Analyse: Was Luzern zur Velostadt braucht

Velostrasse, Freigleis – und jetzt die Velobrücke?

So in etwa stellen wir uns das vor: Die Veloachse würde beim Neubad nicht stoppen, sondern mit einer Brücke weitergeführt.

 

(Bild: jwy/Montage zentralplus)

Keine Frage: Die neue, zwei Kilometer lange, Velo-Fussgänger-Achse zwischen Luzern und Kriens ist für die Velostadt Luzern ein Quantensprung. Aber sie zeigt auch gnadenlos auf, wo die Defizite liegen. Und sie weckt Begehrlichkeiten. Jetzt sind neue Projekte gefragt – und auch mehr Mut.

Mit viel Volk und Bravour wurde letzten Samstag die neue Velo-Fussgänger-Achse – das «Freigleis» – eingeweiht. Nun kommt man sicher und gemütlich vom Neubad bis Kriens-Mattenhof. Das Velofest demonstrierte zudem, dass eine friedliche Koexistenz von Zweirädern, Kinderwägen und Fussgängern trotz Massenandrang möglich ist – die samstägliche Gelassenheit müsste sich vermehrt auf den werktäglichen Feierabendverkehr übertragen.

Die fast zwei Kilometer lange Velo-Fussgänger-Strasse wurde freudig aufgenommen, aber es öffnet auch die Augen für Defizite. Denn eine Velostadt ist Luzern deswegen bei Weitem noch nicht. Das sieht man daran, dass es recht wenig braucht für viel Begeisterung. Denn im Prinzip müssten solch breite Achsen für den Langsamverkehr keine Ausnahme, sondern eine Selbstverständlichkeit sein. Erst dann werden auch ungeübte Radler vermehrt das Auto stehen lassen.

Das Velofest.

Das neue Freigleis zwischen Luzern und Kriens wird beradelt.

(Bild: Kilian Bannwart)

Platz besser nutzen

Weil der Gesamtraum für den Verkehr in der Stadt nicht grösser wird, muss man schauen, dass man jenen Verkehr fördert, der wenig Platz braucht: ÖV, Fuss- und Veloverkehr. Das hat weniger mit Ideologie zu tun als mit Logik. «Der öffentliche Verkehr sowie der Fuss- und Veloverkehr werden gefördert. Gleichzeitig soll die Innenstadt weitgehend vom motorisierten Durchgangsverkehr befreit werden.» Dieser Satz stammt nicht aus einem grünen Manifest, sondern aus der städtischen Vision 2035 in der aktuellen Gesamtplanung 2017 bis 2021. Dort heisst es auch: «Die Situation für den Fuss-/Veloverkehr ist in Luzern trotz grossen Anstrengungen in den letzten Jahren noch immer unbefriedigend.»

Der Anteil des Veloverkehrs am Gesamtverkehr dümpelt in Luzern bei mickrigen 2 Prozent – bis 2020 soll er sich auf 4 Prozent verdoppeln. Man muss nicht mal bis auf das Aushängeschild Kopenhagen schauen, um neidisch zu werden. In vergleichbaren Städten wie Freiburg im Breisgau ist das Velo inzwischen mit einem Anteil von 34 Prozent das meistbenutzte Verkehrsmittel. Zufall ist das nicht, darum wollen alle von diesem Vorbild lernen.

Noch mehr Freigleise

In Luzern kann man das «Freigleis» als Aufforderung verstehen, was nun getan werden muss. Projekte und Ideen sind vorhanden. Ein paar Beispiele:

Weitere Veloachsen: Meint es die Stadt ernst mit der Veloförderung, braucht es weitere breite Korridore für den Velo- und Fussverkehr in alle Himmelsrichtungen. Also auch stadtauswärts in Richtung Verkehrshaus oder Ebikon. Aber gerade auf der Haldenstrasse, wo es kaum zusätzlichen Platz gibt, ist noch keine Lösung in Sicht, seit das Velofahren am Quai abermals gescheitert ist (zentralplus berichtete). Zumindest in den Norden geht’s der Reuss entlang auf dem Xylophon-Weg recht entspannt und sicher nach Emmenbrücke – oder in die neue Sommerbar Nordpol (zentralplus berichtete).

Dieses Piktogramm auf der Bruchstrasse bedeutet Velostrasse.  (Bild: jwy)

Dieses Piktogramm auf der Bruchstrasse bedeutet Velostrasse.  (Bild: jwy)

Auch die probeweise eingeführte Velostrasse auf der Bruch- und Taubenhausstrasse scheint sich zu bewähren. Im Mai ist der Pilotversuch in Luzern abgelaufen, in anderen Schweizer Städten läuft er weiter. Die Auswertung durch das Bundesamt für Strassen kommt nicht vor 2019 – also wird man erst dann wissen, wie es mit der Velostrasse in Luzern weitergeht.

