Hat der Besitzer die Geduld verloren?

Ein Abriss der Bodum-Villa ist vom Tisch

Die Villa an der Obergrundstrasse 99 sollte abgerissen werden, doch ein Bauprojekt fehlt bis heute.

(Bild: jwy)

Die Bodum-Villen an der Obergrundstrasse vegetieren vor sich hin. Die Stadt sagt, der Ball liege beim Besitzer und man wartet auf ein Bauprojekt. Der Besitzer sagt, die Stadt verweigere das Gespräch. Klar ist einzig: Der Abriss der geschützten Villa ist gestoppt – und die Verwirrung ist komplett.

Die beiden Villen an der Obergrundstrasse 99 und 101 stehen weiter verlassen und stoisch da: die eine mit Brettern vor den Fenstern, die andere in ein Baugerüst gehüllt. Gelbe Schilder warnen vor Zutritt.

Was passiert mit den Häusern? Diese Frage beschäftigt weiter die Öffentlichkeit – und soviel sei verraten: Klarer wird die Sache vorerst nicht, trotz einer am Dienstag veröffentlichten Antwort des Stadtrates auf eine Interpellation. Bis vor Kurzem waren sich Stadt und Besitzer Jørgen Bodum einig, dass die eine Villa abgerissen werden soll. Das ist jetzt vom Tisch, Bodum stoppt die Planung überraschend.

Doch der Reihe nach: Im letzten November, also noch vor der jüngsten Besetzung von Anfang April, forderte die städtische SP-Fraktion Antworten zu den zwei leerstehenden Villen. Beide gehören seit Dezember 2013 der Bodum Invest AG mit Sitz in Triengen – und sie sind beide ungenutzt.

Inzwischen ist einiges gegangen: Es gab bekanntlich eine zweite Gundula-Besetzung (zentralplus berichtete). Und man erfuhr, dass der Eigentümer die kleinere der beiden streng geschützten Villen (die Nummer 99) verlottern lässt.

Letztes Gespräch im Januar

Die Antworten des Stadtrates fassen den Status quo zusammen, mehr nicht: Seit 2014 sei die Stadt mit Bodum in Kontakt, «um eine bauliche Entwicklung der beiden Liegenschaften unter Berücksichtigung der herausfordernden Rahmenbedingungen anzustreben». Das letzte persönliche Gespräch zwischen Baudirektorin Manuela Jost, dem Rechtsvertreter sowie dem Planer der Bodum Invest AG fand am 13. Januar dieses Jahres statt.

Zugebrettert und umwuchert wartet die Bodum-Villa an der Obergrundstrasse 99 auf ihr Schicksal.

Zugebrettert und umwuchert wartet die Bodum-Villa an der Obergrundstrasse 99 auf ihr Schicksal.

(Bild: jwy)

Die grössere Villa – Nummer 101 – will Bodum sanieren und umnutzen, die Baubewilligung dafür hat er seit September 2016. Darin soll dereinst das «Bodum Design und Service Center» unterkommen, so der Stadtrat.

Die Nummer 99 wollte der Besitzer hingegen abreissen, das Haus ist in desolatem Zustand. Hier nahmen die Planungsarbeiten für einen Neubau eines reinen Wohngebäudes schon Form an, man war sich mit der Stadt einig.

Noch kein genügendes Bau-Projekt

Das Neubau-Projekt sei von der Stadtbaukommission mehrfach begutachtet worden, zuletzt am 31. März 2017. «Es liegt jedoch noch kein baueingabereifes Projekt vor», so der Stadtrat. Laut Bau- und Zonenreglement muss für einen allfälligen Neubau ein «bewilligungsfähiges und qualitativ hochstehendes Bauprojekt» vorliegen, das in einem «qualitätssicherndes Konkurrenzverfahren» ermittelt wird. Eine Machbarkeitsstudie dazu war in in Arbeit.

«Was Bodum mit seinen Liegenschaften vorhat, kann sich im Verlauf der Zeit ändern.»

Manuela Jost, Baudirektorin

Auch wenn sich der Stadtrat wünscht, «dass die bauliche Entwicklung der beiden Liegenschaften zügig umgesetzt wird», waren die Hürden für einen allfälligen Abriss und Neubau gross.

