Luzernerin in London von der Queen geehrt

Sie will die Karriere, nicht den Prinzen

Die Schlagzeilen nach der Queen-Ehrung waren nicht, was Santner erwartet hatte. (Montage: jav)

Jennifer Santner aus Ebikon führt in London ein schickes Restaurant und wurde schon von der Queen ausgezeichnet. In der Schweiz jedoch interessiert sich die Presse primär für ihre Männergeschichten.

Nach der Vorlesung zurück ins Hotel Mama, ein bisschen vor dem PC rumhängen oder mit Freunden einen draufmachen? So sieht das Leben von vielen 24-Jährigen aus. Nicht so bei dieser Auswandererin aus Luzern: Jennifer Santner wurde in diesem Alter bereits von der Queen als beste Nachwuchsgastronomin Grossbritanniens geehrt.

Die Hotelfachfrau liess dabei über 200 weitere Bewerber für den «Gold Service Scholarship 2016» hinter sich. Der Wettbewerb zeichnet die besten jungen Service-Mitarbeitenden und -Manager aus Top-Restaurants in England und Schottland aus.

Vor fünf Jahren zog Santner von Ebikon nach London. Heute schiebt sie dort als Managerin im In-Restaurant «Fenchurch» regelmässig Überstunden. Eine 58-Stunden-Woche ist keine Ausnahme. Wir erwischen die 24-Jährige für unser Chat-Interview zwischen dem Mittagsservice und einem Meeting mit dem Chef. Danach geht’s noch in den Abendservice. Ein langer Tag steht ihr also noch bevor.

Zweimal war Santner nach ihrer Auszeichnung durch die Queen im Frühjahr 2016 noch im Palast. Jedoch nicht mehr als Gast, sondern an grossen Anlässen bei der königlichen Bewirtung eingespannt.

Beide Feste im Palast seien äusserst eindrücklich gewesen, schwärmt Santner. Die Zahl der Angestellten an solchen Anlässen sei riesig. «Es ist so, dass dann jeder lediglich für eine Sache zuständig ist. Einer serviert zum Beispiel nur Tee am Buffet und der andere nur Canapés. So kann nichts schief gehen.» Und das für eine Zahl zwischen 1500 und 2000 Gästen. Zudem seien die Hygienemassnahmen aussergewöhnlich streng. «Es war toll, das ein paar Tage lang mitzuerleben. Müsste ich mich aber entscheiden, dann gefällt mir mein Arbeitsalltag im Fenchurch mit meinem Team definitiv besser.»

Die Karriere kommt zuerst

Santner hat Erfolg im Job, eine Ehrung durch die Queen in der Tasche – doch die Presse in der alten Heimat titelt mit Männergeschichten, mit Prinz Harry und schönen Beinen – ist das nicht frustrierend? «Ja sehr», gibt Santner zu. «Das Interesse der Medien ist natürlich toll. Schade finde ich jedoch, dass die meisten mehr Interesse an meinem Liebesleben zeigen statt an meiner Karriere.» Sie sei einige Male auf ihren Freund angesprochen worden – der im Übrigen nichts mit Prinz Harry gemein hat –, habe jedoch immer klargestellt, dass sie das lieber privat halten wolle. «Trotzdem haben einige Medien Informationen von Facebook veröffentlicht.»

Gerne würde sie andere junge Frauen mit ihrer Geschichte begeistern. Sie wolle Mädchen dazu motivieren, den eigenen Weg zu gehen und sich auch eine Karriere im Ausland zuzutrauen. Doch Männergeschichten scheinen schlicht die besseren Schlagzeilen zu bringen.