Unsere Prognose: Die Velostrasse wird definitiv eingeführt, nur müssten die Autos hier noch konsequenter dem Langsamverkehr Platz machen. Denn noch immer staut sich hier zu Stosszeiten das Blech und blockiert die Route. Denn für den Durchgangsverkehr gibt’s die parallel verlaufende Hauptstrasse.

Besser vernetzen

Velostrassen und -achsen sind toll, aber immer nur so gut wie ihre Vernetzung im Ganzen – doch in Luzern existieren noch gravierende Lücken. Im Prinzip könnte man von Kriens bis Emmenbrücke durchgehend auf Veloachsen fahren – wenn da nicht die Unterbrüche wären. Zwischen dem Ende der Bruchstrasse beim Kasernenplatz und dem Beginn des Velowegs an der Reuss muss der Radfahrer gefühlte drei Autobahnen überqueren und sich durch Blechlawinen schlängeln.

Oder: Das stressfreie Flanier-Fahren auf dem Freigleis endet beim Neubad relativ abrupt und man findet sich bald in der unwirtlichen Verkehrs-Realität des Bundesplatzes wieder, wenn man weiter Richtung Bahnhof oder an den See pedalieren will.

Fertig lustig: Beim Neubad endet die Veloachse abrupt.

Fertig lustig: Beim Neubad endet die Veloachse abrupt.

(Bild: jwy)

Bestehende Achsen verlängern

Wäre Luzern eine richtige Velostadt, würden Veloachsen nicht einfach so enden – sie wären nahtlos verflochten. Und es gibt durchaus Pläne: Konkret will die Stadt, wenn die neue Überbauung mit den Hochhäusern beim Bundesplatz kommt, für Velofahrer eine neue Verbindung schaffen (zentralplus berichtete).

So könnte man von der Neustadtstrasse abbiegen, zu den Gleisen runterfahren, unter der Langensandbrücke durch und hinter dem Capitol vorbei an den Bahnhof radeln. Damit wäre die Gefahrenzone Bundesplatz elegant umfahren. Das ist im Projekt so eingeplant, eine Machbarkeitsstudie und Gespräche mit den Grundeigentümern laufen noch. Die Resultate werden im Herbst vorliegen.

Die Ausfahrt der Autos ist auf der Seite gegen die Neustadtstrasse zu geplant. Hier würde auch ein allfälliger Velo- und Fussweg zwischen Geleise und Neubau durchführen.

Die Ausfahrt der Autos ist auf der Seite gegen die Neustadtstrasse zu geplant. Hier würde auch ein allfälliger Velo- und Fussweg zwischen Geleise und Neubau durchführen.

(Bild: nightnurse images GmbH)

Weit ambitionierter ist ein anderes Projekt, das diskutiert wird: Wo die Veloachse heute endet, würde eine Velobrücke über das Gleisfeld auf die Fruttstrasse führen. Mit dieser Verlängerung würde man schliesslich via Schüür und Rösslimatt-Areal direkt an den See gelangen. Und damit zu vielen Hotspots wie Ufschötti, Inseli, Uni, Hochschule, Bahnhof, Velostation …

Bei der Velobrücke handelt es sich (noch) eher um eine Idee als um ein konkretes Projekt. Die Machbarkeit hängt auch davon ab, wie und wann die SBB-Überbauung Rösslimatt startet. Aber es wäre definitiv eine Lösung, die für Aufsehen sorgen würde.

Eine alte Idee: der Tunnel

Auf dem Tapet ist schliesslich eine alte Idee: ein Velotunnel unter den Geleisen im alten Posttunnel. Er würde von der Zentralstrasse zur Robert-Zünd-Strasse führen, also zur Uni und Velostation. Damit könnte man elegant dem gefährlichen Bahnhofplatz ausweichen.

Vor zwei Jahren wurde der Tunnel verworfen, «zu teuer», hiess es damals. Nun taucht er in der städtischen Gesamtplanung 2017–2020 wieder auf und ist Teil des Agglomerationsprogramms. Die Planungskredite für die nächsten Jahre müssen seitens des Stadtparlaments noch bewilligt werden, ebenso 2,2 Millionen Franken für die Realisierung bis 2021.

Das Freigleis hat den Appetit geweckt, machbare Projekte liegen in Reichweite. Will Luzern eine Velostadt werden, ist jetzt Mut gefragt, und dann darf’s auch mal eine Brücke sein.

Andere sind schon weiter: Velobrücke in Kopenhagen – in Luzern erst eine vage Idee.

Andere sind schon weiter: Velobrücke in Kopenhagen – in Luzern erst eine vage Idee.

(Bild: Wikimedia)

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