Vorwurf: blockierte Gespräche

Besitzer Jørgen Bodum hat sich die Sache wohl einfacher vorgestellt – und er scheint nun endgültig die Geduld verloren zu haben. Das lässt jedenfalls ein Artikel in der aktuellen «Wochenzeitung» vermuten, in dem von einer Kehrtwende des Eigentümers die Rede ist.

Die Aussagen im Artikel lassen die Antwort der Stadtregierung alt aussehen. An der Obergrundstrasse 99 könne vorerst kein Projekt realisiert werden und auch das grössere Nachbarhaus 101 werde nach der Renovation wohl nicht selbst genutzt, sondern vermietet.

Jørgen Bodum will keine Eindringlinge mehr auf seinem Grundstück an der Obergrundstrasse 101.

Jørgen Bodum will keine Eindringlinge mehr auf seinem Grundstück an der Obergrundstrasse 101.

(Bild: jwy)

Die «WoZ» bezieht sich auf eine schriftliche Nachricht von Bodums Anwalt. Er begründet die Planänderung damit, dass die Stadt die Gespräche blockiert habe. Gerne hätten wir von Jørgen Bodum selbst gewusst, wie er die Kehrtwende begründet, aber unsere Fragen blieben bis jetzt unbeantwortet.

Vorhaben können sich ändern

Baudirektorin Manuela Jost sagt auf Nachfrage, dass sie von den Äusserungen im Artikel Kenntnis habe (sie kommt darin auch selbst zu Wort). Kommentieren will sie diese nicht, denn von blockierten Gesprächen könne keine Rede sein: «Wir sind im Gespräch mit den Vertretern der Eigentümerschaft», sagt sie. Doch was Bodum mit seinen Liegenschaften vorhabe, könne sich im Verlauf der Zeit ändern.

«Die Bedingungen will der Grundeigentümer nun offenbar nicht akzeptieren.»

Jürg Rehsteiner, Luzerner Stadtarchitekt

Von Seiten Stadt war vor allem Stadtarchitekt Jürg Rehsteiner im Austausch mit den Planern. Weiter sitzen in der Stadtbaukommission neben der kantonalen Denkmalpflegerin Cony Grünenfelder vor allem externe Architekten und ein Landschaftsarchitekt.

Stadtarchitekt Jürg Rehsteiner bestätigt auf Anfrage: «Die Planung für einen Neubau des Gebäudes an der Nummer 99 wurde offenbar von den Eigentümern gestoppt.» Dies sei der letzte Stand, wie es weitergeht, wisse er nicht genau: Ob das Haus verkauft werde oder ein neues Projekt aufgegleist wird. Die Renovation der Nummer 101 hingegen soll offenbar trotzdem realisiert werden.

Rehsteiner spricht von zeitweise «schwierigen Verhandlungen», die sich über mehr als drei Jahre hingezogen hätten. Die Stadt habe vor einem Jahr dem ausnahmsweisen Abbruch zugestimmt. Die damit verbundenen Bedingungen wolle der Grundeigentümer nun aber offenbar nicht akzeptieren.

Ball liegt bei Bodum

Für die Stadt ändert sich trotz dieser Kehrtwende vorläufig nichts: «Der Ball liegt nicht bei uns», sagt die Baudirektorin. Will heissen: Eine Abbruchbewilligung war in Aussicht gestellt, doch ein Bauprojekt, das den sensiblen Anforderungen gerecht wurde, ist nie eingegangen.

Eingang zur ehemals besetzten Villa an der Obergrundstrasse 99.

Eingang zur ehemals besetzten Villa an der Obergrundstrasse 99.

(Bild: jwy)

Auf die Frage, ob Bodum die Geduld verloren habe, sagt die Baudirektorin nur: «Es geht um einen Neubau in der Ortsbildschutzzone B, da gelten strenge Auflagen. Der Stadtrat erwartet ein hochqualitatives Projekt, das in einem Architektur-Wettbewerb ausgelobt wird.»

Die Ausgangslage für das Gebäude 101 ändert sich nicht: Die Renovation ist bewilligt, auch wenn Bodum Invest das Gebäude nicht selbst nutzen, sondern vermieten würde. Manuela Jost: «Wir wollen unabhängig davon eine hohe bauliche Qualität im Sinne des Quartiers, das steht im Vordergrund.»