So möchte Santner in ihrer Heimat wahrgenommen werden – und nicht mit «Prinz Harry-Schlagzeilen». (Bild: zvg)

So möchte Santner in ihrer Heimat wahrgenommen werden – und nicht mit «Prinz-Harry-Schlagzeilen». (Bild: zvg)

Santner ist stolz auf ihren beruflichen Erfolg: «Meine Karriere ist mir sehr wichtig.» Und diese soll weiter steil bergaufgehen. Deshalb absolviert sie momentan ein Teilzeit-Studium – und dies neben ihrem Vollzeitjob. «Restaurantmanagerin zu sein ist toll, aber ich hoffe, in den nächsten 18 Monaten eine General-Management-Rolle zu bekommen.»

Eine Ehrung durch die Queen gibt ihrer Karriere auf jeden Fall einiges an Auftrieb. Nach der Auszeichnung und der Aufmerksamkeit durch die Presse habe sie die letzten Monate einige neue Jobangebote erhalten. «Ich bin meinem Team bisher aber treu geblieben», betont sie. Es gefalle ihr sehr. Auch wenn sie und ihr Team sich an viele Regeln halten müssen und die Gäste einen hohen Standard erwarten. «Ich ermutige mein Team, auch immer ‹sich selbst› zu bleiben und nicht ‹robotisch› zu werden. Sie sollen Spass haben, die Gäste merken das.»

Reisen und sorgenfrei leben

Aufgewachsen sei sie sehr einfach, erwähnt Santner. Doch Schule und Ausbildung hätten immer eine grosse Rolle gespielt. Ihre Karriereorientiertheit habe sie wohl von ihrer Mutter, welche immer Vollzeit gearbeitet habe. Trotzdem war es immer sehr wichtig, Zeit mit der Familie zu verbringen. Statt teurer Ferien sei die Familie dann zum Camping gefahren. Und obwohl sie dabei immer viel Spass gehabt habe, will Santner sich in Zukunft mehr leisten können: «Ich möchte einen sorgenfreien Lebensstil für meine Zukunft aufbauen.»

So steht jedes Jahr auf ihrer «New years resolution list», jeweils sieben neue Länder zu besuchen. «Die letzten zwei Jahr habe ich das auch tatsächlich geschafft», freut sie sich.

Eine Rückkehr in die Schweiz kommt für Santner mittlerweile immer weniger infrage. Weshalb?

 

Mit ein, zwei Besuchen jährlich sei das mit dem Familie-Vermissen auch auszuhalten. «Ich bin inzwischen ja auch schon seit fünf Jahren in London. Da gewöhnt man sich daran. Und viele Freunde kommen mich besuchen oder wir gehen zusammen in die Ferien.»

Zum Thema Essen wollten wir von Santner noch wissen, wie sie das mit den Klischees über das britische Essen wahrnimmt.

Santner gibt zwar lachend zu, ihr erster Freund, ein Brite, habe tatsächlich sehr oft «Beans and Toast» gegessen. Aber in ihrem Umfeld sei gutes Essen sehr wichtig.

«Das Tolle an London ist ja auch, dass hier Leute von überall aus der Welt sind: aus Italien, Spanien, Rumänien, Indien und so weiter.» So sei auch das Essensangebot sehr multikulturell. Und wenn man sich in London ein bisschen auskenne, wisse man, wo die wirklich guten Restaurants zu finden sind.

Apropos Klischee: Wonach eigentlich die Queen riecht, wollen wir von Santner noch wissen – nach Puder und Chanel No. 5 – wie man sich das vorstellt? «Ganz so nah bin ich nicht herangekommen», lacht Santner. Und zudem habe sie sich bei den Begegnungen mit der Queen immer auf ganz andere Sachen konzentriert, wie zum Beispiel, dass sie die Verbeugung nicht vermassle. Dafür erhalte man als nicht royaler Gast sogar ein Training. «Rechter Fuss nach hinten, nur ein bisschen verbeugen, Knicks.» So geht die Version für die Damen, erklärt Santner.

Zum Schluss wollten wir von Santner noch wissen, was sie an der Schweiz am meisten vermisse. Die Antwort:

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