 07:55 Uhr

    Die Frage stellt sich, wie viele Schwanenpaare erträgt es am Seeufer? Wie gross darf die Population werden? Schwäne können sich durchaus auch zu einem Problem entwickeln, vor allem dann wenn sich die Lebensräume Mensch/Schwan derartig überschneiden, dass der eine den anderen stört. So musste in Horw ein Schwan über die Klinge springen nachdem er über längere Zeit Menschen auch ausserhalb der Brutzeiten angriff. Solche Probleme erlebt man in Luzern gottseidank selten. Klar muss sein, eine Schwanenmutter während der Nestzeit ist eine Mutter die ihre Jungen nötigenfalls bis aufs Blut verteidigt. Was natürlich nicht dem Ideal des stolzen, friedlichen Schwans entspricht und auch schon mal in Angriffen des Schwans gegen Menschenbeine endete. Ich hoffe, dass man in Zusammenarbeit mit der Stadt und den verantwortlichen Behörden ein Konzept entwickelt welches eine natürliche, gesunde Schwanenpopulation ermöglicht. Dazu gehört notwendigerweise auch eine Kontrolle. Das plötzlich Schwäne an allen unmöglichen Orten brüten, darf nicht das Ziel sein. Im Gegenteil es sollte so sein das ein friedliches ungestörtes Nebeneinander Schwan/Mensch das Ziel sein sollte.

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