Mit anderen Worten: Ob und wann ein Umbau an der Nummer 101 startet und was mit der Nummer 99 passiert, weiss im Moment alleine die Bodum Invest.

Keine Pflicht zur Zwischennutzung

In der Interpellation vom 15. November 2016 wollten drei Stadtparlamentarier der SP-Fraktion auch wissen, ob der Stadtrat Kenntnis von leerstehenden Gebäuden habe. Dieser habe erst durch die erste Besetzung vom Leerstand der Villen erfahren, steht in der Antwort. «Es besteht keine Pflicht der Grundeigentümer, leer stehende Gebäude zu melden, und die Stadt Luzern führt kein Verzeichnis», schreibt der Stadtrat.

Auf die Frage, wie der Stadtrat künftig mit leeren Häusern umgehen will, schreibt dieser von Einzelfällen. Und: «Der Stadtrat unterstützt die Zwischennutzung dieser Gebäude.» Doch bei privaten Hausbesitzern sei der Einfluss der Stadt gering, mehr als vermitteln und beraten könne die Stadt nicht. Befristete Zwischennutzungen sind in der neuen Bau- und Zonenordnung aber in allen Zonen grundsätzlich möglich.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Bruno Hermann
    Bruno Hermann, 16.05.2017, 23:27 Uhr

    Die Kernfrage zum möglichen Neubau wurde vom Stadtrat leider nicht angesprochen bez. beantwortet.
    -> Nämlich warum denn die Stadt Luzern in diesem Fall eine Abbruchbewilligung überhaupt in Aussicht stellt?

    Die eigenverantwortliche massive Forcierung der Zerstörung einer äusserst wertvollen Villa ist mittlerweile mehr als offensichtlich (nun gut sichtbare, durchgehende Öffnungen im Traufbereich, offen gelassene Fenster).
    Das einzige Korrektiv der Stadt, wenn sie sich nicht als Handlanger eines Interessenkonfliktes sieht, ist ein klar kommunizierter Rückzug der in Aussicht gestellten Abbruchbewilligung/ Feststellungsentscheid.

    – Zum Zeitpunkt der Übergabe an Herrn Bodum war die Villa in einem tadellosen Zustand, dem Zustand einer sorgfältig geführten Baustelle (die vierköpfige Eigentümerfamilie hat in der Dachwohnung gelebt)
    Notabene in enger Absprache der einzelnen Eingriffe mit dem damaligen Denkmalpfleger Herr Carlen und der Baudirektion.
    Diverse qualifizierte Unternehmer aus der Region hatten einen Bauauftrag (nebst den zitierten Eigenleistungen vom damaligen Besitzer, welcher aus der Baubranche stammt….)

    – Bis zum Zeitpunkt des Verlassen der ersten Gundula Besetzung war das Haus ein einem tadellosen Zustand.

    – Die Behauptungen der Rechtsvertretung Bodum sowie von Frau Manuela Jost der Eigentümer hätte das Haus ruiniert sind ganz klar falsch.

    – Die beiliegenden Fotos vom April und Mai 17 zeigt die offensichtlichen grossflächigen offenen Partien (nun gut sichtbar nach dem kürzlichen Abgerüsten).

    – Die Vorgehensweise von Bodum lässt nur einen Schluss zu: das Haus soll möglichst schnell verrotten um den Feststellungsentscheid zu erwirken. Entweder wurde die Stadt von Bodum zum tatsächlichen Zustand der Liegenschaft massiv falsch informiert (und die Stadt hat nie selber nachgesehen) oder die Stadt kennt den tatsächlichen Zustand und unterstützte Herrn Bodum beim Vorhaben die Liegenschaft abreisen zu können.

    – Tatsache ist, dass nach wie vor weder eine wirtschaftliche Unverhältnismässigkeit für einen Abbruch (schon gar nicht in einem ansich unmöglichen Vergleich mit einem grösseren Neubau) noch eine statischer Stress des Gebäudes vorhanden sind. Die Sanierung wir ‚bloss‘ etwas aufwendiger und der Anteil an originalen Bauteilen im Inneren schwindet leider…

    Bruno Hermann
    Architekt FH SIA
    Villenstrasse 4
    6005 Luzern

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